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Als Harry und Coop auf der Route 29 in nördlicher Richtung un­terwegs waren, fragten sie sich, wie lange es noch dauern mochte, bis sie im Stau steckten.

Plaudernd durchfuhren sie Culpeper, das Blue-Ridge-Gebirge zu ihrer Rechten. In Warrenton wechselten sie auf die Route 17 North, die sie geradewegs auf die Route 50 führte, wo sie rechts abbogen, und nach knapp zehn Kilometern standen sie vor dem Eingang von Salvage Masters, einem neuen dreistöckigen Gebäude, das sich in die Hügel des wohlhabenden Upperville schmiegte.

Harry hatte ihre Chaps, die repariert werden mußten, auf die Rück­bank des Jeeps, Coops Privatwagen, geworfen. Coop wollte keine Aufmerksamkeit mit einem Streifenwagen erregen, wenngleich sie auf der Route 29 hätte rasen können, ohne ein Strafmandat von ei­nem Polizisten zu riskieren, der an uneinsehbaren Stellen mit dem Radargerät lauerte. Die Kleinstädte waren auf diese Einnahmen an­gewiesen, was sie allerdings niemals zugegeben hätten; sie erklärten stets die öffentliche Sicherheit als ihren Hauptgrund, Temposünder zur Kasse zu bitten.

»Meinst du, ich kann meine Chaps hier drin liegen lassen?«, fragte Harry unüberlegt, dann grinste sie.

»Millionen Menschen warten hier bloß darauf, reparaturbedürftige Chaps zu klauen - weil du sie getragen hast.« Lachend griff die blonde Frau nach einer Ledermappe, die Papiere enthielt.

Als sie an die Tür klopften, wurden sie von einer netten Angestell­ten hereingebeten.

Joe Gramer, einsneunzig groß und muskulös, trat aus seinem Büro. »Hallo. Kommen Sie rein. Möchten Sie Kaffee, Cola?«

»Nein danke. Ich bin Cynthia Cooper, Polizeibeamtin, und dies ist Mary Minor Haristeen, Harry, die in den Fall verwickelt wurde.« Cynthia und Harry gaben ihm die Hand.

»Kommen Sie.« Er führte sie in sein Büro, einen behaglichen Raum.

»Das ist ja ein ziemlich großes Unternehmen.« Coop schaute auf die an Bänken sitzenden Beschäftigten, die an Infusionspumpen ar­beiteten.

»Wir bekommen Infosionspumpen aus allen Teilen der Welt ge­schickt. Diese Geräte sind so gebaut, daß sie lange halten, und mei­stens tun sie es auch.«

»Sie sind nicht von Virginia, oder, Mr. Gramer?« Die schlanke Po­lizistin lächelte. »Könnten Sie mir etwas über den Werdegang Ihres Unternehmens erzählen?«

»Sicher. Ich komme ursprünglich von Long Island, bin im Nord­osten aufs College gegangen und habe dann angefangen, in der Fa­brikation von medizinischen Geräten zu arbeiten. Die Medizintech­nik hat mich fasziniert. Ich habe jahrelang bei Medtronics gearbeitet, einer großen Firma in New Jersey. Dort kam mir die Idee, Infusions­pumpen und andere Geräte zu überholen. Die kleineren Krankenhäu­ser können es sich leisten, ihre Geräte reparieren zu lassen. Den Kauf von gebrauchten Geräten können sie sich leisten, aber für neue reicht meist ihr Budget nicht. Wie gesagt, die meisten Geräte sind gut ge­baut und halten Jahrzehnte, wenn sie ordentlich gewartet werden.« »Besuchen Sie Ihre Kunden?«

»Ja. Unsere Kunden in Indien natürlich nicht«, erwiderte er mit seiner warmen Baritonstimme. »Aber von den hiesigen Kunden habe ich viele besucht.«

»Auch das Crozet Hospital?«

»Oh, ich glaube, ich war vor vier Jahren dort. Ich habe in den letz­ten paar Jahren nicht viele Aufträge von dort bekommen.«

Cynthia hob die Stimme. »Nicht?«

»Nein. Dabei müßten die Geräte alle sechs Monate gewartet wer­den.«

»Ich will Ihnen etwas zeigen.« Cynthia entnahm der Ledermappe Rechnungen und legte sie ihm vor.

Joe besah sich die Rechnungen, dann drückte er einen Knopf an seinem Telefon. »Schatz, kannst du mal einen Moment in die Werk­statt rüberkommen?«

Eine Stimme antwortete: »Sicher, bin gleich da.«

»Meine Frau«, sagte er. »Wir haben alles im Computer erfaßt, aber ich vertraue ihrem Gedächtnis mehr als dem Rechner.« Er drückte einen anderen Knopf. »Michael, bringen Sie mir bitte die Akte vom Crozet Hospital, ja?«

»Okay.«

Eine große, elegante Frau kam in Joes Büro geeilt. »Hallo.«

»Schatz, das sind Cynthia Cooper vom Sheriffbüro Albemarle County und Mary Haristeen, äh, Harry.«

»Laura Gramer.« Sie gab ihnen die Hand.

»Erinnerst du dich, wie lange es her ist, seit wir das letzte Mal ei­nen Auftrag vom Crozet Hospital hatten?«

»Oh, mindestens vier Jahre.«

In diesem Moment kam Michael ins Büro. »Hier.«

Joe nahm die Papiere, Michael ging wieder hinaus. Joe und Laura sahen sich die Zahlen an. »Hier«, sagte er zu Coop, »schauen Sie mal.«

Sie ließ sich die Papiere geben. Die letzten Abrechnungen lagen vier Jahre zurück. »Man hat uns nicht verständigt, daß man den Ge­schäftspartner gewechselt hat«, sagte Laura.

»Aber, Mr. und Mrs. Gramer, das letzte Abrechnungsdatum, das ich hier habe, ist der Dezember vorigen Jahres.«

»Es ist unser Briefkopf«, sagte Joe, als Coop ihm eine Rechnung reichte.

»Und unser Papier.« Laura sah sich die Rechnungen genau an, klopfte mit dem Zeigefinger darauf. »Joe, das sind nicht unsere Nummern.« Sie sah Coop und Harry an. »Wir haben unser eigenes Nummerierungssystem. Auf diesen falschen Rechnungen sind die Nummern von vor vier Jahren in aufsteigender Reihenfolge kopiert. Aber ich ändere die Nummern jedes Jahr. Wir haben einen internen Code, mit dem wir über Geschäfte und Reparaturen Buch führen, und das steckt alles in diesen Nummern.«

»Es dürfte ziemlich leicht sein, Rechnungen mit Ihrem Firmenlogo auszudrucken«, meinte Harry. »Mit einem guten Laserdrucker wäre es machbar und billiger als eine Druckerei. Zudem gäbe es keine Unterlagen über einen Druckauftrag.«

»Manche Laserdrucker sind mit allen Raffinessen ausgestattet«, sagte Laura sichtlich beunruhigt.

»Gab's ein Problem mit den Geräten? Sind Sie deswegen hier?«, fragte Joe, dem der Ruf seiner Firma über alles ging.

»Nein, nicht daß wir wüßten.« Coop ging herum und setzte sich wieder, Harry ebenso.

»Können Sie mir sagen, was Sie an den Infosionspumpen überprü­fen, falls überprüfen der richtige Ausdruck ist?«

»Wir überprüfen die elektrische Sicherheit und ob der Strom gut fließt. Oder es könnte ein Netzkabel defekt sein. Es kommt auch vor, daß ein Krankenpfleger ein Gerät fallen läßt. Dann nehmen wir das Gerät auseinander und kontrollieren die Schaltkreise. Kommen Sie, ich zeig's Ihnen.« Er stand auf und führte sie in die blitzsaubere Werkstatt.

»Hier.« Laura zeigte auf die Digitalanzeige an der Front eines Ge­rätes über einer Zahlentastatur wie die Drucktasten eines Telefons. »Die Schwester gibt die Menge pro Stunde, die Gesamtmenge und den Zeitraum ein, was hier abzulesen ist.« Sie wies auf die Anzeige. »Die Schwester oder der Arzt braucht nur auf die Anzeige zu sehen, um zu wissen, wie viel noch in der Pumpe ist, ob die Durchflußge­schwindigkeit erhöht werden muß oder was auch immer.«

Harry erinnerte sich, daß Larry eine Information in ein Gerät einge­tippt hatte.

»Und kann man jede Art von Flüssigkeit in den Beutel tun?« Coop deutete auf Schachteln mit sterilen Beuteln.

Joe nickte. »Sicher. Blut, Morphium, Salzlösung, Narkosemittel. Geburtshelfer benutzen Infusionspumpen, um Pitocin zu verabrei­chen, ein Wehenmittel zur Geburtseinleitung. So eine Infusionspum­pe ist sehr vielseitig verwendbar.«

»Und einfach zu handhaben«, ergänzte Laura.

»Hier.« Joe nahm ein Gerät vom Tisch. »Man kann sich sogar selbst therapieren.« Er legte Coop einen runden Knopf an einer schwarzen Schnur in die Hand. »Sie drücken auf den Knopf und der Tropf läuft.«

»Sind diese Geräte gut gearbeitet?« Harry war neugierig.

»Oh ja. Sie sind auf eine lange Lebensdauer ausgelegt, und es ist wie bei allem anderen auch. Neuere Modelle sind teurer, sie haben mehr Klingeln und Pfeifen, aber ich überhole Geräte, die zwanzig Jahre alt sind - sie kommen überwiegend aus Ländern der Dritten Welt.«