Выбрать главу

Zunächst hatte sich Oliver Zeve gegen eine Gedenkfeier in Monti­cello gesträubt. Seiner Meinung nach hatte das Heiligtum schon ge­nug negative Schlagzeilen gemacht. Er hatte seine Meinung dem Vorstand vorgetragen, dessen Mitglieder reichlich Gelegenheit ge­habt hatten, Kimball kennen und mögen zu lernen. Der Mann war einfach liebenswert gewesen. Der Vorstand hatte ohne große Diskus­sion gestattet, die Feier nach der Schließung für den Publikumsver­kehr abzuhalten. Es war angemessen, daß man Kimballs dort gedach­te, wo er am glücklichsten gewesen war und dem besseren Verständ­nis eines der größten Männer gedient hatte, die je aus dieser oder irgendeiner Nation hervorgegangen waren.

Reverend Jones, hinter dem der Montalto hoch aufragte, räusperte sich. Mim und Jim Sanburne saßen mit Warren und Ansley Ran­dolph in der ersten Reihe, da die zwei Ehepaare die Finanzierung der Feier übernommen hatten. Mrs. Hogendobber, in wallendem Gold­gewand und mit granatrotem Satinbesatz in den Ärmeln und um den Ausschnitt, stand mit dem Chor derKirche vom Heiligen Licht< neben dem Reverend. Reverend Jones, der selbst der evangelisch­lutherischen Kirche angehörte, verstand es, die verschiedenen Chri­stengemeinden in Crozet zusammenzuführen.

Harry, Susan und Ned Tucker, Fair Haristeen und Heike Holtz sa­ßen mit Leah und Nick Nichols, mit denen Kimball befreundet ge­wesen war, in der zweiten Reihe. Lucinda Coles hatte sich, nachdem sie lange mit sich gerungen hatte, zu ihnen gesetzt. In einem ausführ­lichen, qualvollen Telefongespräch hatte Mim Lulu gesagt, daß nie­mand sie für Kimballs Tod verantwortlich mache und ihre Anwesen­heit den Verstorbenen ehren würde.

Angehörige der historischen und der architektonischen Fakultät der Universität von Virginia waren anwesend, ebenso das gesamte Personal von Monticello einschließlich der hervorragenden Kräfte, die für die öffentlichen Führungen verantwortlich waren.

Reverend Jones schlug seine abgegriffene Bibel auf und las mit seiner volltönenden, hypnotischen Stimme den 27. Psalm:

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten! Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen! So die Bösen, meine Widersacher und Feinde, an mich wollen, mein Fleisch zu fressen, müssen sie anlaufen und fallen. Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn. Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne; daß ich im Hause des Herrn bleiben möge mein Leben lang

Die Feier wurde fortgesetzt, und der Reverend sprach von Leid, das ohne Not zugefügt, von verheißungsvollem Leben, das vorzeitig beendet wurde, von dem Bösen, das die Menschen sich gegenseitig antaten, und von der Macht des Glaubens. Reverend Jones erinnerte daran, daß ein Leben, nämlich das von Kimball Haynes, viele andere berührt hatte und daß Kimball bestrebt gewesen war, zu helfen, mit jenen Leben in Berührung zu kommen, die vor vielen Jahren gelebt wurden. Als der gute Mann mit seiner Rede fertig war, hatten alle Tränen in den Augen.

Als die Leute nacheinander gingen, nahm Fair behutsam Lulus Arm, denn sie war äußerst verstört. Immerhin war es, abgesehen davon, daß sie Kimball gemocht hatte und sich für seinen Tod ver­antwortlich fühlte, ihr Ehemann, der des Mordes an Kimball bezich­tigt wurde. Und Samson hatte mit Sicherheit ein Motiv gehabt. Kim­ball hätte ihn wegen seiner Veruntreuung verpfeifen können. Was noch schlimmer war, Samson hatte hinausposaunt, daß er Lulu um­bringen würde.

Ansley stakste voraus. Ihre hohen Absätze bohrten sich wie Spikes ins Gras. Lucinda zog Fair mit sich und zischte Ansley zu: »Ich dachte, du wärst meine beste Freundin.«

»Bin ich auch«, behauptete Ansley steif und fest.

Warren beobachtete es mit hochroten Wangen, als rechnete er je­den Moment mit dem nächsten Zusammenstoß.

Lucinda hob die Stimme: »Das ist ja eine ganz neue Definition: Deine beste Freundin ist die, die mit deinem Mann schläft.«

Ansley biß die Zähne zusammen. »Nicht hier«, bat sie.

»Warum nicht? Früher oder später werden es sowieso alle erfahren. Crozet ist die einzige Stadt, wo der Schall schneller ist als das Licht.«

Bevor ein regelrechter Schreikampf ausbrechen konnte, glitt Harry an Lucindas rechte Seite. Susan trat ebenfalls dazwischen.

»Lulu, du willst wohl im Ruinieren von Totenfeiern Karriere ma­chen«, schalt Harry.

Das genügte.

56

Dr. Larry Johnson, seine schwarze Gladstone-Arzttasche in der Hand, trat mit federnden Schritten ins Postamt. Tucker flitzte zu ihm, um ihn zu begrüßen. Mrs. Murphy, die auf dem Schalter gemütlich auf der Seite lag und dabei langsam den Schwanz hin und her schnippen ließ, hob den Kopf, dann legte sie ihn wieder hin.

»Ich glaube, ich weiß, wer das Opfer von Monticello ist.«

Mrs. Murphy setzte sich gespannt auf. Harry und Miranda eilten um den Schalter herum nach vorn.

Larry zog seine selbstgebundene Fliege gerade, bevor er das Wort an sein kleines, aber aufmerksames Publikum richtete. »Meine Da­men, ich muß mich entschuldigen, weil ich es Ihnen nicht als erste gesagt habe, aber diese Ehre gebührte Sheriff Shaw, und Sie werden natürlich verstehen, daß ich als nächstes Mim Sanburne verständigen mußte. Sie wiederum hat Warren und Ansley und die übrigen Haupt­geldgeber angerufen. Ich habe auch mit Oliver Zeve telefoniert, aber sobald die offiziellen Anrufe getätigt waren, bin ich sofort hierher geeilt.«

»Wir können's nicht erwarten. Erzählen Sie!« Harry klatschte in die Hände.

»Wie jeder gute Mediziner hat Thomas Walker Aufzeichnungen über seine Patienten gemacht. Ich habe einfach vorn angefangen und gelesen. Im Jahre 1778 hat er das Bein eines fünfjährigen Kindes geschient, Braxton Fleming, achtes Kind von Rebecca und Isaiah Fleming, die am Rivanna River ein großes Stück Land besaßen. Der Junge hat sich das Bein bei einem Ringkampf mit seinem älteren Bruder in einem Baum gebrochen.« Er lachte. »Kinder machen die verrücktesten Sachen, nicht? In einem Baum! Also, Dr. Walker hat notiert, es sei ein komplizierter Bruch gewesen, und er bezweifelte, daß sein Patient wieder vollkommene Gehtüchtigkeit erlangen wür­de, wie er sich ausdrückte. Er hat gewissenhaft notiert, daß es sich um einen linken Oberschenkelbruch handelte. Er hat außerdem ver­merkt, der Junge sei das hübscheste Kind, das er je gesehen habe. Das hat meine Neugierde geweckt, und ich habe mich an die Histori­sche Gesellschaft von Albemarle County gewandt. Die Leute da sind einzigartig - sie arbeiten unentgeltlich. Ich bat sie, ihr Quellenmaterial nach Informationen über Braxton Fleming durchzukämmen. Es scheint, er ist den Weg gegangen, der für einen jungen Burschen aus guter Familie damals typisch war. Er erhielt in Richmond Privatun­terricht, aber anstatt anschließend das William and Mary College zu besuchen, schrieb er sich im New Jersey College ein, genau wie Aa­ron Burr und James Madison. Wir kennen es heute als Princeton. Die Flemings waren intelligent. Alle überlebenden Söhne haben ihr Stu­dium abgeschlossen und einen Beruf ergriffen. Braxton indes war der einzige Sohn, der nördlich der Mason-Dixon-Grenze studierte. Er blieb nach dem Examen eine Zeitlang in Philadelphia und hatte of­fensichtlich ein gewisses Talent zum Malen. Damals war es genauso schwer wie heute, von Kunst zu leben, deswegen kehrte Braxton schließlich nach Hause zurück. Er versuchte sich in der Landwirt­schaft und konnte sich damit über Wasser halten, aber er war nicht mit dem Herzen dabei. Er heiratete eine gute Partie, war aber nicht glücklich und fing an zu trinken. Er soll der stattlichste Mann in Mit­tel Virginia gewesen sein.«