»Arrogant.«
»Ist das alles?«
»Arrogant und gut aussehend. Gefällt dir das besser?«
»Er ist brillant. Das sagen alle.«
»Dann muß er es wohl sein.«
»Aber du kannst ihn nicht leiden, oder?«
»Nun ja, ich kann es nicht erklären, Marilyn. Und es ist auch nicht wichtig. Bist du an Bruce interessiert? Wenigstens reitet er einigermaßen. Du kannst unmöglich an einem Mann interessiert sein, der nicht reiten kann. Ein Grund mehr, weshalb Blair nichts für dich ist.«
Little Mim lachte, weil es stimmte. Reiter sollten keine NichtReiter heiraten. So eine Ehe ging selten gut. »Da ist was dran.«
»Bruce reitet wie die meisten Männer. Schenkeldruck, am Zügel reißen. Schenkeldruck, am Zügel reißen, aber mit ein paar Stunden Unterricht ließe sich das verbessern. Er will nicht grob sein und ist weniger grob als die meisten anderen. Frauen sind besser im Umgang mit Pferden. Das wird immer so sein.« Sie äußerte dies mit eiserner Überzeugung. »Frauen stellen achtzig Prozent des Jagdfeldes, aber nur zwanzig Prozent der Unfälle.«
»Harry reitet gut, oder?« »Ihr beide solltet bei unseren Wettkämpfen für Jagdpferde als Paar reiten.«
»Harry und ich stehen uns nicht nahe.«
»Ihr müßt euch nicht nahe stehen. Eure Pferde sind aus dem gleichen Stall.«
Dem folgte eine erschöpfende Diskussion über die Verdienste verwandter Reittiere, die mit der für Reiter typischen Begeisterung und tiefen Konzentration geführt wurde. Für jeden anderen wäre das Gespräch totlangweilig gewesen.
»Mutter.« Little Mim wechselte das Thema. »Würdest du Bruce wohl zu einer deiner berühmten Teegesellschaften einladen?«
»Ich kann die Ställe nicht sehen.« Mim blickte auf den dicht fallenden Schnee. »Eine Teegesellschaft?«
»Deine sind die besten. Auf deinen Partys ist immer was los. Ich wünschte, ich hätte deine Begabung.«
»Die könntest du haben, wenn du wolltest, Marilyn. Man lernt Feste zu geben wie man lernt sich anzuziehen. Oh, was habe ich Harry und Susan vor ein paar Tagen sagen hören? Die>Modepolizei<. Ja, die Modepolizei. Sie haben über Jordan Ivanics Krawatte gelacht und gemeint, er müßte von der Modepolizei verhaftet werden.«
»Harry in ihrem weißen T-Shirt, ihren Jeans und Gummistiefeln?«
»Ah, aber Marilyn, das paßt zu ihr. Es steht ihr gut und sie hat einen wunderbaren Körper. Ich wünschte, sie und Fair kämen wieder zusammen, aber wenn das Vertrauen einmal gebrochen ist, läßt es sich schwer wiederherstellen. Hm, eine Teegesellschaft? Du kannst es lernen.«
»Ich kann für das leibliche Wohl sorgen. Das werde ich tun. Kann bei alledem helfen, aber du hast das Talent, Menschen zusammenzubringen. Wie gesagt, Mutter, auf deinen Partys ist immer was los.«
»Wie Ulrich einmal über den Zaun setzte, über den Rasen galoppierte und über den Picknicktisch sprang, das werde ich nie vergessen.« Sie lächelte bei der Erinnerung an ein ungehorsames Pferd.
»Weißt du noch, wie Fair und Blair eine Schlägerei hatten und Herb Jones sie trennen mußte? Das war ganz schön aufregend.«
Mims Miene hellte sich auf. »Oder wie Tante Tally Ned Tucker ihren Stock über den Kopf knallte und wir Ned in die Notaufnahme bringen mußten.«
»Warum hat Tante Tally das getan?«
»Du warst damals elf, glaube ich. Dein Bruder Stafford war dreizehn. Ich sag dir warum. Ned war Vorsitzender der Republikanischen Partei des Bezirks geworden und Tante Tally war empört. Sie sagte ihm, Tucker sei ein alter virginischer Name und es gehöre sich nicht für ihn, sich für die Republikaner aufstellen zu lassen. Er könne die Republikaner wählen, aber nicht Mitglied sein. Das tue man einfach nicht. Und Ned, der eigentlich ein intelligenter Mensch ist, war dumm genug, sich auf einen Streit mit ihr einzulassen. Er sagte, Lyndon Johnson hätte den Süden an die Republikanische Partei übergeben, als er 1968 das Wahlrechtsgesetz unterzeichnete. Das war zu viel. Patsch!« Mim klatschte in die Hände. »Ich nehme an, Tante Tally wird auch diese Teegesellschaft in Schwung bringen. Wir setzen sie auf Sam Mahanes an, der entschieden zu ernst geworden ist.«
»Aus gutem Grund.«
»Er ist nicht der Einzige, der in Schwierigkeiten steckt. Also gut. Du kriegst deine Teegesellschaft. Wie wäre es mit heute in zwei Wochen? Am sechsten März.«
»Mutter, du bist wunderbar.«
»Nun übertreib mal nicht.«
37
Bruce schaute auf der Kinderstation vorbei, um nach einem zehnjährigen Jungen zu sehen, den er operiert hatte.
Tussie Logan stand bei dem schlafenden Jungen, dessen Haare schmutzig-blond waren. Sie regulierte die Durchflußgeschwindigkeit der Infusionspumpe und berichtete Bruce, der den Jungen nicht wecken sollte, flüsternd von seinen Fortschritten.
Sie gingen in den Flur.
»Die Pumpe ist alt, Modell IVAC 560. Ich liege Sam dauernd in den Ohren, daß wir neue Geräte brauchen, aber ich könnte ebenso gut gegen eine Wand reden.«
»Neue Pumpen können Sie vergessen. Die hier arbeiten ausgezeichnet und die Schwestern können sie bedienen.« Tussie hatte nicht das Bedürfnis, mitten in eine Auseinandersetzung zwischen Bruce und Sam zu geraten. Dabei zieht eine Schwester immer den Kürzeren.
»Sie können lernen.«
»Dr. Buxton, sie sind im Moment überarbeitet. Je einfacher, desto besser. Die alten Pumpen sind leicht zu bedienen.«
»Sie hören sich an wie Sam.«
Ihre Miene wurde angespannt. »Das will ich nicht hoffen.«
»Knauserig.«
»Unser Budget ist nun mal beschränkt.«
»Wir geraten technisch ins Hintertreffen, Schwester Logan. Er muß Geld ausgeben, um den Anschluß nicht zu verpassen. Schulden machen, wenn's sein muß. Er ist zu knauserig, sage ich Ihnen.«
»Dr. Buxton, es steht mir nicht zu, den Direktor dieses Krankenhauses zu kritisieren. Das wäre nicht klug.« Ein Anflug von Angst flackerte in ihren haselnußbraunen Augen auf. »Und wenn Sie schon für neue Geräte kämpfen wollen, dann kämpfen Sie für einen neuen Kernspintomographen oder so was. Lassen Sie die Schwestern aus dem Spiel.«
»Angst, den Job zu verlieren?« Er schnaubte verächtlich. »Immer auf der sicheren Seite. Ach ja, die große amerikanische Lösung für die Zukunft, sich schön auf der sicheren Seite halten.« »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen.« Sie drehte sich um, ging den Flur entlang und verschwand im Zimmer eines anderen Patienten.
»Waschlappen. Ich bin hier von lauter Waschlappen umgeben.« Erbost kehrte er in sein Sprechzimmer im neuesten Flügel des Krankenhauses zurück.
38
Ein Laden nach dem anderen der verschiedenen Ketten säumte die Route 29; Fastfood-Restaurants mit großen flimmernden Schildern trugen das Ihre zu der traurigen Zerstörung des Gebietes bei, das einmal schönes, fruchtbares Ackerland war. Die Straße hätte überall in den Vereinigten Staaten sein können: dieselben Geschäfte, dasselbe Angebot, dasselbe Essen. Was die Gleichförmigkeit an Komfort bieten mochte, war ästhetisch ein Verlust.
Ende der sechziger Jahre vermittelte das Barracks Road Einkaufszentrum an der Kreuzung Garth Road, Emmet Street und Route 29 eine erste Ahnung auf das, was da kommen würde. Es schien damals weit außerhalb zu liegen, fünf Kilometer nördlich der Virginia University.
Bis zum Jahr 2000 hatten sich die Einkaufszentren nach Norden ausgedehnt, fast bis an die Grenze zu Green County. Sogar Green County hatte an der Kreuzung Route 29 und Route 33 ein Einkaufszentrum.
Die Stadt Warrenton war wohlweislich mit einer Umgehungsstraße um die Altstadt einverstanden gewesen. Charlottesville verweigerte sich dieser Lösung zur Verhinderung eines Verkehrskollaps, mit dem Ergebnis, daß jeder, der durch diese schöne Stadt fahren wollte, je nach Tageszeit eine halbe Stunde bis fünfundvierzig Minuten Zeitverlust einkalkulieren mußte.