»Hoffentlich knipsen Sie mich auch«, sagte Steeves.
»Oh, Sie vor allem«, antwortete Mrs. Pollifax und schämte sich gleichzeitig wegen der falschen Überschwenglichkeit, »weil meine Kinder hingerissen sein werden, daß ich mit einem berühmten Autor gereist bin.« Sie wußte, daß Cyrus Reed sie bei den Worten erstaunt beobachtete. Wirklich, dachte sie, Mr. Reeds Aufmerksamkeit ihr gegenüber konnte auf dieser Reise außerordentlich beschwerlich werden. In einer trotzigen Anwandlung richtete sie die Kamera auf ihn und knipste ihn auch. Sie vervollständigte ihre Sammlung mit einem Schnappschuß von Julian, der neben einem der Landrover stand. »Sie fahren mit mir«, sagte er und half ihr auf den Vordersitz. Ihr folgte sofort ein Wächter mit einem langen Gewehr. Es war derselbe Wächter, der ihnen gestern das Tor geöffnet hatte. Dann kamen John Steeves mit Lisa angeschlendert. Es folgten Mclntosh und Amy Lovecraft. Der Landrover, der ihr Gepäck transportierte, war schon losgefahren. Julian rief Crispin etwas zu, stieg dann ein und winkte. Kurz darauf waren sie unterwegs und überließen es den anderen, es sich im dritten Wagen bequem zu machen.
»Bekommen die auch einen Wachposten?« erkundigte sich Mrs. Pollifax.
»Ja natürlich.« Julian sah sie amüsiert an. »Sie glauben es immer noch nicht?«
Lisa beugte sich vor und sagte: »Na ja, es ist doch schließlich ein Park.«
»Ich habe gehört«, sagte Mrs. Lovecraft, »die Amerikaner sind daran gewöhnt, die Tiere zu füttern.«
Lachend schüttelte Julian den Kopf. »In der Regel ist es ungefährlich, solange man auf den Wegen bleibt und bei Tageslicht unterwegs ist. Vor drei Jahren jedoch ist ein Führer im Luangwa-Nationalpark genauso dahingefahren wie wir, als er von einem verwundeten Büffel angefallen wurde. Von dem Landrover ist nicht viel übriggeblieben, das kann ich Ihnen sagen, und wenn der Posten den Büffel nicht erschossen hätte, dann wäre von meinem Freund auch nicht viel übriggeblieben.«
»Ich verstehe«, sagte Mrs. Pollifax und blinzelte. »Was -hm - was machen Sie denn, wenn Sie hier draußen im Busch einen Unfall haben?«
»Oh, wir haben Marconis«, erklärte er, während er gewandt um ein Loch herumkurvte. »Und in Chunga gibt es eine Erste-Hilfe-Station.«
»Marconis?«
»Funk. Erst heute morgen haben Gäste ihn benutzt. Sie haben doch eine Nachricht nach Lusaka geschickt, nicht wahr, Mrs. Lovecraft?«
»Ja«, sagte sie kurz.
»Ich auch«, teilte Mr. Mclntosh freiwillig mit.
»Und bei einem ernsten Unfall kommt ein >Fliegender Doktor<, aber da wir ja Dr. Henry bei uns haben...«
»Nyalugwe«, sagte der Wachposten scharf, und Julian bremste.
»Er sagt Leopard.« Julian brachte den Landrover zum Stehen. Nichts war zu hören, außer den Geräuschen, die Mr. Mclntosh und Amy Lovecraft verursachten, als sie ihre Kameras herausholten und schußbereit machten. Mrs. Pollifax hielt ihren Apparat schon auf dem Schoß.
»Dort«, sagte er und deutete auf einen kleinen Hügel. Sie sahen den Leoparden vor dem Dickicht stehen, der mit seinem gefleckten Fell vor dem Buschwerk kaum zu erkennen war. Eine Sekunde lang sah er die Gruppe an, dann hob er den prächtigen Kopf und schritt davon.
»Wie schön«, flüsterte Lisa. »Wie kann nur ein Mensch diese herrliche Kreatur in einen Pelzmantel verwandeln?«
»Dem Himmel sei Dank, daß es Reservate gibt«, sagte Mrs. Pollifax. »Haben Sie seine Augen gesehen, haben Sie die Muskeln gesehen, als er sich bewegte?«
»Prächtiges Exemplar«, meinte Steeves. »Panther hab ich schon gesehen, aber einen Leoparden in Freiheit noch nicht.«
»Ich glaub', ich hab' ihn auf meinem Film«, berichtete Mr. Mclntosh mit hörbarer Befriedigung.
»Ich auch«, sagte Amy Lovecraft. »Wie aufregend.«
»Ich hab' ihn leider verpaßt«, sagte Mrs. Pollifax betrübt. »Ich hab' ihn zu lange betrachtet.«
Die staubige, schattenlose Straße zwang sie zum Langsamfahren. Vor ihnen setzte sich eine Schar schwarzer Hühner in Trab. »Perlhühner«, sagte Julian und hupte. Dies veranlaßte die Tiere lediglich, ihre Gangart etwas mehr zu beschleunigen. Doch erst ein zweites Hupen scheuchte sie vom Wege. Der Landrover hielt nicht mehr, und je unebener der Weg wurde, um so wärmer wurde es im Innern des Wagens. Der Wachmann auf dem Rücksitz schlug unentwegt nach den Tse-Tse-Fliegen, niemand sprach. Sie kamen an einem Wegweiser vorbei, auf dem >Kafwala, 11 km< stand und bogen dann in einen weiteren Feldweg ein. Er war mit Elefantenkot bedeckt, und der Landrover ratterte bedenklich, denn der Weg war voller Löcher, die die Elefanten bei ihrem Durchzug während der Regenzeit hinterlassen hatten. Die Gegend war jetzt dicht bewaldet. Es standen Bäume zu beiden Seiten des Weges.
Es war fast drei Uhr, als sie Kafwala erreichten. Sie fuhren an einigen Männern vorbei, die um ein Feuer lagen. Sie sahen einem Mann zu, der mit einem uralten Bügeleisen auf einem Holzbrett Wäsche bügelte. Der Landrover hielt auf einem grasbewachsenen, von Zelten und strohgedeckten Zementhütten umstandenen Grundstück. Unmittelbar vor ihnen befand sich ein langgestrecktes -weißes Gebäude mit einem Bogengang in der Mitte. Dahinter fiel das Gelände steil zum Fluß ab. Sobald Julian den Motor abgestellt hatte, vernahm Mrs. Pollifax das Geräusch des Kafwala, der ein starkes Gefälle und eine reißende Strömung hatte.
»Wir sind in Kafwala«, verkündete Julian und sprang aus dem Landrover. »Hier bleiben wir zwei Tage und beobachten Tiere, ehe wir zum nördlich gelegenen Dorf Moshi fahren.«
»Es sieht hier richtig wie in einem Feldlager aus«, stellte Lisa zufrieden fest. Sie drehte sich nach Mrs. Pollifax um und reichte ihr die Hand. »Können Sie noch gehen? Ich fühle mich an allen Gliedern wie zerschlagen. Julian sagt, hier gäbe es eine Badewanne, können Sie sich das vorstellen? Wie in aller Welt mögen sie im Busch ein Bad installiert haben?«
»Sie erhitzen das Wasser in einem sogenannten rhodesischen Ofen«, sagte Mrs. Lovecraft und kletterte aus dem Wagen. »In dem riesigen quadratischen Block da drüben befindet sich ein Behälter mit Wasser. Darunter wird ein Feuer angemacht, und durch die Röhren fließt das Wasser in die Badewanne.«
»Verdammt erfinderisch«, murmelte Mclntosh. »Das muß ich mir ansehen.«
»Aber woher wissen Sie so etwas?« fragte Lisa.
»Meine Liebe«, sagte Amy mit ihrer leicht affektierten Stimme. »Ich bin das, was man eine Kolonistin nennt. Ich habe mein ganzes Leben in Afrika verbracht. Im Sudan, in Südafrika, in Sambia und Kenia.«
Interessiert sah Mrs. Pollifax sie an. Das erklärte, warum sie wie eine Britin wirkte, ohne tatsächlich Engländerin zu sein. »Militär?«
»Mein Vater, ja. Mein Mann nicht. Wir hatten eine Tabakfarm. Er ist tot.«
»Das tut mir leid.«
»Leid, ja nun«, sagte Mrs. Lovecraft, und ein bitterer Zug überflog ihr Gesicht. »Aber Sie sind ja auch Witwe, nicht wahr?« Sie wandte sich ab und lächelte Mr. Mclntosh zu. »Ich hätte nichts gegen einen Drink, Kinderchen, wie war's?«
Der Landrover mit ihrem Gepäck kam ins Lager gerumpelt, und die Sambier versammelten sich lachend um ihn herum. Julian winkte und wandte sich dann an Mrs. Pollifax. »Ich möchte Ihnen Ihr Zimmer zeigen«, sagte er und führte sie zu einem Arkadenhof innerhalb des langgestreckten Gebäudes. »Hier«, sagte er, und deutete auf ihre Tür. Dann öffnete er die Tür gegenüber und machte Lisa ein Zeichen. »Sie und Ihr Vater wohnen hier, Mrs. Pollifax gegenüber. Tee um vier Uhr, meine Damen.« Damit eilte er davon, um die anderen einzuteilen.
Mrs. Pollifax hatte ihre Zimmertür geöffnet, an der sich weder Schloß noch Riegel befand. Drinnen bemerkte sie die üblichen mit Netz überspannten Betten mit jeweils einem Nachttopf darunter, einen Nachttisch mit einer Kerze und - herrlicher als alles andere -Milchglasfenster und dicke, weiße Wände. Hier würde es nachts nicht rascheln.