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Warren, der sich längst an das schwankende Urteil seines Vaters über seine Fähigkeiten und sein Verhalten gewöhnt hatte, sagte ge­dehnt: »Nun ja, Papa, für die Leiche war es ganz sicher eine schlech­te Nachricht.«

Ansley hörte Warrens Porsche 911 aus der Garage donnern. Sie wuß­te, daß Big Daddy im Stall war. Sie griff zum Telefon und wählte.

»Lucinda«, sagte sie empört, »hast du die Zeitung gelesen?«

»Ja. Diesmal geht der Queen von Crozet der Arsch auf Grundeis«, sagte Lucinda bissig.

»Ganz so schlimm ist es nicht, Lulu.«

»Gut ist es aber auch nicht.«

»Ich werde nie begreifen, warum es so wichtig ist, mit T. J. bluts­verwandt zu sein, und wenn's noch so weitläufig ist«, sagte Ansley, obwohl sie es nur zu gut verstand.

Lucinda zog fest an ihrem Stumpen. »Was haben unsere Männer denn sonst vorzuweisen? Ich glaube, Warren ist nicht annähernd so auf Abstammung versessen wie mein Samson. Der verdient schließ­lich Geld damit. Sieh dir doch bloß seine Immobilienanzeigen in der New York Times an. Er bringt seine Verwandtschaft mit Jefferson ins Spiel, wo er nur kann. Lassen Sie sich Jeffersons Ländereien von seinem Nachkommen in der zigsten Linie zeigen.« Sie nahm einen weiteren Zug. »Na ja, irgendwie muß er ja Geld verdienen. Samson ist nicht gerade der intelligenteste Mann, den Gott geschaffen hat.«

»Aber er sieht verdammt gut aus«, sagte Ansley. »Du hattest bei Männern schon immer den besten Geschmack, Lulu.«

»Danke - aber im Moment hab ich nichts davon. Ich bin Golf­Witwe.«

»Sei doch froh, Schätzchen. Ich wollte, ich könnte Warren dazu bewegen, sich auch mal für was anderes zu interessieren als für seine sogenannte Praxis. Big Daddy hält ihn mit der Lektüre von Immobi­lienkaufverträgen, Prozeßakten, Konsortialdarlehen beschäftigt - ich würde zuviel kriegen.«

»Anwälte haben Hochkonjunktur«, sagte Lulu. »Die Wirtschaft ist den Bach runter, alle schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe, und es hagelt Prozesse. Schade, daß wir diese Energie nicht für eine Zusammenarbeit verwenden.«

»Ach, weißt du, Schätzchen, im Augenblick tobt hier doch wirklich ein Sturm im Wasserglas. Alle alten Klatschweiber und vertrottelten Wissenschaftler in Mittelvirginia machen riesigen Wind um ihre Ansichten.«

»Mim wollte, daß ihr Projekt Beachtung findet.« Lucinda hielt mit ihrem Sarkasmus nicht hinter dem Berg. Jahrelang hatte sie sich von Mim sagen lassen, was sie zu tun hatte; jetzt hatte sie's endgültig satt.

»Jetzt hat sie sie.« Ansley ging zum Spülbecken und ließ Wasser einlaufen. »Welche Zeitungen hast du heute morgen gelesen?«

»Unser Lokalblatt und die Richmonder.«

»Lulu, schreibt die Richmonder Zeitung etwas über die Todesursa­che?«

»Nein.«

»Oder wer der Mann ist? DerCourier hält sich hinsichtlich ir­gendwelcher Fakten ziemlich bedeckt.«

»Die Richmonder auch. Vermutlich wissen sie gar nichts, aber ich denke, wir kriegen die Hintergründe genauso schnell raus wie sie. Weißt du, ich hätte große Lust, Mim anzurufen und dem Biest mal gehörig eins auszuwischen.« Lucinda drückte ihren Stumpen aus.

»Das kannst du nicht machen.« Ansleys Stimme klang nervös.

Es blieb lange still. »Ich weiß - aber eines Tages tu ich's viel­leicht.«

»Da möchte ich dabeisein. Ich würde einiges darum geben, zu se­hen, wie du mit der Queen abrechnest.«

»Da sie mit unseren beiden Männern geschäftlich viel zu tun hat, kann ich bloß davon träumen - genau wie du.« Lucinda sagte Ansley auf Wiedersehen, legte auf und dachte einen Moment über ihre ver­trackte Situation nach.

Mim Sanburne hielt die Zügel des Gesellschaftslebens von Crozet fest in der Hand. Sie beglich alte Rechnungen, vergaß nie eine Krän­kung, aber dafür vergaß sie auch nie einen Gefallen. Mim konnte ihren Reichtum als Druckmittel, als Lockmittel oder auch als krö­nende Belohnung für beigelegte Differenzen verwenden - sofern sie in ihrem Sinne beigelegt wurden. Mim hatte nichts dagegen, Geld auszugeben. Sie hatte aber etwas dagegen, ihren Willen nicht zu bekommen.

11

Das Grau des anbrechenden Tages löste sich in ein Rosa auf, das sodann der Sonne wich. Nachdem die Pferde gefüttert und hinausge­lassen, der Stall ausgemistet und das Opossum mit Frischfutter und Sirup verköstigt waren, eilte Harry frohgemut ins Haus, um sich ihr Frühstück zu machen. Harry trank morgens erst einmal eine Tasse Kaffee, schob das gußeiserne Plätteisen ihrer Großmutter von der Hintertür weg - ihre Sicherheitsmaßnahme -, joggte zum Stall und erledigte die morgendlichen Pflichten. Danach gönnte sie sich ge­wöhnlich warme Hafergrütze oder Spiegeleier, manchmal sogar lockere Pfannkuchen, getränkt mit Lyon's Golden Syrup aus England.

Simon, das Opossum, ein schlaues, neugieriges Kerlchen, wagte sich zuweilen nahe ans Haus heran, aber hineinlocken konnte Harry ihn nicht. Sie war erstaunt, daß Mrs. Murphy und Tucker das graue Geschöpf duldeten. Mrs. Murphy legte eine außergewöhnliche Tole­ranz gegenüber anderen Tieren an den Tag. Bei Tucker dauerte es meistens ein bißchen länger.

»Na schön, ihr zwei. Ihr habt schon gefrühstückt, aber wenn ihr ganz brav seid, brate ich euch vielleicht ein Ei.«

»Ich bin brav, ich bin brav.« Tucker wackelte mit dem Hinterteil, weil sie keinen Schwanz hatte.

»Wenn du nicht immer so aufdringlich wärst, hättest du mehr Wür­de.« Mrs. Murphy sprang auf einen Küchenstuhl.

»Ich will keine Würde, ich will Eier.«

Harry holte die alte mittelgroße Eisenpfanne hervor. Sie rieb sie nach jedem Spülen mit Speiseöl ein, damit sie nicht rostete. Sie gab ein Stück Butter in die Mitte der Pfanne, die sie auf kleine Flamme setzte. Sie schlug vier Eier in eine Rührschüssel, würzte mit etwas Käse, ein paar Oliven, gab noch ein paar Kapern hinzu. Als die Pfanne die richtige Hitze hatte und die Butter zu brutzeln begann, goß sie die Eiermasse hinein. Sie ließ sie fest werden, klappte sie zusammen, stellte die Flamme ab und ließ die Eier fix auf einen gro­ßen Teller gleiten. Dann teilte sie das Futter.

Tucker fraß aus ihrem Keramiknapf, den Harry auf den Boden stellte.

Mrs. Murphys Schüssel, die mit der Aufschrift>Kampf den Fettpol­stern verziert war, stand auf dem Tisch. Die Katze aß mit Harry.

Mrs. Murphy leckte sich die Lippen.»Schmeckt köstlich.«

»Ja.« Tucker konnte kaum sprechen, so schnell fraß sie.

Die Tigerkatze hatte eine Schwäche für Oliven. Harry mußte im­mer lachen, weil sie sie stets zuerst herauspickte.

»Du bist einmalig, Mrs. Murphy.«

»Ich will mein Essen eben genießen«, erwiderte die Katze.

»Hast du noch mehr?« Tucker setzte sich neben ihren leeren Napf, den Hals gereckt für den Fall, daß ein Krümel vom Tisch fiel.

»Du bist genauso schlimm wie Pewter.«

»Vielen Dank.«

»Ihr zwei seid aber gesprächig heute morgen.« Harry trank gutge­launt ihre zweite Tasse Kaffee, während sie den Tieren laut ihre Ge­danken mitteilte. »Schätze, mein Besuch in Monticello hat mich nachdenklich gestimmt. Was würden wir tun, wenn jetzt das Jahr 1803 wäre? Um dieselbe Zeit aufstehen und die Pferde füttern, das wäre wohl nicht anders. Ställe ausmisten, das hat sich auch nicht geändert. Aber jemand hätte in einer offenen Feuerstelle Feuer schü­ren müssen. Eine alleinlebende Person hätte es viel schwerer gehabt als heute. Wie konnte sie ihre täglichen Pflichten erfüllen, sich etwas kochen, schlachten - ich nehme allerdings an, daß man sein Fleisch hätte kaufen können, aber nur für jeweils einen Tag, es sei denn, man hatte eine Räucherkammer oder das Fleisch wurde gepökelt. Stellt euch das bloß mal vor. Und keine Wurmmittel für euch und keine Tollwutimpfung, und für mich hätte es auch keine Impfungen gege­ben. Die Kleidung muß im Winter kratzig und schwer gewesen sein. Im Sommer wäre es nicht so schlimm gewesen, weil die Frauen Lei­nenkleider trugen. Die Männer konnten ihre Hemden ausziehen. Was ich übrigens ungerecht finde. Wenn ich mein Hemd nicht ausziehen kann, sehe ich nicht ein, wieso sie das dürfen.« So sprach sie zu ihren zwei Freundinnen, die an jedem Wort und an jedem Bissen Ei hin­gen, den Harry sich in den Mund schob. »Ihr zwei hört mir gar nicht richtig zu, oder?«