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»Das nenn ich eine Geschichte!« rief Mrs. Hogendobber aus.

Larry hob die Hände, als wollte er Beifall abwehren. »Aber wir wissen nicht, warum er ermordet wurde. Wir wissen nur, wie, und wir haben einen starken Verdacht.«

»Dr. Johnson, weiß man, was ihm zugestoßen ist? Ist irgendwo er­wähnt, daß er nicht nach Hause gekommen ist oder so was?«

»Ja.« Er bog den Kopf zurück und blickte an die Decke. »Seine Frau hat erklärt, er habe sich mit einer Gallone Whisky auf den Weg nach Kentucky begeben, um sein Glück zu machen. Im Mai 1803. Seitdem hat man nie wieder von Braxton Fleming gehört.«

Harry stieß einen Pfiff aus. »Das ist unser Mann.«

Larry kraulte Mrs. Murphy unterm Kinn. Sie vergalt es ihm mit gewaltigem Schnurren. »Stell dir vor, neulich hat mir Fair von Re­troviren bei Katzen und Pferden erzählt. Er erwähnte auch eine In­fektion der Atemwege bei Katzen, die von der Mutter auf das Kind übertragen werden und unter Umständen erst nach zehn Jahren zum Ausbruch kommen kann. Auch Katzenleukämie ist auf dem Vor­marsch. Na, Mrs. Murphy, du siehst mir ganz gesund aus, und das freut mich. Es war mir gar nicht klar, daß ein Katzenleben so gefähr­det ist.«

»Danke schön«, erwiderte die Katze.

»Larry, Sie müssen uns Bescheid sagen, wenn Sie noch mehr he­rausfinden. Sie sind ein prima Detektiv.« Ein Lob von Mrs. Hogen­dobber war wirklich ein großes Lob.

»Ach was, die meiste Arbeit haben die Leute von der Historischen Gesellschaft geleistet.«

Er nahm seine Post, warf den beiden eine Kußhand zu und machte sich auf, begierig, sich wieder Jim Craigs Tagebüchern zu widmen.

57

Wie Flüsse durchziehen Krankheiten die Geschichte. Was wäre ge­schehen, wenn Perikles im fünften Jahrhundert v. Chr. in Athen die Pest überlebt hätte oder wenn die Europäer fast zweitausend Jahre später entdeckt hätten, daß die Beulenpest von Rattenflöhen übertra­gen wurde?

Mrs. Murphys Ahnen haben das mittelalterliche Europa gerettet, um dann in einem späteren Jahrhundert als Hexenkomplizinnen ver­dammt, gejagt und getötet zu werden.

Und was wäre Rußlands Schicksal gewesen, wenn der Thronerbe Alexej nicht mit Hämophilie geboren worden wäre, der Bluterkrank­heit, die er von den Nachkommen der Königin Viktoria geerbt hatte?

Man ist sich der Gnade der eigenen Gesundheit nie bewußt, bis sie einem entzogen wird.

Die medizinische Forschung hat seit der ersten Autopsie - zum Beweis, daß es so etwas wie einen Kreislauf gibt - in der Diagnostik Fortschritte gemacht. Die verschiedenen Krebsarten werden nicht mehr unter dem Begriff Auszehrung in einen Topf geworfen, son­dern als Darmkrebs, Leukämie, Hautkrebs und so weiter kategori­siert.

Der große Durchbruch kam 1796, als Sir Edward Jenner die erste Pockenimpfung durchführte.

Danach verbesserten sich allgemein die Hygienebedingungen, mit der Präventivmedizin ging es aufwärts, und viele Menschen wurden nun achtzig oder noch älter. Doch einige Krankheiten haben den Bemühungen der Menschen getrotzt: Krebs ist das krasseste Bei­spiel.

Während Larry Nacht für Nacht die Diagnosen und Prognosen sei­nes verstorbenen Partners las, fühlte er sich wieder wie ein junger Mann.

Mit Vergnügen las er Dr. Craigs knappe Notiz»der junge Spund macht sich verdammt gut«, und er war ganz aufgeregt, als er sich noch einmal in die Fälle des Jahres 1940 vertiefte, die er selbst gese­hen hatte.

Er erinnerte sich lebhaft an die Autopsie, die sie an Z. Calvin Co­les, Samsons Großvater, vorgenommen hatten. Die Leber des alten Herrn war stark vergrößert und so brüchig wie Pergamentpapier ge­wesen.

Als Larry Alkoholismus als Todesursache in den Totenschein ein­tragen wollte, hatte Jim seine Hand zurückgehalten.

»Larry, schreiben Sie Herzversagen.«

»Aber daran ist er nicht gestorben.«

»Letztendlich sterben wir alle, weil unser Herz zu schlagen aufhört. Wenn Sie Alkoholismus schreiben, brechen Sie auch noch seiner Frau und seinen Kindern das Herz.«

Von seinem Mentor hatte Larry den diplomatischen Umgang mit heiklen Problemen wie etwa Geschlechtskrankheiten gelernt. Sowohl Dr. Craig als auch Dr. Johnson hatten sie immer vorschriftsgemäß dem Gesundheitsministerium gemeldet. Die Betroffenen selbst muß­ten frühere Partner von ihrer Infektion in Kenntnis setzen. Viele Menschen brachten das nicht über sich, deshalb hatte Dr. Craig diese Aufgabe übernommen. Larrys Spezialität war es, den Opfern eine Heidenangst einzujagen, in der Hoffnung, daß sie sich besserten.

Von Dr. Craig hatte Larry gelernt, wie man einem Patienten bei­brachte, daß er sterben mußte, eine Pflicht, die ihn zerriß. Aber Dr. Craig hatte immer gesagt, »Larry, ein Mensch stirbt, wie er lebt. Sie müssen mit jedem in seiner eigenen Sprache sprechen.« Im Laufe der Jahre hatte er immer wieder gestaunt, welche Courage und Würde scheinbar gewöhnliche Menschen bewiesen, wenn sie dem Tod ins Auge sahen.

Dr. Craig hatte nie danach gestrebt, etwas anderes zu sein als das was er war, ein Kleinstadtarzt. Er glich einem Pfarrer, der seine Schäfchen liebt und nicht den Ehrgeiz hat, Bischof oder Kardinal zu werden.

Als Larry weiter las, erfuhr er zu seiner Überraschung von einem Schwangerschaftsabbruch bei einer jungen Studentin am Sweet Briar College, Marilyn Urquhart. Dr. Craig hatte geschrieben: »Bei dem labilen seelischen Zustand der Patientin fürchte ich, daß ein uneheli­ches Kind dieser jungen Frau schweren seelischen Schaden zufügen würde.«

Dies waren Dinge, die Dr. Craig sogar vor seinem jungen Partner geheimgehalten hatte. Es entsprach dem Charakter des alten Herrn, eine Dame unter allen Umständen zu schützen.

Die Uhr zeigte Viertel vor drei morgens. Larrys Kopf sackte immer wieder nach vorn. Er hielt mit Gewalt die Augen offen, um noch ein bißchen weiter zu lesen. Plötzlich riß er sie ganz weit auf.

3. März 1948.

Heute war Wesley Randolph mit seinem Vater hier. Colonel Ran­dolph leidet anscheinend an der üblichen Familienkrankheit: Er haßt Injektionsnadeln. Sein Sohn auch, aber der alte Herr hat Wesley so lange zugesetzt, bis er sich sein Blut abnehmen ließ. Ich hege die starke Vermutung, daß der Colonel Leukämie hat. Ich habe das Blut zur Analyse an die Universität von Virginia ge­schickt und darum ersucht, das gerade erst in Betrieb genommene Elektronenmikroskop zu verwenden.

5. März 1948.

Harvey Fenton bat mich, ihn im Krankenhaus der Universität von Virginia aufzusuchen. Als ich hinkam, erkundigte er sich nach meinem Verhältnis zu Colonel Randolph und seinem Sohn. Ich antwortete, es sei ein herzliches Verhältnis. Dr. Fenton sagte nichts auf meine Erwiderung. Er deutete nur auf das Elektronenmikroskop. Die Blutprobe darunter wies eine Un­menge weiße Blutkörperchen auf.

»Leukämie«, sagte ich. »Colonel Randolph oder Wesley?« »Nein«, entgegnete Fenton. Er schob eine andere Probe unter das Mikroskop. »Sehen Sie hier.«

Ich sah eine eigenartige Zellenform. »Diese Zellendeformation habe ich noch nie gesehen«, sagte ich.

»Es ist Sichelzellenanämie. Den roten Blutkörperchen fehlt das normale Hämoglobin. Statt dessen enthalten sie Hämoglobin S, und die Zellen werden deformiert - sie sehen aus wie Sicheln. Aufgrund dieser Form können die Blutkörperchen mit Hämoglo­bin S nicht fließen wie normale Zellen, und sie verstopfen Kapil­lar- und andere Blutgefäße. Diese>Verkehrsstaus< sind für die Betroffenen äußerst schmerzhaft.

Aber es gibt auch einen weniger ernsten Verlauf, bei dem die ro­ten Blutkörperchen zur einen Hälfte normales Hämoglobin und zur anderen Hämoglobin S enthalten. So ein Patient trägt zwar die Anlagen zur Sichelzellenanämie in sich, aber die Krankheit kommt nicht zum Ausbruch.

Wenn er jemanden heiratet, der dieselben Anlagen hat, besteht für die gemeinsamen Kinder eine Wahrscheinlichkeit von fünfund­zwanzig Prozent, daß sie die Krankheit erben. Das ist ein sehr ho­hes Risiko.