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Sie machte eine Bemerkung über James Madison Randolph, ihr achtes Kind und Septimias um acht Jahre älteren Bruder.

»Je mehr die Dinge sich verändern, um so mehr bleiben sie sich gleich«, sagte Harry laut. Sie überschlug die Seiten, auf denen es vorwiegend um Wetter und Ernte, Überschwemmungen und Trockenheit, Geburt und Tod ging. Als sie zum Tod von Medley Orion kam, saßen alle wie angenagelt auf ihren Stühlen.

Harry las vor:

Liebe Septimia!

Heute, im Jahre des Herrn achtzehnhundertfünfunddreißig, ist meine getreue Dienerin und langjährige Gefährtin Medley Orion aus diesem Leben geschieden. Sie hat ihre Seele frohgemut einer höheren Macht empfohlen, denn sie hatte ihre Erdentage den gu­ten Werken, der Mildtätigkeit und dem Lachen gewidmet. Gottes Gnade hatte sie mit leiblicher Schönheit sondergleichen ausge­stattet, und dies erwies sich als eine weitaus schwerere Bürde, als man sich vorzustellen vermag. Als ich eine hoch aufgeschossene junge Frau war und meinem Vater ähnlich sah, was für eine Tochter nicht unbedingt von Vorteil ist, habe ich Medley gegrollt, erschien es mir doch grausam, daß einer Sklavin solche Schönheit beschieden sein sollte, während mir lediglich ein bißchen Verstand gegeben war.

Sally Hemings und ich haben zusammen gespielt bis zu dem Zeit­punkt, da weiße von schwarzen Kindern getrennt werden und man uns lehrt, daß wir die Herren sind. Dies geschah, kurz nach­dem meine liebste Mutter starb, und mir war, als sei ich zweimal geschieden worden von denen, die ich liebte. Zweifelsohne hegen viele Menschen des Südens dieselben Gefühle für ihre schwarzen Spielgefährten. Da Medley jünger war als Sally und ich, ließ ich es mir angelegen sein, über sie zu wachen, fast so, wie ich über unsere liebe Polly gewacht habe.

Medley blieb in Monticello, als ich mit meinem Vater und Sally nach Frankreich reiste. Sally war ein, zwei Jahre nicht zu gebrau­chen, so geblendet war sie von den Verlockungen der Alten Welt. Was Sally Verlockendes an der Abbaye Royale de Panthemont finden konnte, weiß ich bis heute nicht. Wenn ich des Sonntags meinen Vater im Hotel de Langeac besuchte, gewahrte ich aller­dings, daß die schöne Sally anscheinend sehr rasch lernte, sich die Männer gefügig zu machen.

Nach der Rückkehr in unseren Wälderstaat, in unser freies, maje­stätisches Virginia, erneuerte ich meine Bekanntschaft mit Med­ley. Wenn es jemals eine Venus auf Erden gab, dann war sie es, und so seltsam es klingt, sie zeigte kein Interesse für Männer. Ich habe geheiratet. Medley schien in dieser Hinsicht keusch geblie­ben, bis eines Tages jener Apollo der Neuen Welt, Braxton Fle­ming, der kühnste Reiter, der unverschämteste Lügner, der fleischgewordene hohle Charme und träge Geist, auf der Anhöhe erschien, um meinen Vater in einer Landangelegenheit um Bei­stand zu ersuchen. Der Anblick von Medley, wie sie die Mulberry Road entlangging, brachte ihn um den Verstand, mit welchem Braxton von vornherein recht spärlich ausgestattet war. Er bestürmte Medley, ohne Zweifel ermutigt durch die allzu of­fensichtliche Tatsache, daß Peter Carr Sally zu seiner Geliebten gemacht hatte und Sam Carr sich der Gunst ihrer Schwester Bet­sey erfreute. Und es konnte ihm auch nicht entgangen sein, daß mein Onkel, John Wayles, in vieler Hinsicht ein braver Mann, sich Betty Hemings, Sallys und Betseys Mutter, zur Geliebten ge­nommen hatte. Die Föderalisten beschuldigten meinen Vater, Sul­tan eines Serails zu sein. Dem war beileibe nicht so, aber in der Politik scheint man, von wenigen leuchtenden Ausnahmen abge­sehen, auch vor den grobschlächtigsten Anschuldigungen nicht zurückzuschrecken.

Medley erlag am Ende Braxtons bombastischen Betörungen. Er ließ Goldmünzen in ihre Schürze fallen, als wären es Eicheln. Er kaufte ihr Brokat, Satin und die feinsten Seiden aus China. Ich glaube, er hat sie aufrichtig geliebt, aber es vergingen zwei Jahre, und seine Ehefrau konnte das Geflüster nicht mehr ertragen. Er konnte gut mit Pferden, aber schlecht mit Frauen und Geld umge­hen. Er trank, suchte Händel und züchtigte Medley gelegentlich mit dem Riemen.

Zu dieser Zeit hatte ich mit meinem Mann in Edgehill Wohnung genommen, aber die Dienstboten pendelten zwischen Edgehill und Monticello hin und her, und ich hörte, was geredet wurde. Vater war zu dieser Zeit Präsident. Ihm blieb das meiste Gerede erspart, allerdings fürchte ich, daß sein damaliger Aufseher, Ed­mund Bacon, ein zuverlässiger und fähiger Mann, ihn mögli­cherweise damit befrachtet hat.

Braxton verfiel mit jedem Tag mehr, auf dieselbe Weise, wie wir es später bei dem Ehemann von Anne Cary sehen sollten. Aber wenn ich dereinst vor den Allmächtigen trete, werde ich es in der festen Überzeugung tun, daß Charles Lewis Bankhead in die Ob­hut einer Anstalt für Trunksüchtige gehört hätte. Braxton war aus anderem Holz geschnitzt. Er besaß keine großen Geistesgaben, wie ich bereits bemerkte, aber er war ein gesunder Mann. Die Umstände jedoch und das lastende Gewicht des drohenden finan­ziellen Ruins beraubten ihn seiner Kraft und Entschlossenheit. Als er erfuhr, daß Medley sein Kind unter dem Herzen trug, schien er - dies wurde mir von King berichtet, einem der meistge­liebten Bediensteten Deines Großvaters - zusammenzubrechen. Er soll zu seiner Frau gegangen sein und sie im Beisein der Kin­der verstoßen haben. Er erklärte seine Absicht, sich scheiden zu lassen und Medley zu ehelichen. Seine Frau sagte es ihrem Vater, welcher ein Treffen mit seinem Schwiegersohn herbeiführte, das sehr hitzig verlaufen sein muß. Der unterdessen dem Wahnsinn verfallene Mann kam nach Monticello und eröffnete Medley rundheraus, da sie nicht zusammen leben konnten, müßten sie zu­sammen sterben. Sie sollte sich bereitmachen, reinen Herzens vor den Schöpfer zu treten, denn er werde sie ermorden. Er als der Selbstmörder werde die Schande seiner Tat tragen. »Selbst im Tode werde ich dich beschützen«, sagte er. Trotz der Liebe zu ihm fühlte Medley, daß sie Braxton nicht ret­ten konnte. Jahre später sagte sie einmal zu mir: »Miss Patsy, wir waren wie zwei glänzende Dinger, die in einem großen Spinnen­netz gefangen waren.«

Überdies wollte Medley, daß das ungeborene Kind lebte. Als Braxton ihr den Rücken kehrte, ergriff sie ihr Plätteisen und schlug es ihm mit aller Macht auf den Hinterkopf. Er starb auf der Stelle, und mag es auch niederträchtig sein, jemandem den Tod zu wünschen, so kann ich nur annehmen, daß der Mann nun von seinen Qualen erlöst war.

King, Big Roger und Gideon haben seinen Leichnam unter Med­leys Feuerstelle vergraben. Das war im Mai 1803. Die Frucht dieser Vereinigung ist die Frau, die Du als Elizabeth Gordon Randolph kennst. Dir obliegt der Schutz ihrer Kinder, und Du darfst keinem von ihrer Odyssee erzählen. Nach der Krise kam Medley zu mir, und als das Kind geboren war, habe ich es angenommen, ein Kind, das noch schöner war als seine Mutter und das nicht eine Spur von ihrem afrikanischen Blut aufwies.

Ich glaube, aus einem System, in welchem eine Rasse die andere zu Sklaven macht, kann nichts Gutes hervorgehen. Ich glaube, daß alle Menschen von Natur gleichermaßen frei und unabhängig sind, und ich glaube an die Absicht Gottes, daß wir als Brüder und Schwestern leben, und ich glaube, der Süden wird es auf ent­setzliche, unermeßliche Weise büßen, daß er an der Sünde der Sklaverei festhält. Du weißt, daß meine Gedanken um dieses Thema kreisen, und so wird es Dich nicht überraschen, daß ich Elizabeth als eine entfernte Cousine der Familie Wayles aufgezo­gen habe.

Vater wußte von dieser Täuschung. Als Elizabeth siebzehn wur­de, gab ich ihr fünfundsiebzig Dollar und sicherte ihr einen Platz in der Kutsche nach Philadelphia, wo sie sich zu Sally Hemings' Bruder begab, welcher in jener Stadt seinen Lebensunterhalt bestritt, nachdem Vater ihn freigelassen hatte. Ich hatte nicht ge­wußt, daß James Madison Randolph die Dame mit seinem Herzen und seinem Leben zu beehren wünschte. Er folgte ihr nach Phil­adelphia, und den Rest kennst Du. James, der nie kräftig war, hat­te gewiß gehofft, länger zu leben als die knapp achtundzwanzig Jahre, die ihm beschieden waren, und er hinterließ zwei Kinder und Elizabeth. Ich bin zu alt, um weitere Kinder aufzuziehen, meine Liebe, und ich habe den schweren Schritt des Todes in der Neige meiner Jahre immer öfter vernommen. Ich werde das Ende der Sklaverei nicht mehr erleben, aber ich kann mit dem Wissen sterben, daß ich mich für deren Abschaf­fung eingesetzt und meines Vaters ehrliche Absichten in dieser Hinsicht unterstützt habe.