Выбрать главу

»Möglich, aber Sally wirkt ganz glücklich. Ich war immer stolz darauf, in den Menschen lesen zu können, doch Sam entzieht sich mir.«

»Ich weiß, was Sie meinen.« Sie stellte den Kragen ihres Mantels hoch, eines teuren dreiviertellangen Jäger-Modells, das beim Gehen flatterte. »Ich nehme an, Sie kennen alles und jeden in dieser Stadt.«

»Oh, einige«, erwiderte er bescheiden. »Aber man erlebt trotzdem Überraschungen. Hank Brevard. Ich hätte nicht gedacht, daß er in einem anderen Menschen genug Wut wecken konnte, um ermordet zu werden.«

»Vielleicht hat er jemanden bei einem Autokauf übers Ohr gehau­en.« Sie sagte dies ohne große Überzeugung.

Hank hatte sein handwerkliches Geschick dazu benutzt, alte Perso­nenwagen und Transporter zu reparieren. Sein Hobby war zur Lei­denschaft geworden und gelegentlich auch zu einer Einkommens­quelle, wenn er einen DeSoto oder Morgan reparierte und verkaufte.

»Weiß Gott, er hatte seinen eigenen Wagenpark. Im vergangenen Jahr muß er einem Kaufrausch verfallen sein. Kann mich nicht erin­nern, daß er schon mal so viele Autos hatte. Ich würde den 1938er Plymouth gerne kaufen. Aussichtslos.« Larry lachte.

»Wenn der Wirbel sich gelegt hat, wird Lisa seine Sammlung si­cher verkaufen.«

»Ach Tussie, selbst wenn, den Plymouth könnte ich mir eh nicht leisten.«

»Vielleicht doch. Man muß sich hin und wieder etwas gönnen. Un­sere Arbeit ist aufreibend. Es gibt Tage, da liebe ich sie wie an mei­nem ersten Tag nach Abschluß der Schwesternausbildung, und an anderen Tagen könnte ich vor Müdigkeit umfallen.«

»Tussie, Sie sind eine wunderbare Krankenschwester.«

»Oh danke, Doktor.«

Er lächelte. »Da wären wir.« Er öffnete die Eingangstür. »Auf in den Kampf.« Nach einer kurzen Pause sagte er: »Wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt, sagen Sie's mir bitte. Im Vertrauen. Wenn hier was faul ist, müssen wir der Sache auf den Grund gehen. Dieses Krankenhaus ist zu gut, um mit Schmutz beworfen zu werden.«

Überrascht schreckte sie zusammen, dann entspannte sie sich. »Ja, sicher. Ich bin im Moment ein bißchen reizbar. Etwas argwöhnisch.«

»Das sind wir alle, Tussie. Das sind wir alle.«

21

Vier mittelgroße Fluß-Steine beschwerten die Ecken der großen Blaupause, die Sheriff Shaws Schreibtisch bedeckte. Er beugte sich mit einem Vergrößerungsglas darüber, wobei er hektisch an seiner Zigarette paffte. Der Rauch brannte ihm in den Augen, als er den Glimmstengel aus dem Mund nahm, scharf beäugte und wieder hin­einsteckte.

Cynthia, die ebenfalls rauchte, stand neben ihm. Sie redete sich ein, sie rauche zur Selbstverteidigung, dabei rauchte sie, weil der kleine Nikotinstoß ihre strapazierten Nerven besänftigte.

Rick zeigte mit seinem dicken Finger auf den Heizungskeller, legte das Vergrößerungsglas hin und plazierte den linken Zeigefinger auf den Raum mit der Verbrennungsanlage. Dabei ließ er die Zigarette aus dem Mund hängen, so daß ihm der Rauch in die Augen stieg.

Coop nahm ihm die Zigarette aus dem Mund und legte sie in einen Aschenbecher.

»Danke.« Er atmete tief durch. »An diesen zwei Stellen lassen sich Beweise am leichtesten vernichten.«

»Schon, aber ich glaube nicht, daß das unser Problem ist.«

»So?« Seine Augenbrauen hoben sich. »Ich hätte nichts dagegen, das verdammte Messer zu finden.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht. Wir werden das Messer nicht finden. Es ist verkohlt, oder er könnte es dahin gebracht haben, wo diese Sachen bedampft oder ausgekocht werden oder was immer die damit machen. Aussichtslos.«

»Das Wort gefällt mir, aussichtslos.« Er griff mit der rechten Hand wieder nach seiner Zigarette, behielt aber den linken Zeigefinger fest auf dem Raum mit der Verbrennungsanlage. »Was brüten Sie in Ihrem Kopf aus?«

»Harry hatte gestern Abend ein paar gute Ideen.«

»Ach.« Er schnaubte. »Dann muß ich es mir wohl anhören.«

»Sie meinte, vielleicht kapert jemand Körperorgane.«

Er schwieg eine lange Weile, hob den linken Zeigefinger. »Aha.«

»Oder stiehlt Drogen.«

Er drückte seine Zigarette aus, die er bis zu einem Stummel herun­tergeraucht hatte. »Der andere Aspekt ist, der Mörder war ein Feind, der wußte, daß Hank hier am ehesten anzutreffen war. Der Mörder kannte Hanks Gewohnheiten; die meisten Mörder kennen ja die Ge­wohnheiten ihrer Opfer. Bis Harry einen Schlag auf den Kopf krieg­te, war ich nicht überzeugt, daß die Tat mit dem Krankenhaus zu­sammenhing. Jetzt bin ich's.«

»Ich auch«, stimmte Cooper zu. »Und nun heißt es herausfinden, was im Krankenhaus vorgeht. Was sich für mich bei Hank nicht zu­sammenreimt - wenn er an krummen Geschäften beteiligt war, hätte er dann nicht auf größerem Fuß gelebt? Er scheint nicht über seine Verhältnisse gelebt zu haben.«

Rick rieb sich das Kinn. »Vielleicht nicht. Auf die Pensionierung warten und dann abzischen.« Er legte die Hände aneinander und flatterte mit den Fingern wie ein davonfliegender Vogel.

»Er hätte Schmiergelder von der Heizölfirma nehmen können, von dem Stromlieferanten, von jedem. Zum Beispiel diese schwachen Glühbirnen. Die sind mir aufgefallen, als wir auf Bobby Minifees Anruf hingekommen sind. Woher wissen wir, ob Hank nicht Hun­dert-Watt-Lampen in Rechnung gestellt und nur sechzig Watt ge­nommen hat? Nun, ich bin die Aufzeichnungen durchgegangen und weiß, daß es nicht so war, aber nur mal so als Beispiel. Er war in der idealen Position, um abzusahnen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß man ihn dafür umgebracht hät­te. Wenn er jedoch korrupt war, wäre es verdammt schwer auszuma­chen gewesen. Er hätte die Aufzeichnungen fälschen und die Origi­nale in den Verbrennungsofen werfen können.« Er rieb die Handflä­chen aneinander. »Coop, im Augenblick klammern wir uns an Stroh­halme. Wir haben hundert Theorien und nicht einen einzigen handfe­sten Beweis.«

»Gehen wir noch mal in den Keller. Sagen Sie Sam Mahanes nicht, wann wir da sind. Rufen Sie ihn an, daß unsere Leute kommenden Dienstag dort sein werden. Wir beide gehen dann Montagabend hin. Jemand könnte versucht sein, etwas hinauszuschaffen. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, wir wären dort unten, ohne daß Sam oder jemand anders es weiß, abgesehen von dem Wartungsmonteur, der gerade Dienst hat, und mit dem werden wir schon fertig.«

»Keine schlechte Idee.«

»Ein kleiner Hammer könnte nützlich sein. Um die Wände abzu­klopfen.«

Rick lächelte. Sie war gut. Sie war einfach gut.

22

Der Sonnenuntergang über dem Blue-Ridge-Gebirge ließ auf den Berggipfeln ein rosa-goldenes Feuerrad erstrahlen.

Harry blieb an dem Bach stehen, der ihren Besitz von dem Grund­stück ihres Nachbarn Blair Bainbridge trennte. Der Himmel über ihr färbte sich von Rotkehlcheneierblau zu einem von Orangegelb durchzogenen Blaugrau. Sie konnte sich nicht satt sehen an dem Farbenspiel der Natur.

Zur gleichen Zeit wie Harry betrachteten auch Rick Shaw und Cyn­thia Cooper das Schauspiel. Ihr nicht gekennzeichneter Wagen park­te neben den Bahngleisen unweit des Krankenhauses, unterhalb des alten Bahnwärterhäuschens, einem kleinen Steingebäude, das die C&O-Eisenbahngesellschaft in den 1930er Jahren aufgegeben hatte.

»Schön«, murmelte Rick.

»Ja.« Coop sah den Himmel sich zu einem samtigen Preußischblau verdunkeln, eine ihrer Lieblingsfarben.

Nacheinander gingen die Lichter an, Punkte des Lebens. Autofah­rer schalteten die Scheinwerfer ein und die Bewohner von Crozet eilten zum Abendessen nach Hause.

»Wann waren Sie das letzte Mal im Kino?«, fragte Rick.

»Äh, ich weiß nicht.«

»Ich auch nicht. Ich werde meine Frau morgen Abend überraschen und mit ihr einen Film ansehen. Und essen gehen.«

»Da wird sie sich freuen.«