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Arglos schlug Kimball das Buch auf. Das strahlend weiße Papier mit den senkrechten blauen Linien bildete einen scharfen Gegensatz zu den vergilbten Papieren, die er zuvor gelesen hatte. Er blinzelte. Er las ein bißchen, erbleichte dann, klappte das Buch zu und gab es Lulu zurück. War er auch kein buchhalterisches Genie, so wußte er doch genug über doppelte Buchführung, um zu erkennen, daß Sam­son Coles den Treuhandfonds seiner Klienten Geld entnahm. Ein Börsen- oder Immobilienmakler darf nie, niemals Geld von einem Treuhandkonto umbuchen, auch dann nicht, wenn er es binnen einer Stunde zurückzahlt. Die Entdeckung eines solchen Mißbrauchs führt zum sofortigen Entzug der Zulassung, und kein Vorstand einer Im­mobilienfirma würde anders verfahren, und wenn der Schuldner der Präsident der Vereinigten Staaten wäre.

»Kimball, was haben Sie?«

Er stammelte: »Ähem, nichts.«

»Sie sind bleich wie ein Gespenst.«

»Ich hab zu viele Scones mit Marmelade gegessen.« Er lächelte matt und legte die Papiere zusammen. Da hupte Samson und kam mit seinem leuchtendroten Wagoneer die Auffahrt hochgefahren. »Lulu, stellen Sie das Buch weg, bevor er hereinkommt.«

»Kimball, was ist mit Ihnen?«

»Stellen Sie das Buch zurück!« Sein Ton war schärfer, als er beab­sichtigt hatte.

Lulu, die sich nicht gern herumkommandieren ließ, tat das genaue Gegenteil. Sie schlug das Geschäftsbuch auf und las langsam und sorgfältig die Einträge. Da sie nicht viel von Buchführung oder dem Begriff Treuhand verstand, obwohl sie mit einem Grundstücksmakler verheiratet war, wußte sie nichts Rechtes damit anzufangen. Wie dem auch sei, Samson, das Ebenbild eines Landgrafen, kam soeben in die Bibliothek geschritten.

»Kimball, meine Frau hat Sie mit Scones verführt. Hallo, Liebes.« Er küßte Lulu flüchtig auf die Wange. Sein Blick wurde eisig, als er das Buch sah.

»Wenn Sie mich entschuldigen wollen, ich muß gehen«, sagte Kimball. »Vielen Dank, daß Sie mir das Material zur Verfügung gestellt haben.« Kimball verzog sich.

Samson, der hochrot angelaufen war, versuchte, seinen Schrecken zu verbergen. Reagieren wäre weitaus schlimmer gewesen als igno­rieren. Deshalb nahm er Lulu lediglich das Buch aus der Hand und stellte es in den Schrank zurück. »Lulu, ich wußte gar nicht, daß meine Bücher als Archiv fungieren.«

Unbekümmert bemerkte sie: »Tun sie gar nicht, aber ich habe das Haushaltsbuch deiner x-ten Urgroßmutter von 1693 gelesen, und ich habe es verstanden. Darauf habe ich zu Kimball gesagt, er soll sich mal ansehen, wie das Buchführungsgen im Laufe der Jahrhunderte degeneriert ist.«

»Amüsant«, stieß Samson zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. »Die Methoden haben sich geändert.«

»Allerdings.«

»Hat Kimball was gesagt?«

Lucinda zögerte mit der Antwort. »Nein, eigentlich nicht, aber da­nach wollte er plötzlich gehen. Samson, stimmt etwas nicht?« »Nein, aber ich finde, meine Bücher gehen nur mich etwas an.«

Lulu war gereizt, sah aber ein, daß er recht hatte. »Tut mir leid. Ich habe es neulich zufällig gesehen, und ich muß ja immer sagen, was mir gerade in den Sinn kommt. Der Unterschied zwischen den zwei Kontobüchern ist mir eben aufgefallen. Es geht zwar niemanden was an, aber es war - komisch.«

Samson ging hinaus, und sie räumte Scones und Teegeschirr zu­sammen. Er zog sich in die Küche zurück und goß sich einen kräfti­gen Schluck Dalwhinnie Scotch ein. Was sollte er jetzt tun?

34

Mrs. Murphy quetschte ihren Hintern entschlossen in Mim Sanbur­nes Postfach. Die Wand mit den Schließfächern war horizontal in eine obere und eine untere Hälfte geteilt, und zwar durch ein zwanzig Zentimeter breites Sims aus Eichenholz. Das erwies sich als prak­tisch, wenn Harry Poststapel beiseite legen oder ihre Feinsortierung vornehmen mußte, wie sie es nannte.

Als Kätzchen hatte Mrs. Murphy immer in einem großen Kognak­schwenker geschlafen. Für Kognak hatte sie nie eine Vorliebe ent­wickelt, wohl aber für ausgefallene Formen. Zum Beispiel konnte sie keiner neuen Kleenexschachtel widerstehen. Früher hatte sie die Tücher herauskrallen und sich in der Schachtel verstecken können. Das hatte bei Harry immer wieder grölendes Gelächter hervorgeru­fen. Als Mrs. Murphy heranwuchs, entdeckte sie, daß immer weniger von ihr in die Schachtel paßte. Am Ende konnte sie nur noch das Hinterbein hineinstecken. Zum Teufel mit den Kleenextüchern.

Gewöhnlich begnügte sich die Katze mit dem leinenen Postkarren. Wenn Harry oder (was selten vorkam) Mrs. Hogendobber sie herum­schob, war sie im siebten Katzenhimmel. Aber heute hatte sie Lust, sich in etwas Kleines zu zwängen. Vielleicht hing das mit den be­drohlich tief treibenden grauen Wolken zusammen. Oder damit, daß Market Shiflett mit Pewter und drei Rippenknochen für die Tiere herübergekommen war. Pewter hatte in Markets Laden einen uner­freulichen Aufstand verursacht. Sie war in Ellie Wood Baxters Ein­kaufswagen gesprungen und hatte ihre gewaltigen Krallen in einen delikaten Schweinebraten versenkt.

Harry mochte Pewter gern, deshalb hatte sie nichts dagegen, sie tagsüber bei sich zu haben. Die zwei Katzen und Tucker hatten bis zur Erschöpfung an ihren Knochen genagt. Jetzt schliefen alle tief und fest. Auch Harry und Mrs. H. hätten sich gern hingelegt.

Harry sortierte gerade einen gewaltigen Packen Kataloge. Plötzlich hielt sie inne: »Sehen Sie sich das an!«

»Sieht aus wie ein silberner Vorhang. George und ich sind gern im Regen spazierengegangen. Man hat es ihm nicht angesehen, aber George Hogendobber hatte eine romantische Ader. Er wußte, wie man eine Dame behandelt.«

»Er hat sich aber auch eine erstklassige Dame ausgesucht.«

»Das haben Sie nett gesagt.« Mrs. Hogendobber bemerkte Mrs. Murphy, die den Vorderkörper auf dem Sims und das Hinterteil in Mims Postfach geklemmt hatte. Sie zeigte auf sie.

Harry lächelte. »Sie ist unmöglich. Vermutlich träumt sie von wei­ßen Mäusen oder rosa Elefanten. Ich liebe diese Katze! Wo ist ei­gentlich die Missetäterin?« Sie bückte sich und sah die schlafende Pewter unter dem Schalter; ihre rechte Pfote lag schlapp über den Resten des Rippenknochens. Das Fleisch war sauber abgenagt. »Jun­ge, Junge, ich wette, Ellie Wood hat einen Tobsuchtsanfall gekriegt.«

»Market war auch nicht gerade erbaut. Vielleicht sollten Sie ihn für eine Weile von Pewter erlösen und sie heute abend mit nach Hause nehmen. Ein bißchen Bewegung im Freien kann ihr nur guttun.«

»Gute Idee. Mir fallen eh gleich die Augen zu, ich bin genauso schlapp wie die Mädels.«

»Das macht der niedrige Luftdruck. Bald kommen noch die Pollen dazu. Ich habe einen Horror vor den zwei Wochen, wenn meine Au­gen rot sind, meine Nase trieft und mein Kopf hämmert.«

»Lassen Sie sich doch von Larry Johnson eine Allergiespritze ge­ben.«

»Der einzige, der von so einer Allergiespritze etwas hat, ist Larry Johnson«, murrte sie. »Er wird bald hier sein, um uns für ein Mit­tagspäuschen abzulösen. Er arbeitet jetzt wieder voll. Wissen Sie noch? In der Zeit, als er sich gerade zur Ruhe gesetzt hatte, kam er öfter, damit wir uns Zeit zum Mittagessen nehmen konnten. Das hat ungefähr sechs Monate gedauert. Dann hat er angefangen, montags, mittwochs und freitags vormittags in seiner Praxis zu arbeiten, und jetzt arbeitet er wieder voll.«

»Finden Sie, daß die Menschen sich zur Ruhe setzen sollen?«

»Absolut nicht. Ich meine, nur, wenn sie wollen. Ich bin davon überzeugt, jawohl, felsenfest davon überzeugt, Mary Minor, daß der Ruhestand meinen George umgebracht hat. Hobbys zu pflegen ist nicht dasselbe, wie für Menschen verantwortlich zu sein, im Auge des Sturms zu sitzen, wie er zu sagen pflegte. Er hat seine Arbeit geliebt.«