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Den Rest konnte Mrs. Pollifax nicht verstehen, weil die Stimmen in der Ferne verklangen. Jedenfalls war ihr jetzt wärmer, und damit kam eine ungeheure Schläfrigkeit über sie. Sie schloß die Augen und schlief ein. Im Traum saß sie in einem Theater. Alle Teilnehmer der Safari standen auf der Bühne und trugen Masken. Nicht nur eine, sondern zahlreiche. Eine über der anderen.

8

Als Mrs. Pollifax am nächsten Morgen um halb sieben aufwachte, war es bitter kalt. Ein junger Kellner brachte ihr auf einem Tablett Kaffee. Mrs. Pollifax streckte einen Fuß aus dem Bett, goß Kaffee in die Tasse und nahm sie mit unter die Decke. Ob sie je wieder warm werden konnte?

»Ich dachte, Afrika liegt in den Tropen«, protestierte sie beim Frühstück, das unten am Fluß im Morgennebel serviert wurde.

»Wir befinden uns zwölfhundert Meter über dem Meeresspiegel«, gab Julian zu bedenken. »Vielleicht erwärmt es Sie, wenn Sie hören, daß Crispin in der Morgendämmerung mit einem Landrover draußen war und zehn Kilometer nördlich vom Dorf Löwenspuren entdeckt hat.«

»Oh, wie wunderbar!« seufzte Mrs. Pollifax.

Fast ebenso begeisternd war die Nachricht, daß über Nacht die Dächer von zwei Landrovern entfernt worden waren, so daß sie stehend fahren und die Savanne nach Tieren absuchen konnten wie Profis. Mrs. Pollifax konnte es kaum erwarten.

Trotz ihrer Begeisterung hatte sie aber ihren Entschluß vom vergangenen Abend nicht vergessen, und zwischen Frühstück und Aufbruch zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um sich einen Merkzettel für den Tag zu machen. >Herausfinden<, schrieb sie, >wer in den letzten acht Monaten weit gereist ist (Frankreich, Costa Rica).< Dann: >McIntosh noch einmal ansprechen, könnte aus sich herausgehen. Mr. Kleiber: Da er sich auf Maschinen versteht, nach Gewehren fragen, John Steeves: Welche Verkleidung er bevorzugt.< Sie lernte den Text auswendig und verbrannte den Zettel dann.

Bald danach brachen sie in zwei Landrovern auf. Die Sonne stand jetzt höher, bald würde es wärmer werden. Mrs. Pollifax hatte für diesen Ausflug ihre Kleidung so gewählt, daß sie sich nach und nach ausziehen konnte: erst ihre Buschjacke, dann ihren dicken Pullover, dann ihre blassblaue Strickjacke, bis sie schließlich in gestreifter Hemdbluse und einem passenden Halstuch glänzen würde. Sie nahm auch ihren bunten Schirm sowie zwei Filmrollen für die Kamera mit und steckte ihre Brosche an.

Als sie das Safaridorf Kafwala hinter sich gelassen hatten und auf die offene Savanne zufuhren, empfand sie wie Lisa diese Reise durch Afrika als Geschenk. Sie war bezaubert von der Landschaft, durch die sie fuhr. Und als Mrs. Pollifax sich nach den Zementbauten am Straßenrand erkundigte, sagte Julian lachend: »Kein Zement - Termitenhügel.« Er hielt an, sprang aus dem Wagen und trat dagegen, so daß eine bienenwabenartige Struktur sichtbar wurde.

Mrs. Pollifax erblickte die Elefanten als erste. »Oh, seht«, rief sie, und alle schauten nach links. In einiger Entfernung wanderte eine Elefantenherde durch die Savanne, eine Familie mit drei Jungen.

»Baby snofu«, sagte Chanda.

»Ich zähle neun«, meldete sich Cyrus, der neben ihr stand.

Mrs. Pollifax stellte sich auf ihren Sitz und knipste dreimal rasch hintereinander, rutschte dann nach unten und machte eine Nahaufnahme von John Steeves, der ebenfalls die Prozession beobachtete.

»Können wir aussteigen«? fragte Amy Lovecraft, heute ganz in Weiß und Beige gekleidet. Um ihr Haar hatte sie einen grünen Schal gebunden.

»Wir fahren besser weiter«, meinte Julian. »Die Tiere sind auf dem Weg zum Wasser, später sehen wir sie mehr aus der Nähe.«

Die beiden Landrover fuhren ganz langsam ein paar Kilometer weiter, ehe sie hielten. Alle stiegen aus und warteten mit schußbereiter Kamera.

»Dieses Licht hier«, sagte Mrs. Pollifax und deutete ins Weite, »es erinnert mich an das Licht in Südfrankreich. War jemand von Ihnen in letzter Zeit in Frankreich?«

Niemand schien ihr die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.

John Steeves starrte tiefsinnig in die Ferne; Mclntosh war mit seinem Lichtmesser beschäftigt; Mr. Kleiber murrte Unverständliches vor sich hin, und Amy Lovecraft überhörte ihre Frage. Nur Cyrus sah sie an und sagte: »Nein. Sie?«

Da sie noch nie in Frankreich gewesen war, fühlte sich Mrs. Pollifax in die Enge getrieben und war froh, als sie die Elefanten sah. »Da kommen sie!« rief sie aus.

Die Tiere tauchten aus dem Buschwald auf und schritten mit schwingenden Rüsseln auf sie zu. Nur ein paar Meter von ihnen entfernt überquerten sie den Weg, ohne ihren Zuschauern auch nur einen Blick zu gönnen. Die Elefantenbabys brachten Lisa zum Lachen. »Die sind ja süß!«

Befriedigt kletterten alle wieder in ihre Landrover und fuhren weiter. Die Wagen rollten einen Hang hinunter bis zu einem ausgetrockneten Bachbett. Sie hielten, und Julian stieg aus. »Hier!« rief er und deutete auf den Boden. Sie sahen den Abdruck einer Löwenpfote.

Ganz langsam rollten die Landrover weiter. Niemand sprach ein Wort. Und dann sahen sie vor sich zwei schlafende Löwen ausgestreckt in der Sonne liegen. Die Landrover rollten aus und hielten ca. zwei Meter von den Löwen entfernt. Der Wächter neben Mrs. Pollifax beugte sich vor und brachte sein Gewehr in Anschlag. Seine Augen blickten wachsam.

»Eine Löwin und ein Löwe«, flüsterte Julian.

Als der zweite Landrover hielt, hob die Löwin ihr herrliches Haupt, gähnte und stand auf. Sie streckte sich, betrachtete die Gesellschaft ohne Interesse und schnupperte. Nun regte sich der Löwe. Er stand ebenfalls auf. Ein mächtiges Tier, fast drei Meter groß, und Mrs. Pollifax atmete kaum, als er die Gruppe musterte, ohne zu blinzeln. Im allerletzten Augenblick, ehe die beiden schönen, gelbbraunen Geschöpfe im Gras verschwanden, machte sie eine Aufnahme.

Um die Mittagszeit erreichten sie Lufupa, ein kleines Safaridorf, das nur für Wochenendgäste bestimmt und noch nicht für die Saison geöffnet war. Das Dorf lag auf einer Landzunge, dort, wo der Kafue eine Biegung machte und breiter wurde. Er lag glatt wie ein Mühlenteich in der Mittagsonne. Hier sollten sie essen, wie Julian sagte. Er deutete auf einen gedeckten Picknicktisch unter den Akazien.

Inzwischen hatte sich Mrs. Pollifax aus drei Lagen Kleidung geschält und war glücklich, im Schatten der Akazien an einem Picknicktisch essen zu können. Eine friedliche Szene. In der Nähe waren zwei Männer damit beschäftigt, Stühle leuchtend blau anzustreichen, und auf dem Dach der größten Hütte legte ein alter Mann Stroh aus, das er mit Draht wie Schindeln befestigte. Da Mr. Kleiber neben ihr saß, wandte Mrs. Pollifax sich mit einem Lächeln an ihn. »Verstehen Sie etwas von Gewehren, Mr. Kleiber? Ich wüßte gern, was für eins unser Wächter hat.«

Da in diesem Augenblick Mr. Kleiber einen Teller mit Huhn und Gemüse serviert bekam, antwortete statt seiner Mclntosh, der ihr gegenübersaß. »Eine 30-06, möchte ich meinen.«

»Oh, Sie verstehen etwas von Gewehren?« sagte sie strahlend.

»Oder vielleicht eine 30-04«, meinte jetzt Kleiber.

»Es ist eine 30-04«, bestätigte Crispin vom Tischende her.

»Nicht gerade erfolgreich«, dachte Mrs. Pollifax und kam zu dem Schluß, Fragen dieser Art lieber am abendlichen Lagerfeuer zu stellen und nicht beim Picknick.

Nach dem Mittagessen schlenderten sie ein kurzes Stück stromaufwärts, um Flußpferde beim Baden an seichten Stellen zu beobachten. Das machte besonders Cyrus Spaß, weil er auf dem Rücken der Nashörner, die sie in Chunga beobachtet hatten, keine Gelbschnabelmadenhacker gesehen hatte.

»Gelbschnabelmadenhacker?« erkundigte sich Mrs. Pollifax.

»Zeckenvögel«, erklärte er und fuhr fort: »Findet man auch auf den Rücken von Nashörnern. Nähren sich von deren Zecken und warnen sie - als Gegengabe - vor Gefahr.« Sein Blick fiel auf John Steeves, der Lisa aus ihrer Jacke half. »Bursche scheint tatsächlich Lisa ins Visier zu nehmen. Und ganz zuversichtlich offenbar.«