Выбрать главу

Ich konnte nur mit Mühe atmen, und da meine Nase teilweise zugedeckt war, verbrauchte schon die kleinste Anstrengung das bisschen Sauerstoff, das überhaupt bis in meine Lungen gelangte. Sich still zu verhalten war das Gebot der Stunde.

Derjenige meiner fünf Sinne, der als Einziger Überstunden zu machen schien, war mein Geruchssinn. Trotz der dicken Jacke drang mir der Geruch der Grube ungehindert in die Nase. Vorherrschend war der säuerliche Geruch von Erde, die jahrelang unter einer menschlichen Behausung liegt, das bittere Aroma von Dingen, über die man lieber nicht nachdenkt. Dazu kamen ein süßlicher Hauch von ranzigem Motoröl, der bei

Und eine Spur Ammoniak, die mir schon zuvor im Magazin aufgefallen war. Miss Mountjoy hatte etwas von Ratten gesagt, und ehrlich gesagt hätte mich deren Anwesenheit in diesen verlassenen Gebäuden am Fluss nicht sonderlich erstaunt.

Am beunruhigendsten war dieser Geruch von Faulschlammgas, ein unappetitliches Gemisch aus Methan, Schwefelwasserstoff und Stickstoffoxid, ein Mief nach Verwesung und Verfall, der Gestank eines offenen Abflussrohrs, das vom Flussufer unmittelbar in die Grube führte, in der ich gefangensaß.

Bei der Vorstellung, was womöglich in eben diesem Augenblick zu mir hereingespült wurde, überlief es mich eiskalt.

Ich gönne meiner Fantasie lieber eine Pause, dachte ich, und setze die Erkundung der Grube fort.

Beinahe hätte ich vergessen, dass ich saß. Pembertons Befehl, mich hinzusetzen, dem er so unsanft Nachdruck verliehen hatte, war vorhin so überraschend gekommen, dass mir nicht aufgefallen war, worauf ich überhaupt saß. Jetzt spürte ich es unter mir. Es war flach und hart. Als ich hin und her rutschte, gab es ein wenig nach, außerdem knarrte es. Eine große Teekiste, dachte ich, oder etwas ganz Ähnliches. Hatte Pemberton die Kiste in weiser Voraussicht hier aufgestellt, ehe er mich auf dem Friedhof angesprochen hatte?

Im selben Augenblick merkte ich, dass ich einen Bärenhunger hatte. Seit meinem dürftigen Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen, und selbst dabei war ich von Pembertons plötzlichem Auftauchen am Fenster gestört worden. Während sich mein Magen nachhaltig beschwerte, bereute ich es, meinen Toast und meine Frühstücksflocken nicht besser gewürdigt zu haben.

Außerdem war ich müde. Müde war gar kein Ausdruck -

Jetzt mal ganz ruhig, Flave. Behalte einen kühlen Kopf. Pemberton ist bestimmt bald wieder da.

Ich hatte damit gerechnet, dass ihn, nachdem er das Haus betreten hatte, um den Rächer an sich zu bringen, Dogger aufhalten und ihm dann ohne viel Federlesen das Handwerk legen würde.

Guter alter Dogger! Er fehlte mir schrecklich, dieser Große Unbekannte, der mit mir unter einem Dach wohnte und den ich noch nie offen nach seiner Vergangenheit gefragt hatte. Sollte ich je wieder aus dieser teuflischen Klemme herauskommen, das schwor ich mir, würde ich bei der nächstbesten Gelegenheit mit ihm ein Zweierpicknick veranstalten. Ich würde mit ihm zur künstlichen Ruine hinüberrudern, ihn mit Marmite-Broten füttern und gnadenlos ausquetschen, sämtliche bluttriefenden Einzelheiten inbegriffen. Garantiert wäre er so froh darüber, dass ich gesund und munter war, dass er mir keinen Wunsch abschlagen konnte.

Die treue Seele hatte behauptet, Horace Bonepenny umgebracht zu haben, wenn auch nur versehentlich, bei einem seiner Anfälle. Damit hatte er sich in erster Linie vor Vater stellen wollen, da war ich ganz sicher. Schließlich hatten wir beide nachts vor Vaters Arbeitszimmer gestanden. Schließlich hatten wir beide den Streit belauscht, der Bonepennys Tod vorausgegangen war.

Ja, was auch geschah, Dogger würde sich der Sache annehmen. Dogger war meinem Vater bedingungslos ergeben - und mir auch. Er war treu bis in den Tod.

Also … Dogger würde Pemberton am Schlafittchen packen, und damit wäre die Sache erledigt.

Oder nicht?

Wenn sich Pemberton nun unentdeckt Zutritt zum Haus

Das war doch sonnenklar. Er würde in die Garage zurückkehren und mich foltern.

Daraus folgte zwangsläufig: Ich musste rechtzeitig fliehen - also sofort!

Als ich aufstand, knackten meine Knie wie morsche Äste.

Zuallererst musste ich die Grube erkunden. Ich musste mir klarmachen, wie groß sie war und ob sich darin irgendetwas befand, das mir zur Flucht verhelfen konnte. Mit auf den Rücken gefesselten Händen konnte ich die Betonwand nur ausmessen, indem ich langsam einmal rundherum ging und den Rücken dagegendrückte, um mit den Fingerkuppen jeden Zentimeter abzutasten. Vielleicht entdeckte ich ja einen scharfkantigen Vorsprung, an dem ich die Fesseln durchscheuern konnte.

Meine Füße waren so fest zusammengebunden, dass die Knöchel gegeneinanderrieben. Ich musste hüpfen wie ein Frosch, um überhaupt von der Stelle zu kommen. Bei jedem Hüpfer raschelten die alten Zeitungen unter meinen Füßen.

Dort, wo ich das andere Ende der Grube vermutete, umströmte kalte Luft meine Fußknöchel, als gäbe es in Bodennähe eine Öffnung in der Grubenwand. Ich drehte mich zur Wand und versuchte, irgendwo einen Zeh einzuhaken, aber die Fesseln waren zu eng. Jedes Mal, wenn ich mich nach vorne beugte, drohte ich aufs Gesicht zu fallen.

Obendrein spürte ich, dass meine Hände inzwischen mit der ranzigen Schmiere bedeckt waren, die an den Wänden klebte. Von dem Gestank wurde mir ganz flau im Magen.

Und wenn es mir gelang, auf die Teekiste zu klettern? Dann müsste mein Kopf doch über den Rand der Grube reichen, und vielleicht gab es ja irgendwo oben an der Wand einen Haken,

Allerdings musste ich dafür erst einmal wieder zu meiner Kiste zurückfinden.

Gefesselt, wie ich war, dauerte das länger als gedacht. Aber irgendwann musste ich ja gegen die Kiste stoßen, spätestens dann, wenn ich einmal rundherum gehüpft war.

Nach weiteren zehn Minuten hechelte ich wie ein russischer Windhund und war immer noch nicht gegen die Kiste gelaufen. Hatte ich sie verpasst? Sollte ich weiterhopsen oder kehrtmachen?

Vielleicht stand die Kiste ja auch in der Mitte, und ich war im Karree darum herumgehüpft. Bei meinem ersten Besuch in der Garage war die Grube zwar mit Brettern abgedeckt gewesen und ich hatte nicht hineinschauen können, trotzdem schätzte ich sie auf höchstens zweieinhalb Meter mal eins achtzig.

Mit zusammengeschnürten Knöcheln konnte ich in jede Richtung nicht weiter als fünfzehn Zentimeter auf einmal hüpfen, sagen wir zwölf mal sechzehn Hüpfer. Demnach war die Mitte der Grube, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stand, entweder sechs oder acht Hüpfer weit weg.

Die Erschöpfung drohte mich zu übermannen. Ich sprang wie ein Grashüpfer im Marmeladenglas auf und ab und kam doch nicht voran. Und dann, als ich schon aufgeben wollte, schlug ich mir das Schienbein an der Teekiste an. Ich setzte mich sofort hin, um wieder zu Atem zu kommen.

Als ich mich ein wenig erholt hatte, ließ ich die Schultern kreisen, erst nach hinten, dann nach rechts. Als ich es mit links versuchte, streifte ich die Wand. Das munterte mich gehörig auf! Meine Kiste stand an der Wand oder jedenfalls dicht davor. Wenn es mir gelang hinaufzuklettern, würde es mir vielleicht auch gelingen, mich abzustoßen und über den Rand emporzuschnellen wie ein Seelöwe im Aquarium. Hatte ich die Grube erst einmal verlassen, war die Wahrscheinlichkeit erheblich

Ganz behutsam drehte ich mich um neunzig Grad, sodass ich mit dem Rücken zur Wand stand. Ich schob meinen Allerwertesten an die hintere Kante der Kiste, und es gelang mir, vorne die Fersen darauf zu stellen. Dann langsam … vorsichtig … fing ich an, die Beine durchzustrecken und Zentimeter für Zentimeter an der Wand heraufzurutschen.