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Feelys Unterkiefer klappte ungefähr einen Meter herunter, und ich befürchtete schon, dass sie mir gleich ins Gesicht schlagen würde. Ihr ganzes Gesicht wurde so rot wie ihre Lippen, aber dann machte sie plötzlich auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Dunkelheit der Garage.

Ich wandte mich wieder an Dogger, um meine schon bald als Klassiker weitererzählten Worte an ihn zu richten, aber er war schneller als ich.

»Meine liebe Miss Flavia«, sagte er leise, »es sieht ganz so aus, als sollte es doch noch ein ganz reizender Abend werden, findest du nicht?« 

27

Inspektor Hewitt stand in meinem Labor, drehte sich langsam um die eigene Achse und ließ dabei den Blick wie den Strahl aus einem Leuchtturm über die wissenschaftlichen Geräte, die Vitrinen und Schränkchen mit ihren Chemikalien schweifen. Als er einen kompletten Kreis beschrieben hatte, hielt er inne, dann vollführte er die gleiche Bewegung noch einmal in die andere Richtung.

»Außerordentlich!«, sagte er und zog das Wort dabei in die Länge. »Ganz außerordentlich!«

Ein Strahl angenehm warmen Sonnenlichts fiel durch die hohen Flügelfenster herein und ließ ein Becherglas mit einer roten Flüssigkeit aufleuchten, die kurz vor dem Kochen war. Ich dekantierte die Hälfte der Substanz in eine Porzellantasse und reichte sie dem Inspektor. Er betrachtete sie misstrauisch.

»Es ist Tee«, sagte ich. »Assam von Fortnum und Mason. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass er aufgewärmt ist.«

»Bei uns auf dem Revier gibt’s nur Aufgewärmten«, sagte er. »Ich gebe mich mit nichts anderem mehr zufrieden.«

Vorsichtig nippend, schritt er langsam durch den Raum und sah sich die chemischen Apparaturen mit professionellem Interesse an. Er nahm ein oder zwei Gefäße aus dem Regal und hielt sie gegen das Licht, dann bückte er sich und schaute durch das Okular meines Leitz. Ich merkte deutlich, dass er Schwierigkeiten hatte, auf den Punkt zu kommen.

»Wunderschönes Porzellan«, sagte er schließlich und hob

»Ziemlich frühes Spode«, sagte ich. »Albert Einstein und George Bernard Shaw haben schon aus genau dieser Tasse getrunken, als sie meinen Großonkel Tarquin besuchten. Natürlich nicht beide gleichzeitig.«

»Da fragt man sich doch, was die beiden voneinander gehalten hätten«, sagte Inspektor Hewitt und warf mir einen kurzen Blick zu.

»Allerdings.« Ich erwiderte seinen Blick.

Der Inspektor nahm noch einen kleinen Schluck Tee. Er wirkte irgendwie ruhelos, als wollte er noch etwas loswerden, fände aber nicht den richtigen Einstieg.

»Das war ein kniffliger Fall«, sagte er. »Sehr bizarr. Der Mann, dessen Leiche du gefunden hast, war ein völlig Fremder. Jedenfalls sah es so aus. Wir wussten lediglich, dass er aus Norwegen kam.«

»Die Schnepfe«, sagte ich.

»Wie bitte?«

»Die tote Schnepfe vor unserer Küchentür. Zwergschnepfen gibt es in England erst im Herbst. Sie musste von Norwegen hierhergebracht worden sein. In einer Pastete. So sind Sie draufgekommen, stimmt’s?«

Der Inspektor sah mich verwirrt an.

»Nein«, sagte er dann. »Bonepenny trug ein Paar neuer Schuhe mit dem Firmenzeichen eines Schuhmachers aus Stavanger.«

»Ach«, sagte ich.

»Von dort aus konnten wir seine Spur ziemlich leicht verfolgen.«

Während er sprach, malte Inspektor Hewitts Hand eine Landkarte in die Luft.

»Durch unsere Ermittlungen sowohl hier als auch im Ausland wussten wir, dass er mit dem Schiff von Stavanger nach

Aha! Genau so, wie ich vermutet hatte.

»Genau«, sagte ich. »Und Pemberton - oder sollte ich besser sagen: Bob Stanley? - ist ihm gefolgt, aber nur bis Doddingsley. Dort hat er sich im Fröhlichen Kutscher ein Zimmer genommen.«

Eine Augenbraue des Inspektors schnellte nach oben wie eine aufgeschreckte Kobra.

»Oha«, sagte er. »Woher weißt du das denn?«

»Ich habe im Fröhlichen Kutscher angerufen und mit Mr Cleaver gesprochen.«

»Ist das alles?«

»Sie haben das beide gemeinsam ausgeheckt, genau wie den Mord an Mr Twining.«

»Stanley streitet das ab«, sagte er. »Er behauptet, nichts damit zu tun zu haben. Unschuldig wie ein Lamm und so weiter.«

»Aber er hat mir in der Garage gesagt, dass er Bonepenny umgebracht hat! Außerdem hat er mehr oder weniger zugegeben, dass meine Theorie stimmt: Mr Twinings Selbstmord war nur Augenwischerei, eine Illusion.«

»Na, das werden wir ja sehen. Wir sind da dran, aber es wird noch eine Weile dauern, obwohl ich sagen muss, dass dein Vater uns sehr dabei geholfen hat. Er hat uns jetzt die ganze Geschichte erzählt, wie es zum Tod des armen Twining kam. Ich wünschte nur, er hätte sich früher zu einer Kooperation mit uns entschlossen. Damit hätten wir uns einiges …« Er hielt inne. Dann fügte er hinzu: »Tut mir leid, ich habe nur spekuliert.«

»Meine Entführung«, sagte ich.

Ich musste den Inspektor bewundern, wie schnell er das Thema wechseln konnte.

»Zurück zur Gegenwart«, sagte er. »Mal sehen, ob ich das

»Sie sind schon immer Komplizen gewesen. Bonepenny hat Briefmarken gestohlen und Stanley hat sie im Ausland an skrupellose Sammler verkauft. Aber irgendwie haben sie es nie geschafft, die beiden Rächer von Ulster zu verkaufen. Die waren einfach zu bekannt. Und da die letzte sogar dem König gestohlen worden war, wäre es für einen Sammler viel zu riskant gewesen, sie in seiner Sammlung zu haben.«

»Interessant«, sagte der Inspektor. »Und weiter?«

»Sie hatten vor, Vater zu erpressen, aber zwischenzeitlich müssen sie irgendwie über Kreuz gekommen sein. Bonepenny kam aus Stavanger, um die Erpressung durchzuführen, und irgendwann ist Stanley klar geworden, dass er ihm folgen und ihn auf Buckshaw ermorden, die Briefmarken an sich nehmen und das Land wieder verlassen konnte. Ganz einfach. Und alle hätten Vater für den Schuldigen gehalten. Wie es ja auch gekommen ist«, fügte ich hinzu und schaute den Inspektor vorwurfsvoll an.

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.

»Hör mal, Flavia«, sagte er schließlich, »mir ist ja nicht viel anderes übrig geblieben, oder? Es gab keine anderen brauchbaren Verdächtigen.«

»Und ich?«, fragte ich. »Ich war schließlich am Tatort.«

Ich zeigte mit einer Handbewegung auf die Flaschen mit den Chemikalien an den Wänden.

»Außerdem kenne ich mich mit Giften aus. Man könnte mich durchaus als sehr gefährliche Person einstufen.«

»Hmm«, machte der Inspektor. »Ein interessantes Argument. Und du bist tatsächlich zum Todeszeitpunkt an der besagten Stelle gewesen. Wenn nicht alles so gelaufen wäre, wie es gelaufen ist, könnte jetzt ebenso gut dein Hals in der Schlinge stecken.«

Daran hatte ich nicht gedacht. Ich bekam eine Gänsehaut.

Der Inspektor redete weiter.

»Dagegen spricht jedoch deine Körpergröße, der Mangel eines echten Motivs und die Tatsache, dass du dich nicht gerade rar gemacht hast. Normalerweise macht ein Mörder einen weiten Bogen um die Polizei, wohingegen du … na ja, da kommt einem am ehesten das Wörtchen ›allgegenwärtig‹ in den Sinn. Was sagst du dazu?«

»Stanley hat Bonepenny in unserem Garten aufgelauert. Bonepenny war Diabetiker und …«

»Ah«, sagte der Inspektor fast murmelnd. »Insulin! Wir haben nicht daran gedacht, das zu überprüfen.«

»Nein«, sagte ich, »nicht Insulin: Tetrachlorkohlenstoff. Bonepenny ist daran gestorben, dass man ihm Tetrachlorkohlenstoff in den Hirnstamm injiziert hat. Stanley hat eine Flasche von dem Zeug aus der Apotheke in Doddingsley mitgebracht. Ich habe das Etikett von Johns, dem Apotheker, auf der Flasche gesehen, als Stanley in der Grube die Spritze damit gefüllt hat. Wahrscheinlich haben Sie sie längst unter dem ganzen Müll dort gefunden.«