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»Ach Harry, Sie könnten niemanden umbringen - außer natürlich in Notwehr«, sagte Isabelle.

»Ich hab nicht viel über dieses Thema nachgedacht. Und wie siehst du das, Coop? Du bist hier der Profi.«

»Die meisten Mörder haben ein Motiv. Eifersucht, vererbtes Geld. Das Übliche. Doch hin und wieder kommt einer daher, der einen glauben läßt, daß manche Menschen bereits böse geboren werden. Meiner Ansicht nach gestattet unser System, daß sie damit durch­kommen.«

»Wollen wir jetzt über die Aufhebung der Bürgerrechte diskutie­ren?«, fragte Harry.

»Nein, weil ich unter die Dusche muß. Hab heute Abend 'ne Ver­abredung.«

Harry und Isabelle horchten auf. »Womit?«

»Mit wem«, verbesserte Harry Isabelle.

»Mit Harrys Ex.«

»Echt?« Isabelle beugte sich vor.

»Nimm ihn. Er gehört dir.« Harry machte eine lässige Bewegung mit der rechten Hand.

»Ach komm, stell dich nicht so an. Er liebt dich und das weißt du.« Coop lachte Harry aus, dann wurde ihre Stimme lebhaft. »Ich hab's. Gib's zu, du hättest Boom Boom Craycroft umbringen können, als die beiden eine Affäre hatten.«

»Ähem, ja«, erwiderte Harry trocken. »Die Affäre, die meine Ehe beendete. Aber eigentlich stimmt das nicht ganz. Ehen enden auf vielerlei Art. Das war nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Hätte ich Boom Boom umbringen können? Nein. Sie konnte nicht aus ihrer Haut. Ihn hätte ich umbringen können.«

»Und, warum haben Sie's nicht getan?«, wollte Isabelle wissen, die noch nie verliebt gewesen war.

»Keine Ahnung.«

»Weil du keine Mörderin bist«, antwortete Coop für Harry. »Jeder Mensch auf Erden hat Zeiten, wo er dermaßen provoziert wird, daß er jemanden töten könnte, aber neunundneunzig Prozent von uns tun es nicht. Ich möchte schwören, daß es Menschen gibt, die von ihren Genen her zu Gewalt und Mord neigen. Und es ist mir schnurzpiepe­gal, wenn ich mich mit dieser Meinung unbeliebt mache.«

»Wieso sitzen wir hier und reden über meine verflossene Ehe?«

»Weil ich heute Abend mit Fair die Runde mache.«

Fair Haristeen hatte Cynthia Cooper eingeladen ihn zu begleiten, als sie Interesse an seiner Arbeit bekundet hatte.

»Ich wußte gar nicht, daß Sie sich für Pferde interessieren.« Isabel­le stand auf und Harry reichte ihr die Krücken.

»Ich mag Pferde, aber eigentlich interessiert es mich, ein paar Ge­stüte von der anderen Seite zu sehen. Die Stallarbeiter kennen zu lernen. Vielleicht brauch ich mal ihre Hilfe. Und ich möchte mehr über Therapien wissen.«

»Vieles, was später bei Menschen angewendet wird, wird zuvor in der Tierheilkunde getestet.«

»Wie die Operation an meinem Knie.« Isabelle schwang ihr Bein über die unterste Tribüne und trat auf den Holzboden. »Ich möchte wissen, wie viele Hunde, Katzen und Pferde vor mir einen Kreuz­bandriß hatten.« Sie hielt kurz inne. »Harry, tut mir Leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe mit der Frage, wann Ihre Ehe in die Brüche ging.«

»Komm, ich trag dir deine Tasche.« Harry hob die beängstigend große Tasche auf und warf sie sich über die Schulter. »In Crozet wissen alle alles über jeden - oder sie glauben es zu wissen. Er hat sich rumgetrieben und ich hatte es satt. Und mit einem Tierarzt ver­heiratet sein, ist wie mit einem Arzt verheiratet sein. Man kann sich eigentlich nie was vornehmen. Immer kommt ein Notfall dazwi­schen, und manchmal gibt es Tage, an denen man sich kaum sieht. Und ich hab zu jung geheiratet.«

Beide sahen gebannt hin, als Boom Boom Craycroft die Tür zur Turnhalle aufstieß. »Wenn man vom Teufel spricht.«

»Hi, Mädels.« Die üppige, gut aussehende Frau winkte ihnen zu.

»Was machst du denn hier?«, fragte Harry, da Boom Boom auf der Highschool immer die Turnstunden geschwänzt hatte. Ihre einzige körperliche Betätigung, abgesehen vom Nächstliegenden, war Gol­fen.

»Ich hab eure Autos draußen gesehen und dachte, ich verpasse viel­leicht was.«

»Hast du auch. Wir haben sie aus dem Feld geschlagen und uns dann darüber unterhalten, ob wir zu Mord fähig sind«, sagte Harry mit Leichenbittermiene.

»Ach. Ja, und außerdem bin ich vorbeigekommen, weil ich Sheriff Shaw in Market Shifletts Laden gesehen habe. Coop, er weiß, daß Sie was vorhaben, aber könnten Sie heute Abend arbeiten? Bobby Yount hat Grippe, und der Sheriff meint, daß heute Nacht viel los sein wird. Sie möchten ihn bitte in seinem Wagen anrufen.«

»Verdammt. Na gut. Danke, Boom.« Cynthia wandte sich an Harry und Isabelle. »Da geht sie hin, meine Verabredung mit Fair.« Sie wußte, daß dies Boom Booms rasende Neugierde anstacheln würde.

Mit weit aufgerissenen Augen rückte Boom Boom dicht an Coop heran in der Hoffnung, sie unauffällig von den zwei anderen Frauen fortzuziehen und Pikantes zu erfahren über das, was ganz nach einer Romanze oder zumindest einer ernsthaften Verabredung aussah.

Harry hintertrieb dies, indem sie sagte: »Mensch Boom, vielleicht solltest du einspringen.«

»Gott, kannst du fies sein. Richtig fies.« Boom Boom machte auf dem Absatz eines teuren, in Aspen gekauften Winterstiefels kehrt und stürmte hinaus.

Isabelle klappte bei den Mätzchen der Erwachsenen die Kinnlade runter.

»Schmetterball.« Coop klopfte Harry auf den Rücken.

4

Ein Wetterwechsel, wie er in den Bergen so häufig ist, bescherte an den folgenden Tagen Temperaturen um die dreizehn Grad. Das Ge­räusch von strömendem, tropfendem und platschendem Wasser drang den Menschen in die Ohren; Rinnsale liefen über Staatsstra­ßen, schmale Bäche kreuzten die niedrig gelegenen Weiden und er­gossen sich in kleine Flüsse; Ströme und Flüsse waren angestiegen und stiegen weiter.

Die Schluchten hielten den Schnee in ihren Spalten auf der Nord­seite fest, große Flächen mit frischem Schnee ohne Spuren, weil Tiere die tiefen Verwehungen mieden. Türkisblaue Eiszapfen hingen kaskadenartig über den Felsnasen auf der Nordseite.

Da sie in Kürze einen neuerlichen arktischen Luftstrom befürchte­ten, schrubbten und füllten die Farmer Wassertröge, breiteten die Vorstadtgärtner noch eine Schicht Mulch über die Frühlingsblumen­zwiebeln, wuschen die Autohändler ihre Bestände.

Harry, eine Frühaufsteherin, erledigte rasch ihre Farmarbeit, saß auf einem Pferd und trieb die anderen beiden, indem sie mal hinter, mal neben ihnen ritt, kletterte dann die Leiter hoch, um die Dachrin­nen von Stall und Haus zu reinigen.

Mrs. Murphy jagte auf dem Heuboden Mäuse, sorgsam darauf be­dacht, Simon, das schlafende Opossum, die schlummernde Kletter­natter oder die in der Kuppel dösende riesige Eule nicht zu stören. Die Beute war mager, weil die Eule sich alles schnappte, weswegen Simon Körner aus der Sattelkammer fraß. Allerdings konnte weder Murphy noch die Eule die Mäuse ausrotten, die in den Mauern zwi­schen der Sattelkammer und den Boxen lebten. Die Mäuse saßen in ihrem gemütlichen Heim und sangen, nur um die Katze zu quälen.

Pewter, die sich nicht gern die Pfoten naß machte, räkelte sich, auf dem Rücken liegend, auf dem Sofa im Haus. Tucker blieb Harry, die sie als ihre Menschenmutter betrachtete auf den Fersen, was bedeute­te, daß sie sich den Bauch schmutzig gemacht hatte, weil auch sie sich bemüßigt fühlte, Großes zu leisten. Sie las die kleinen herunter­gefallenen Zweige und Äste auf und brachte sie in den Geräteschup­pen. So klein die Corgihündin auch war, sie konnte das Vierfache ihres Gewichtes schleppen.

Sie packte das dicke Ende eines Astes, stemmte die Hinterbeine fest in den Boden, zerrte das schwere Ding ein bißchen hoch und legte dann den Rückwärtsgang ein. Ihre mühevolle Arbeit brachte Harry jedes Mal zum Lachen.

Gegen elf an diesem Samstag war Harry bereit, in die Stadt zu fah­ren. Die Fuchsjagd war abgesagt worden, weil die Gespanne und Wohnwagen im Schlamm stecken bleiben würden. Das Parken war an regnerischen oder matschigen Tagen immer ein Problem.