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»Sie wird ihnen ein gutes Rennen liefern.« Warren grinste, wäh­rend ihm gleichzeitig die Tränen über die Wangen liefen.

»Tja.« Harry war ebenfalls zum Heulen zumute.

Warren rieb sich die Augen, dann drehte er sich um, um das neuge­borene Fohlen zu bewundern.

»Boß, der Kleine ist was Besonderes.« Warrens Gestütsmeister hoffte, dieses Fohlen würde dem Mann, den er schätzen gelernt hatte, Glück bringen.

»Ja.« Warren stützte die Stirn auf die Hände, die er gegen die unte­re Hälfte der zweiteiligen Tür der Abfohlbox gestemmt hatte, und schluchzte.

»Woher habt ihr es gewußt?«

Harry sagte mit erstickter Stimme: »Wir wußten es gar nicht - nicht richtig.«

»Es gab da ein Mißverständnis«, miaute Mrs. Murphy.

»Du warst in Verdacht.« Fair hustete. Es war ihm ungeheuer pein­lich, dies zuzugeben.

»Warum?« Warren war verblüfft. Er machte kehrt und ging aus der Tür am Ende des Ganges. Er blieb stehen und blickte über die Felder.

»Also, hm«, stammelte Harry, dann brachte sie es heraus: »Dein Daddy und, na ja, ihr Randolphs habt alle so großen Wert gelegt auf Blut. Stammbaum, du weißt schon, so daß ich dachte, wegen - ich kann hier nur für mich sprechen -, ich dachte, du würdest vollkom­men fertig sein, du würdest einfach durchdrehen wegen des afroame­rikanischen Blutes. Ich meine, falls die Leute davon erfahren wür­den.«

»Hast du es immer gewußt?« Fair trat zu ihnen nach draußen und reichte Warren sein Taschentuch.

»Nein. Erst seit letztem Jahr. Bevor sein Krebs vorübergehend ab­klang, hatte Poppa Angst, er würde sterben, und da hat er es mir ge­sagt. Er bestand darauf, daß Ansley es nicht erfahren sollte - er hat es Mutter nie erzählt. Den Fehler will ich bei meinen Jungs nicht machen. Diese ganze Heimlichtuerei frißt einen bei lebendigem Lei­be.«

Die Sirenen nahmen wieder Kurs auf Eagle's Rest.

»Verdammt. Wir bringen uns besser in Sicherheit - für alle Fälle«, bemerkte Tucker weise.

»Komm schon, Mom. Laß uns verduften.« Da für zarte Andeutun­gen keine Zeit war, senkte Mrs. Murphy ihre Krallen in Harrys Bein, dann rannte sie weg.

»Murphy, du verdammtes Miststück!« fluchte Harry.

»Lauf!« bellte Tucker.

Zu spät, der heulende Porsche übertönte die Besorgnis der Tiere.

»Ach du heiliger Strohsack!« Harry erblickte den Porsche, der di­rekt auf sie zusteuerte.

Warren versuchte, seine Frau durch Winken aufzuhalten, aber Fair, der viel stärker war, hob Warren hoch und schleuderte ihn nach hin­ten, so daß sie ihn nicht sehen konnte. Ansley riß das Steuer herum, wobei sie fast eine Ecke des Stalls mitnahm, und bog in einen Feld­weg ein. Sekunden später folgten Rick und Cooper in ihren Strei­fenwagen, daß der Kies nur so spritzte. In der Ferne waren weitere Sirenen zu hören.

»Kann sie auf dem Weg entkommen?« fragte Harry, als sie um die Tür spähte.

»Wenn sie die enge Kurve kriegt und auf der Traktorstraße um den See fährt, ja.« Warren zitterte.

Harry starrte auf den Staub. »Warren, Warren«, schrie sie gegen den Lärm an. »Wie hat sie es herausbekommen?«

»Sie hat die Tagebücher gelesen, als Kimball sie durch hatte. Sie hat den Tresor aufgeschlossen, bloß um mir eins auszuwischen, und ihm die Papiere gegeben, und dann hat sie sich hingesetzt und sie selbst gelesen.«

»Hattest du sie nicht versteckt?«

»Ich habe sie im Tresor verwahrt, aber Ansley hat sich nie sehr für den Familienstammbaum interessiert. Ich dachte, daß sie die Papiere nie lesen würde, und ich konnte ja nicht ahnen, daß.«

Er sprach den Satz nicht zu Ende, weil die Verstärkungswagen sei­ne Worte übertönten.

Harry lief zu dem Feldweg.

»Nicht, Mom, vielleicht kommt sie wieder zurück«, warnte die Kat­ze weise.

Die Sirenen verstummten. Katze und Hund, die viel schneller wa­ren als ihre Menschenpartner, sausten den Feldweg entlang und bo­gen um die Ecke.

»Oh...« Tucker brach ab.

Schaudernd sah Mrs. Murphy Ansley in dem Porsche ertrinken, der in den See geschlittert war. Rick Shaw und Cooper hatten ihre kugel­sicheren Westen und ihre Schuhe abgeworfen und waren getaucht, aber es war zu spät. Als die anderen an den See kamen, war von dem teuren Porsche 911 nur noch das Heck zu sehen.

66

Die prachtvolle Bibliothek von Eagle's Rest roch nach verloschenen Kaminfeuern und frischem Tabak. Harry, Mrs. Hogendobber, Mim, Fair, Deputy Cooper und Warren, der gefaßt und in sich gekehrt war, hatten sich am Kamin versammelt.

»Meinen Jungs habe ich es schon vorgelesen. Ich habe ihnen zu er­klären versucht, daß der Wunsch ihrer Mutter, sie vor dieser - Neu­igkeit zu schützen« - er blinzelte heftig -, »ein Fehler war. Die Zei­ten haben sich geändert, aber egal, wie falsch Ansleys Einstellung zu Schwarzen war, egal, wie falsch wir alle dachten und denken, sie hat aus Liebe gehandelt. Es ist wichtig für die Jungs, zu wissen, daß ihre Mutter sie geliebt hat.« Er konnte nicht fortfahren und schob Harry das dunkelblaue Buch hin.

Sie schlug die Seite auf, die mit einem stockfleckigen Bändchen markiert war. Mrs. Murphy und Tucker, die sich zu Harrys Füßen kuschelten, waren so still wie die Menschen.

Warren winkte Harry aufmunternd zu und ging. An der Tür blieb er stehen. »Die Leute reden. Ich weiß, daß es manche freuen wird, die Randolphs gedemütigt zu sehen. Einige werden meine Jungs aus purer Gehässigkeit Nigger nennen. Ich möchte, daß ihr die Wahrheit erfahrt, zumal ihr mit Kimball gearbeitet habt. Und - und ich danke euch für eure Hilfe.« Er legte die Hand über die Augen und ging durch den Flur.

Danach blieb es einen langen, sehr langen Augenblick still. Harry betrachtete die kühne, klare Handschrift mit den Schnörkeln, die aus einer anderen Zeit stammte, einer Zeit, als die Handschrift noch kul­tiviert wurde und der gegenseitigen Mitteilung diente.

Das Tagebuch mit den darin steckenden Briefen hatte Septimia Anne gehört, dem elften Kind von Patsy Jefferson und Thomas Ran­dolph. Septimias Brief an ihre Mutter war entweder verlorengegan­gen oder befand sich im Besitz von jemand anderem, aber Patsys Antwort, 1834 geschrieben, war interessant, weswegen Harry damit begann. In dem Brief erinnerte Patsy an einen entsetzlichen Skandal im Jahre 1739, drei Jahre nachdem sie Thomas Mann Randolph ge­heiratet hatte, im selben Jahr, in dem sie für 2000 Dollar Edgehill erworben hatten. Die Plantage war damals 1500 Morgen groß gewe­sen. Auch Sklaven waren bei dieser langwierigen Transaktion ge­kauft worden.

Thomas Mann Randolphs Schwester Nancy hatte sich auf eine Af­färe mit dem Mann einer anderen Schwester eingelassen, der noch dazu ihr Cousin war. Dieser Dritte im Bunde war Richard Randolph. In Glynlyvar in Cumberland County, wo Nancy zu der Zeit zu Be­such weilte, wurde bei ihr eine Fehlgeburt eingeleitet. Richard ent­fernte das>Beweisstück<. Er wurde wegen Kindsmordes vor Gericht gestellt. Patrick Henry und George Mason haben Richard verteidigt, und er wurde freigesprochen. Das Gesetz hatte gesprochen, und die Leute in allen dreizehn Kolonien redeten darüber. Der Klatsch war zu schön, um wahr zu sein.

Patsy klärte Septimia darüber auf, daß Skandale, Mißgeschicke und Austausch mit Sklavinnen eben in den Stoff, aus dem die Gesell­schaft bestehe, eingewoben seien. »Die Menschen sind nicht besser, als sie sein sollen«, zitierte sie ihre eigene Mutter, an die sie sich lebhaft erinnerte, da sie drei Wochen vor Patsys zehntem Geburtstag gestorben war.