Für Marjorie Bell Fritz
Ich danke Mr. Xen Vlahakis und Mrs. Jeanne Harris vom sambischen Fremdenverkehrsverein in New York für ihre großzügige Hilfe. Sie stellten mir Informationsmaterial über Sambia zur Verfügung. Dies betrifft nicht die Moses Msonthi Schule, die von mir frei erfunden wurde.
1
Es war gerade erst acht Uhr morgens, als der Telefonanruf aus Algier kam, aber Carstairs saß schon an seinem Schreibtisch im Hauptquartier des CIA in Langley, Virginia. Mit der linken Hand setzte er ein Tonbandgerät in Gang, mit der rechten klingelte er nach seinem Assistenten, während er mit zusammengekniffenen Augen lauschte. An einer Stelle unterbrach er. »Würden Sie das bitte wiederholen?«
Er kritzelte ein paar Worte auf ein Blatt Papier. Als Bishop ins Büro gestürzt kam, war das Gespräch gerade zu Ende.
»Verzeihung«, sagte Bishop atemlos. »Ich war im Waschraum, Sir. Hab' ich etwas versäumt?«
»Es ist Ihr gutes Recht, in den Waschraum zu gehen«, erwiderte Carstairs vorwurfsvoll, »aber Sie haben einen wichtigen Anruf aus Algier verpaßt. Vielleicht - ich sage vielleicht -ist soeben das allererste Flüstern von einer Aufklärung in der Aristoteles-Affäre an unser Ohr gedrungen.«
Ungläubig starrte Bishop ihn an. »Nach so vielen Monaten?««
»Möglich wäre es. Erinnern Sie sich an den Stoffladen in Algier, den die Abteilung Davis überwachen ließ? Die Sache mit den gestohlenen Banknoten, Sie wissen doch... Also Bennet hatte ein paar Telegramme fotografiert, die über Nacht auf einem Schreibtisch liegengeblieben waren, und kam zu dem Schluß, daß eines davon uns sehr interessieren würde. Heller Bursche, dieser Bennet. Die Telegramme waren in französisch und arabisch abgefaßt, und er ist gerade erst mit der Übersetzung fertiggeworden.« Carstairs begann das Band abzuspielen. »Hören Sie«, sagte er und machte Bishop ein Zeichen, mitzustenografieren.
Beide lauschten aufmerksam Bennets nasaler Stimme: »Die Originalmitteilung lautet folgendermaßen: >Bestätigen Bestellung von siebzig Meter schwarzer Aristotelesseide für Sambia, drei Ballen Baumwolle zum Kafue-Nationalpark, zwei Ballen Chunga-Musselin, zehn Meter Chintz-Muster, Fünf-Tage-Safari, Liefertermin neunten Juni wiederholen und bestätigen Auftrag. Chabo.<« Carstairs stellte das Tonbandgerät ab.
»Schön«, sagte Bishop verdutzt. »Kommt noch was?«
»Ja, wenn Sie das aufgeschrieben haben.« Carstairs drückte abermals den Knopf, und die Stimme begann von neuem.
»Wenn man die Füllwörter aus der Stoffbestellung entfernt und die übliche Dechiffriertechnik anwendet, lautet die Mitteilung: >Bestätigen Aristoteles für Sambia, Kafue-Nationalpark, Chunga Fünf-Tage-Safari am neunten Juni wiederholen und bestätigen Auftrag. Chabo.<«
»Sehr schön«, sagte Bishop gefühlvoll.
»Geht mir auch zu Herzen«, meinte Carstairs.
»Aristoteles.« Bishop wiegte sinnend den Kopf. »Ich hatte wirklich schon angefangen, den Mann für unsichtbar zu halten, wissen Sie. Diese Morde, und nie hat ihn jemand in der Menge gesehen oder eine Beschreibung geliefert. Wie macht er das nur?«
»Wir haben vier Monate gebraucht, um lediglich zu erfahren, daß er einen Decknamen hat, und er ist immer noch der gesichtslose, namenlose Mr. X.«
»Er mag ja im Ruf stehen, unsichtbar zu sein«, sagte Carstairs, »aber ein Geist ist er nicht, verdammt nochmal.« Er holte aus seiner Schreibtischschublade einen Atlas und einen Stapel Landkarten und begann zu blättern. »Schließlich mußte ja mal jemand durch uns zugängliche Kanäle auf ihn aufmerksam machen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß endlich, endlich...« Er schob den Atlas beiseite und begann die Karten durchzusehen. »Hier haben wir's«, sagte er plötzlich. »Sehen Sie sich das an. Eine detaillierte Karte vom südlichen Zentralafrika.«
Beide Männer beugten sich über die Karte von Sambia, und Carstairs deutete auf einen bestimmten Punkt. »Hier ist der Kafue-Nationalpark, 22400 Quadratkilometer groß. Beachten Sie die Namen der Safaridörfer.«
Bishop las vor: »Ngoma, Moshi, Kafwala und Chunga.« Er warf einen Blick auf Bennets Text. »Zum Kafue-Park Chunga.« Er nickte. »Safaridorf Chunga heißt das also. Muß schon sagen, es ist ein besonderer Tag, wenn uns etwas so sauber in den Schoß fällt.«
»Noch hat es das nicht getan«, bremste Carstairs ihn, »aber die Möglichkeit besteht.« Er lehnte sich zurück und sagte nachdenklich: »Ein paar Dinge wissen wir über unseren geheimnisvollen Aristoteles. Vor allem, daß er für Geld alle Aufträge ausführt und sich dem verdingt, der den höchsten Preis bietet. Denken Sie an seine Opfer: Malaga war ein liberaler Politiker in Costa Rica, und Messague in Frankreich war Kommunist. Dann war da dieser Brite, Hastings, der in Irland mit seinen Verhandlungen erste Erfolge hatte, als er ermordet wurde, und der Oberst in Peru, der eine absolut unabhängige Politik betrieb. Und dann natürlich unser Agent Pete«, sein Gesicht wurde hart. »Unsere Agenten mögen heutzutage Freiwild sein, aber kein Mensch verdient erschossen zu werden, wenn er mit seiner Braut am Arm aus der Kirche kommt.«
»Richtig, Sir«, sagte Bishop. »Dennoch.«
»Stört Sie da etwas?«
»Sehr sogar«, sagte Bishop stirnrunzelnd. »Die Safari! Was soll ein Mörder auf einer Safari?«
»Wir wissen ferner«, fuhr Carstairs fort und schien Bishops Einwand zu überhören, »daß Aristoteles einen unwahrscheinlichen Instinkt hat, wenn es ums Überleben geht, und dass er ein ausgemachter Einzelgänger ist, sonst hätte längst schon jemand den Mund aufgemacht. Sagen Sie, Bishop«, er deutete mit dem Bleistift auf seinen Assistenten, »wenn Sie Aristoteles wären, wie würden Sie Ihre Geschäfte abschließen? Wie würden Sie mit Ihrem nächsten Auftraggeber in Verbindung treten?«
»Wie würde ich«, Bishop überlegte eine Weile schweigend. »Russisches Teehaus? Türkisches Bad? Eine Seilbahn in den Schweizer Alpen? Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Sir. Heikel ist das. Sehr heikel und ein womöglich riskanteres Unternehmen, als die Politiker dann wirklich zu erschießen.«
»Richtig. Genau das ist es, was mich sehr ermutigt. Verdammt gescheite Idee, eine Safari zu wählen, eine Safari ist wie gemacht für ein Rendezvous. Er bekommt Gelegenheit, seinen möglichen Auftraggeber in Augenschein zu nehmen, ehe er sich selbst zu erkennen gibt. Und die Safari verschafft ihm massenhaft Zeit, um die Bedingungen auszuhandeln. Und wo gäbe es eine bessere Tarnung als in einer kleinen Gruppe, die durch den einsamen Busch zieht. Der Mann hat entschieden Sinn fürs Künstlerische.«
»Sie malen ja fast sein Porträt.«
»Muß man«, erklärte Carstairs, »und dann hineinkriechen und erraten, was er als nächstes vorhat, und dann haben Sie Ihren Mann so gut wie sicher, Bishop.«
»Arbeiten wir mit Interpol zusammen?«
»Nein, auf keinen Fall. Zuerst schicken wir einen von unseren eigenen Leuten auf die Safari. Wenn wir diesen Aristoteles identifizieren können, erfahren, wie er aussieht, herausfinden, woher er kommt...«
»Nicht festnehmen?« Bishop war erstaunt.
Carstairs sah ihn belustigt an. »Mein lieber Bishop, sollen wir denn die Republik Sambia freundlichst ersuchen, auf der Safari vom nächsten Montag jedermann zu verhaften? Und was sollen wir als Grund angeben? Nein, nein, das schreit doch nach einer richtig altmodischen Beweissammlung, und unterschätzen Sie das nicht.«
»Habe ich nie getan, Sir«, sagte Bishop bescheiden.
»Tatsächlich, wenn Sie die Weltbevölkerung in diesem Augenblick betrachten«, erklärte Carstairs, »dann verstehen Sie, in welchem Maße es den Kreis der Verdächtigen einengt, wenn Aristoteles nächsten Montag im Kafue-Park auftaucht, und wir von jedem einzelnen Safariteilnehmer Fotos machen. Statt nach einer Nadel im Heuhaufen zu suchen, haben wir Fotos von vielleicht einem Dutzend Leuten, die sieben und durchleuchten wir. Bei unsichtbaren Menschen wirkt Belichtung Wunder. Und den Rest kann Interpol dann übernehmen. Der wievielte ist heute?«