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»Guten Morgen, Harry. Hatten Sie heute auf der Fahrt hierher Pro­bleme?«

»Als ich die Zufahrt hinter mir hatte, ging's ganz gut. Die Straßen sind geräumt.«

»Mich hast du nicht gefragt, ob ich welche hatte.« Miranda trat an den Schalter, der das Postpersonal von den Kunden trennte. Da sie gleich hinter dem Postamt wohnte - nur eine Gasse lag dazwischen - , war sie zu Fuß zur Arbeit gerutscht und geschlittert.

»Da du dir nichts gebrochen hast, ist ja alles in Butter.« Mim lehnte sich auf den Schalter. »Grau in grau. Kalt. Gräßlich.«

»Fünfzehn Grad minus waren's letzte Nacht.« Miranda, die Gärtne­rin aus Leidenschaft, behielt das Wetter stets im Auge. »Auf Dalmal­ly war's bestimmt noch kälter.« So hieß Mims Anwesen gleich au­ßerhalb der Stadt. Da einige von Mims Vorfahren aus Schottland geflohen waren, hatten sie ihre Farm zum Gedenken an Heide und Heimat Dalmally genannt.

»Minus siebzehn.« Mim schlenderte zu ihrem Postfach und holte ihren Schlüssel hervor. Das Messingschloß klickte, als sie den Schlüssel herumdrehte.

Neugierig ließ Mrs. Murphy sich von der Fensterbank fallen, sprang auf den Schalter, trat dann gewandt vom Schalter auf das Sims, das hinter den Postfächern entlang verlief und die oberen von den unteren, größeren trennte. Zu gerne spähte sie in die Fächer. Zog ein Tag sich hin, griff sie auch mal hinein, scharrte in der Post und biß gar die Ecken ab.

Heute bemerkte sie, daß auf dem Boden von Susan Tuckers Post­fach Popcorn klebte.

Mims Hand, behandschuht mit erlesenem, weichem, türkisfarbe­nem Wildleder, langte in ihr Fach. Murphy konnte nicht widerstehen, sie linste hinab und packte mit beiden Pfoten - ohne ausgefahrene Krallen - Mims Hand.

»Mrs. Murphy, laß mich meine Post rausholen.« Mim bückte sich und sah sich von zwei schönen grünen Augen angestarrt.

»Gib mir deinen Handschuh. Ich rieche Wildleder so gern.«

»Harry, Ihre Katze läßt mich nicht los.«

Harry ging hinüber, steckte die Finger in das Postfach und befreite Mims Hand aus Murphys Pfoten. »Murphy, nicht alle in Crozet fin­den euch süß.«

»Vielen Dank!«, tönte Pewters Stimme aus dem Postsack.

Harry, eine hübsche Frau, jung und sportlich, setzte ihre Tigerkatze sanft auf den Schalter und streichelte sie.

Miranda sah in den Paketregalen nach. »Mim, hier ist ein Päckchen für dich. Sieht nach deinem Kaffee aus.«

Als Mitglied eines Kaffeeclubs bekam Mim einmal im Monat Boh­nen von verschiedenen weltberühmten Kaffeesorten zugeschickt. »Schön.« Sie stand am Schalter und sortierte ihre Post. Dann zog sie einen Handschuh aus und schlitzte die Umschläge mit dem Daumen­nagel auf, eine Gewohnheit, um die Harry sie beneidete, da ihre Nä­gel von der Farmarbeit arg mitgenommen waren. Die ältere, elegante Frau öffnete einen weißen Umschlag, las ein paar Sätze, dann warf sie Brief und Umschlag in den Abfall. »Schon wieder so ein Ketten­brief. Ich kann die Dinger nicht ausstehen, ich wünschte, sie würden gesetzlich verboten. Sie sind alle nach dem Pyramidenschema aufge­baut. Dieser hier verlangt, daß man fünf Dollar an den Crozet Hospi­tal Fonds für bedürftige Patienten schickt und dann zwanzig Kopien von dem Brief versendet. Ich möchte bloß wissen, wer meinen Na­men auf die Liste gesetzt hat.«

Harry öffnete die Trennklappe, ging zum Papierkorb und angelte den unliebsamen Brief heraus.

»Schwester Sophonisba wird Ihnen Glück bringen.« Sie überflog den Rest. »Da ist keine Namensliste. Hier steht bloß, man soll den Brief an zwanzig Personen weiterleiten,>wenn Sie wollem.« Harrys Stimme wurde lauter. »Schicken Sie fünf Dollar an den Crozet Hos­pital Fonds für bedürftige Patienten, oder Ihre Mikrowelle stirbt.«

»Das steht da doch nicht wirklich, oder?« Miranda dachte, Harry würde sie aufziehen, aber andererseits...

»Nee.« Harry grinste sie schief an.

»Sehr komisch.« Mim streckte die Hand nach dem Brief aus und Harry gab ihn ihr. »Gewöhnlich ist da eine Namensliste und der obe­re bekommt Geld. Der eigene Name rutscht nach und nach auf der Liste nach oben.« Sie las den Brief noch einmal, dann lachte sie schallend. »Das ist die Stelle, die mich immer fertig macht bei die­sem Zeug.« Sie las vor: »Mark Lintel hat fünf Dollar geschickt und der Herr hat ihn mit einer Beförderung am Arbeitsplatz belohnt. Jer­ry Tinsley hat diesen Brief zum Abfall geworfen und hatte drei Tage später einen Autounfall.« Mim schaute über den Brief hinweg. »Ich meine mich an Jerrys Unfall zu erinnern. Und ich meine mich auch zu erinnern, daß er reichlich Wodka intus hatte. Wenn er stirbt, er­steht er als gammelige Kartoffel wieder auf.«

Harry lachte. »Vermutlich mußte er den alten Camry irgendwie los werden, drum hat er beschlossen, ihn zu Schrott zu fahren.«

»Harry«, sagte Miranda tadelnd.

»Hm, Ihre Todesdrohung gegen Mikrowellen fand ich gut.« Mim reichte Harry den Brief über den abgenutzten Schalter. Harry zielte auf den Papierkorb und beglückwünschte sich zu dem>Korbleger<.

Harry lächelte. »Zwei Punkte.«

»Scheint jemand von hier zu sein. Die Hinweise betreffen Hiesige. Nichts vonHarold P. Beecher aus Davenport, Iowa, hat das große Los gewonnen<«, sagte Mim. »Tja Mädels, da sieht man mal wieder, wie gemächlich es bei uns zugeht, wenn wir so viel Zeit für einen Kettenbrief verschwendet haben.«

»Der Februar ist langweilig.« Harry streckte die Zunge heraus.

»Ist euch schon mal aufgefallen, daß Menschenzungen nicht so ro­sa sind wie unsere?« Tucker, die Corgihündin, legte den Kopf schief und streckte ebenfalls die Zunge heraus.

»Sie sind, was sie sind«, tönte es mit Grabesstimme aus dem Post­behälter.

»Oh, wie tiefsinnig, Pewter.« Mrs. Murphy kicherte.

»Die Weise von Crozet hat gesprochen«, grollte Pewter und ließ ihre Katzenstimme noch tiefer klingen.

»Also, ich weiß gar nichts. Und ihr zwei?«

»Mim, wir dachten, Sie wissen alles. Sie sind die.« Harry hielt eine Sekunde inne; denn ihr lag>die Queen von Crozet<, wie Mim hinter ihrem Rücken genannt wurde, auf der Zunge. »... ah, die An­führerin der Bande.«

»Wenigstens haben Sie nicht Rasselbande gesagt.«

»Wie geht's Jim?«, erkundigte sich Miranda nach Mims Ehemann.

»Viel zu tun.«

»Marilyn?« Miranda fragte jetzt nach Mims Tochter, die in Harrys Alter war, Ende dreißig.

»Immer das selbe, was heißen soll, sie hat kein Ziel in diesem Le­ben, sie hat keinen Liebhaber und existiert nur, um mir zu widerspre­chen. Und was meinen Sohn betrifft, da du gerade die Familie durchgehst, er und seine Frau sind noch in New York. Keine Enkel­kinder in Sicht. Was ist nur mit Ihrer Generation los, Harry? Wir waren mit dreißig voll etabliert.«

Harry zuckte mit den Achseln. »Wir haben mehr Möglichkeiten.«

»Was soll das denn heißen?« Mim stemmte die Hände in ihre schmalen Hüften. »Das bedeutet doch bloß, daß Sie nachgiebiger gegen sich selbst sind. Ich habe nichts gegen Frauen mit Ausbildung. Auch ich habe eine vorzügliche Ausbildung genossen, aber ich kann­te meine Pflicht, und zwar zu heiraten und Kinder zu bekommen und sie zu guten Menschen zu erziehen.«

Miranda lenkte das Gespräch geschickt in eine andere Richtung. »Nicht hinsehen, aber Dr. Bruce Buxton rodelt auf dem Rücken die Main Street runter.«

»Ha!« Mim lief zum Fenster, Mrs. Murphy und Tucker hinterher. »Hoffentlich ist er von Kopf bis Fuß grün und blau!«

Bruce drehte sich herum und bekam schließlich ein Parkverbots­schild zu fassen. Schwer atmend zog er sich hoch, seine Füße aber wollten partout in verschiedene Richtungen. Als er endlich Halt ge­funden hatte, begab er sich halb rutschend, halb schlitternd zum Postamt.