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Sterne glitzerten am Himmel, die Milchstraße wölbte sich über den Gebäuden, wie sie es vor Jahrhunderten auch schon getan hatte. Kimball war sich darüber im klaren, daß dieser Mord etwas mit Thomas Jeffersons Privatleben zu tun haben konnte oder auch nicht, daß er aber bestimmt etwas zu tun hatte mit einer leidenschaftlichen Beziehung zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau.

Das Sklavenverzeichnis wollte er morgen durchgehen. Heute nacht war er zu müde.

21

In der lutherischen Kirche von Crozet drängten sich die Menschen, die gekommen waren, um Wesley Randolph die letzte Ehre zu er­weisen. Die Angehörigen des Verstorbenen, Warren, Ansley, Stuart und Breton, saßen in der ersten Reihe. Kimball Haynes, seine Assi­stentin Heike Holtz, Oliver Zeve und seine Frau sowie das übrige Personal von Monticello hatten sich eingefunden, um einem Mann Lebewohl zu sagen, der ihre Sache in mehr als fünfzig von seinen dreiundsiebzig Lebensjahren unterstützt hatte.

Marilyn und Jim Sanburne saßen in der zweiten Reihe auf der rech­ten Seite, zusammen mit ihrer Tochter Marilyn Sanburne Hamilton, die in verführerisches Schwarz gekleidet und dank ihrer kürzlich vollzogenen Scheidung wieder zu haben war. Big Mim wollte sich in naher Zukunft um das Zustandekommen einer passenderen Verbin­dung bemühen.

Ganz Crozet mußte anwesend gewesen sein, dazu kamen auswärti­ge Geschäftspartner von Wesley sowie Freunde aus dem gesamten Süden.

Reverend Herbert Jones, dessen tiefe Stimme die Kirche erfüllte, las aus der Bibel.

Die melancholische, eindrucksvolle Begräbnisfeier wäre allein schon deswegen in Erinnerung geblieben, weil sie würdigte, was Wesley alles für die Gemeinde getan hatte. Diese Totenfeier jedoch prägte sich den Leuten aus einem ganz anderen Grund ein.

Mitten in Reverend Jones' glühender Absage an den Tod - »Denn wer da glaubet, der wird auferstehen in Christus« - flüsterte Lucinda Coles so laut, daß man es ringsum hören konnte: »Du jämmerlicher Mistkerl.« Mit hochrotem Gesicht schob sie sich aus der Bank und entfernte sich durch den Mittelgang. Der Kirchendiener hielt ihr die Tür auf. Samson, der wie angewurzelt auf seinem Platz saß, wandte nicht einmal den Kopf, um den Abgang seiner aufgebrachten Ehe­hälfte zu verfolgen.

Als die Menschen nacheinander die Kirche verließen, hielt Mim Samson im Vorraum auf. »Um Himmels willen, was war denn da los?«

Samson zuckte die Achseln. »Sie hatte Wesley gern, ich denke, sie ist vor lauter Bewegung durchgedreht.«

»Wenn sie Wesley gern gehabt hätte, hätte sie seine Begräbnisfeier nicht gestört. So blöd bin ich nicht, Samson. Was hast du ihr ange­tan?« Mim vertrat den Standpunkt, daß Männer Frauen öfter unrecht taten als Frauen Männern. In diesem speziellen Fall hatte sie recht.

Samson zischte: »Mim, das geht dich nichts an.« Er stolzierte da­von, und das, obwohl er genau wußte, daß sie ihn nie wieder einem Kunden empfehlen würde. In diesem Moment war es ihm egal. Er war zu durcheinander, um sich deswegen zu grämen.

Harry, Susan und Ned hatten ebenso wie alle anderen diesen Wort­wechsel beobachtet.

»Du wirst heute abend einen Anruf erhalten.« Susan drückte den Arm ihres Mannes. »Das hast du davon, daß du so ein guter Schei­dungsanwalt bist.«

Ned schüttelte den Kopf. »Das Komische daran ist, ich hasse Scheidungen.«

»Tun wir das nicht alle?« pflichtete Harry ihm bei, als Fair, die Ur­sache ihrer einstigen Unzufriedenheit, zu ihnen trat.

»Verdammt«, sagte er.

»Fair, du warst noch nie ein Mann, der viele Worte macht.« Ned nickte zur Begrüßung.

»Meine Patienten reden nicht«, erwiderte Fair. »Wißt ihr was, da muß was faul sein. So was sieht Lulu gar nicht ähnlich. Sie weiß, was sich für ihren Stand gehört.«

»Das wird von jetzt an ein sehr viel ärmerer Stand sein«, bemerkte Susan sarkastisch.

»Mim wird sich an Samson rächen. Schlimm genug, daß er ihr ge­sagt hat, sie soll sich verpissen, aber er hat es auch noch vor Publi­kum gesagt. Er wird auf dem Bauch über heiße Kohlen kriechen müssen - in aller Öffentlichkeit -, um für seine Sünde zu büßen.« Ned wußte, wie Mim vorging. Sie setzte ihr Geld und ihren Grund­besitz als Machtmittel ein, wenn sie das Gefühl hatte, daß ein Griff ins Portemonnaie genügte. Wenn ihre Zielscheibe eine Frau war, zog sie es meistens vor, sie gesellschaftlich aufs Abstellgleis zu schieben. Aber der Mensch ist nun einmal trotz allem ein Tier, und strenge Lektionen werden schneller kapiert als milde. Wäre Mim ein Mann gewesen, so hätte man sie als ausgekochten Fuchs bezeichnet, aber auch als guten Geschäftsmann gelobt. Da sie eine Frau war, dürfte Zicke der treffende Ausdruck gewesen sein. Das war zwar unfair, aber so war das Leben. Andererseits, wenn Mim ein Mann gewesen wäre, hätte sie den Menschen vielleicht nicht ganz so viele Lektionen erteilen müssen. Sie hätten sie von vornherein gefürchtet.

Larry Johnson, der Hausarzt der Randolphs, stieg in seinen Wagen, um der Beerdigungsprozession zur Familiengruft zu folgen.

»Wie ich höre, wollte Warren den Totenschein partout von nie­mand anderem ausstellen lassen als von Larry«, bemerkte Fair. »Hab ich drüben in Sharkey Loomis' Stall gehört.«

»Das muß eine traurige Aufgabe für Larry gewesen sein. Sie waren seit Jahren befreundet.« Harry fragte sich, wie einem zumute sein mochte, wenn man jemanden verlor, den man fünfzig, sechzig Jahre gekannt hatte.

»Kommt, sonst sind wir die letzten.« Susan scheuchte sie zu ihren Autos.

22

Strömender Regen unterstützte Kimball Haynes. Das Prasseln der Tropfen an die Fensterscheibe förderte seine Konzentration. Es war lange nach Mitternacht, und immer noch saß er über den Registern von Geburten und Sterbefällen zwischen 1800 und 1812.

Er hatte für seine Nachforschungen das Netz weit ausgeworfen und es dann langsam zu sich herangezogen. Medley Orion, geboren um 1785, wurde in den Berichten als eine schöne Frau bezeichnet. Ihr ungewöhnlicher Teint war zweimal erwähnt; ihre Gesichtszüge muß­ten entzückend gewesen sein. Weiße haben das Aussehen von Schwarzen selten wahrgenommen, es sei denn, um sich über sie lu­stig zu machen. Aber in einer frühen Aufzeichnung von der Hand einer Dame, höchstwahrscheinlich von Martha, Jeffersons ältester Tochter, waren diese Merkmale festgehalten.

Als Martha geheiratet hatte, war Medley fünf oder sechs Jahre alt gewesen. Sie mußte sie als Kind und als junges Mädchen gesehen haben. Eigentlich hatte Martha sehr ordentlich Buch geführt, aber diese Notiz befand sich auf der Rückseite von einem Zettel, auf dem in einer winzigen Handschrift verschiedene Traubensorten aufgelistet waren.

Ein Blitz brannte sich in den Nachthimmel. Im Hof ein Knistern, dann ein Knall. Stromausfall.

Kimball hatte keine Taschenlampe. Er hatte seine Daunenweste an, denn es war kalt im Zimmer. Er tastete nach einer Schachtel Streich­hölzer, zündete eins an. Kerzen hatte er keine ins Zimmer gestellt, warum auch? Er arbeitete selten bis spät in die Nacht in Monticello.

Der Regen hämmerte gegen die Fenster und trommelte aufs Dach, ein gewaltiges Frühjahrsgewitter. Selbst im Zeitalter des Telefons und der Krankenwagen war dies eine gräßliche Nacht, um krank zu werden, ein Kind zu gebären oder im Freien zu Pferde überrascht zu werden.

Das Streichholz verlosch. Kimball wollte nicht noch eins anzünden. Er hätte sich die kaum mehr als einen halben Meter breite Stiege hinuntertasten können zum Erdgeschoß, das für das Publikum zu­gänglich war. Da unten gab es Bienenwachskerzen. Aber er be­schloß, aus dem Fenster zu sehen. Ein Wasserschwall und hin und wieder Bäume, die sich im Wind bogen - mehr konnte er nicht er­kennen.

Das Haus knarzte und ächzte. Den Tag sieht man, die Nacht hört man. Kimball hörte das Quietschen der Türangeln in dem leichten Luftstrom, den der kalte Wind von draußen heraufwehte. Die Fenster hier oben waren nicht ganz dicht, deswegen drang ein Windstoß herein. Die Fenster klapperten, als wollten sie gegen den strömenden Regen protestieren. Der Wind wirbelte laut durch die Rauchfänge. Gelegentlich fiel ein Regentropfen in den Kamin hinunter und lenkte die Gedanken auf Feuer vor über zweihundert Jahren. Bodendielen knarrten.