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Lisa, die mitgehört hatte, fragte atemlos: »Dort leben Sie?«

Er nickte.

»Aber das muß aufregend sein.«

»Ist es«, bestätigte er und begegnete ihrem Blick mit einem leichten Lächeln.

In diesem Augenblick kündigte eine Trommel das Abendessen an. Als Mrs. Pollifax sich erhob, sah sie einen Jungen in weißer Jacke eine mächtige Suppenschüssel in den Speiseraum unter freiem Himmel tragen. Sie sah auch Mr. Mclntosh auf der Schwelle stehen, unschlüssig, ob er sich der Gesellschaft am Feuer zuwenden oder in den Speiseraum gehen sollte. Er hatte sich umgezogen, trug jetzt Khakihosen, ein offenes weißes Hemd und einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt. Ob er wohl zu jeder Mahlzeit im letzten Augenblick erscheinen, vorzeitig aufstehen und wie ein Schatten verschwinden würde? Intuitiv begriff sie, daß er ein einsiedlerischer, ein in sich gekehrter Mann war. Aber wieso eigentlich? Lag es an der Art seines Blickes, oder lag es an seinem immer gleichen überraschend milden Lächeln? Er stand einfach abwartend da. Als sie sich erhoben, wandte er sich, immer noch lächelnd, dem Büfett zu und stellte sich an.

Mit dem Erscheinen von Mr. Mclntosh waren die Teilnehmer der Safari jetzt vollständig versammelt, und Mrs. Pollifax fragte sich nicht zum erstenmal, wer von ihnen nun ein Mörder sein mochte - ein unangenehmer Gedanke. Keinen von ihnen konnte sie sich mit einer Pistole in der Tasche in einer Menschenmenge vorstellen: wie er wartete, feuerte und verschwand. Keiner von ihnen schien einer solchen Gewalttat fähig.

Cyrus Reed würde bestimmt auffallen, dachte sie mit einem amüsierten Blick auf die große Gestalt, die sich über die Suppenterrine beugte. Möglich, daß Mr. Kleiber ohne seinen Ziegenbart unscheinbar genug aussah. Auch möglich, daß Tom Henry überhaupt kein Doktor war; Mclntosh, fand sie, konnte ohne weiteres in einer Menge verschwinden - wie eben jetzt. Steeves sah dazu zu charakteristisch aus, aber aus seinen Büchern wußte sie, daß er ein Meister der Maske war.

Wenn aber Carstairs recht hatte, dann trug einer von ihnen eine teuflisch geschickte Maske. Und dann fiel ihr Carstairs Telefonanruf am Abend vor ihrer Abreise von New Jersey wieder ein. Sie hatte ihm versichert, ihr Paß sei wieder in ihrer Hand, und Bishop habe ihr die Wichtigkeit der Schnappschüsse erklärt. Dann hatte sie ihm die Frage gestellt, an die sie nicht ohne eine gewisse Erbitterung denken konnte. »Ich weiß ja«, hatte sie zu ihm gesagt, »daß wir in einer verrückten Welt leben, aber erklären Sie mir bitte, warum ein Mörder auf Safari gehen sollte.«

»Um jemanden zu treffen, nehme ich an«, hatte Carstairs amüsiert geantwortet. »Vielleicht um den nächsten Mord zu planen oder um die Bezahlung für den letzten entgegenzunehmen. Bestimmt nicht zum Vergnügen.«

Wenn das stimmte - und Carstairs' Vermutungen erwiesen sich fast immer als richtig -, dann trugen auf dieser Safari zwei Menschen eine Maske. Und gelegentlich mußten sie sich zu einem kleinen Plausch absondern. Wenn sie es sehr behutsam, sehr diskret anstellte, konnte sie vielleicht hier und da ein wenig lauschen...

Natürlich hatte Carstairs ihr klargemacht, daß sie nur Fotos knipsen sollte, und sie hatte die Absicht, diesen Auftrag tadellos zu erledigen. Aber es erschien ihr eigentlich als eine unglaubliche Verschwendung, wenn sie nicht gleichzeitig ein wenig spionierte. Schließlich mußte doch der Steuerzahler ihre Safari bezahlen, dachte sie tugendhaft, und Verschwendung war ihr nun einmal ein Greuel.

Außerdem, überlegte sie weiter und ließ jeden Anspruch auf Tugendhaftigkeit fallen, außerdem wäre es doch zu schön, Carstairs damit zu überraschen, daß sie Aristoteles dingfest gemacht hatte.

6

Offiziell begann die Safari am kommenden Morgen. Vor der Abfahrt zum Safaridorf Kafwala sollte eine Fahrt stromaufwärts stattfinden. Dort würde man wilde Tiere beobachten können. Mrs. Pollifax kam rechtzeitig zum Frühstück, war aber nicht recht ausgeruht; denn es war kaum sieben Uhr, und sie hatte nicht ungestört schlafen können. Die Wände ihrer Hütte raschelten die ganze Nacht, sicherlich verursacht durch ein kleines Tier. Dann hatten sie laute Tierschreie, Pfeifen und tapsende Schritte geweckt. Es waren Früchte vom Baum neben ihrer Hütte gefallen, und die Schilfwände hatten wieder zu rascheln begonnen.

Beim Frühstück erklärte ihr Julian, die Tiere liefen nachts frei durchs Gelände. Man habe ein Flußpferd gehört, und die Riedantilopen, die die Sicherheit des Lagers liebten, gäben leise Pfeiftöne von sich. Dann war es ganz gut, fand sie, daß sie das nicht gewußt hatte, sonst hätte sie vielleicht überhaupt nicht einschlafen können.

»Jetzt möchte ich Ihnen Crispin vorstellen«, sagte Julian, als sie vom Frühstück aufstanden. »Ich bleibe im Lager, um die letzten Vorbereitungen für Ihren Ausflug heute nachmittag zu treffen, und Crispin bringt Sie zu den wilden Tieren. Er ist der stellvertretende Safarileiter.«

Crispin trug keine Uniform und sah in seinem geblümten Hemd, dunkler Hose und Turnschuhen einem eifrigen Schulbuben ähnlich. Er hatte ein schmales Gesicht und helle, aufmerksam blickende Augen. Er schien stolz darauf zu sein, sie führen zu dürfen. Mrs. Pollifax fand das reizend.

John Steeves sagte: »Crispin klingt englischer als Julian. Wie sind Ihre sambischen Namen?«

»Meiner?« Julian lachte. »Sie wollen sie alle auf einmal erfahren? Milimo Simoko Chikwanda.«

Steeves grinste: »Ich bleibe bei Julian. Und Crispin?«

»Wamufu Chinyanta Muchona.«

Steeves nickte: »Also endgültig Julian und Crispin.«

»Meine ich auch«, sagte Julian amüsiert.

Als sie das Motorboot für die Flußfahrt bestiegen, herrschte Picknickstimmung. Die Sonne schien mild und strahlend, der Fluß hallte wider von Morgengeräuschen. Und als sie aufbrachen, hatten sie ein üppiges Frühstück mit Rührei und Schinken, Würstchen, Toast und Kaffee hinter sich. Mr. Kleiber, der neben Mrs. Pollifax saß, ging so weit einzugestehen, daß er gern ein Krokodil sähe. Amy Lovecraft hatte sich mit einer zünftig aussehenden, alle Raffinessen versehenen Kamera ausgerüstert, die sie John Steeves zu erklären versuchte. Die Reeds saßen in Fahrtrichtung, beide wirkten unausgeschlafen. Tom Henry und Chanda standen am Heck, und Mr. Mclntosh saß allein am Bug. Auch er war mit Fotoapparaten und Belichtungsmessern behängt.

Plötzlich rief Crispin dem Jungen am Steuer einen kurzen Befehl zu, woraufhin das Boot auf das gegenüberliegende Ufer zuhielt. In diesem Augenblick hob Mrs. Pollifax ihre Kamera und fotografierte den Flußlauf, wobei es ihr gelang, gleichzeitig mehrere Gesichter ihrer Mitreisenden einzufangen. Schon beim Einsteigen hatte sie jeden geknipst, was außer Cyrus Reed, der sie vorwurfsvoll ansah, so als hätte er das nicht von ihr erwartet, niemand zu beanstanden schien.

»Flußpferd«, sagte Crispin leise und zeigte mit dem Finger darauf.

Das Motorboot steuerte auf einen Landeplatz am Flußufer zu. Als sie in Höhe einer geheimnisvoll aussehenden Bucht stoppten, sah Mrs. Pollifax zwischen den Bäumen mächtige Gestalten. Plötzlich ertönte ein donnerndes Gebrüll. Das erste Flußpferd plumpste in den Strom. Sonnenflecken glitzerten auf riesigen schwarzen Köpfen, als die Flußpferde, immer wieder untertauchend, in den Fluß hinausschwammen. Sie zählte fünf, sechs, sieben, bei elf hörte sie auf. Es kamen immer neue Familien, die unbeholfen herumtollten. Ein besonders kühnes Tier schwamm auf das Motorboot zu und starrte die Insassen neugierig an.

Mrs. Pollifax lachte, und nachdem das Boot sich stromauf- wärts wieder in Bewegung gesetzt hatte, begannen alle zu reden und im Boot umherzugehen. Mr. Mclntosh stellte sich mit schußbereiter Kamera neben Mrs. Pollifax. Er hat eine schlechte Haltung, stellte sie fest, aber, dachte sie nachsichtig, kein Mensch konnte aufrecht stehen, wenn er die Welt unbedingt mit gesenktem Kopf betrachten mußte. Ihr fiel auf, daß sein ziemlich langes, schwarzes Haar dringend gewaschen werden mußte. Die weißen Fäden darin wirkten interessant zu seinem gebräunten Gesicht.