»Vielleicht doch«, sagte Mrs. Pollifax leise und versuchte ihrer steigenden Erregung Herr zu werden. »Vielleicht doch, Farrell. Es ist möglich, daß Mrs. Lovecraft zu dieser Safari gestoßen ist, um den wirklichen Mörder zu treffen.«
»Um wen zu treffen?« fragte Farrell.
»Weil ich deswegen nämlich hier bin«, sagte sie zu ihm. »Von Ihrer Betty Thwaite weiß ich gar nichts, aber ich weiß von Mordabsichten. Deswegen habe ich mich der Safari angeschlossen.« Nach einem Seitenblick auf Cyrus sah sie Farrell wieder an. »Ein gemeinsamer Freund von uns hat mich geschickt. Carstairs.«
»Gütiger Himmel«, sagte Farrell, und nun blickten sie beide auf Cyrus, der sie freundlich ansah, jedoch eine Augenbraue fragend hochgezogen hatte.
»Sagen Sie es ihm oder ich?« fragte Farrell.
»Mir was sagen?« fragte Cyrus. »Daß Sie nicht Tür an Tür mit Emily in New Brunswick, New Jersey, gewohnt haben oder daß Sie Seifenkistenautos für ihren Sohn gebaut haben? Das hab' ich mir schon gedacht, junger Mann. Aber wie haben Sie sich kennengelernt?«
Farrell grinste. »Würden Sie es glauben? Rücken an Rücken gefesselt in Mexiko, nachdem wir betäubt und entführt worden waren von... «
»Farrell!« sagte sie. »Sie gehen zu weit.«
»Unsinn. Reed, wenn Sie glauben, daß diese reizende listige Dame nichts anderes tut, als Blumen zu ziehen, dann sind Sie nicht der richtige Mann für sie, und aus der Art, wie Sie sie ansehen, glaube ich zu verstehen... «
»Farrell!« platzte Mrs. Pollifax los.
Mit seiner freundlichen Stimme sagte Cyrus: »Gewisse -hm -Kniffe sind mir schon aufgefallen. Ein - sagen wir - Beugen der Wahrheit und das Karate..,«
»Karate!« Jetzt war Farrell überrascht. »Herzogin, Sie setzen mich in Erstaunen. Sie werden ein Profi.«
»Was für ein Profi?« fragte Cyrus gelassen.
»Sie hat ein kleines Steckenpferd«, sagte Farrell vergnügt. »Geheimkurier zwischen Gartenklub und Umweltschutz. So hab' ich sie kennengelernt, nur habe ich mich vor drei Jahren vom CIA zurückgezogen. Aber wenn es Ihnen recht ist, möchte ich gerade jetzt von dieser Safari hören. Setzen Sie mich ins Bild, Herzogin, und zwar schnell.«
Sie berichtete ihm alles, was sie wußte.
»Carstairs schien überzeugt davon, daß Aristoteles auf dieser Safari anwesend ist, um jemanden zu treffen und den nächsten Auftrag zu besprechen. Wenn Amy Lovecraft aber die ganze Zeit mit ihren Unternehmungen in Rhodesien beschäftigt ist, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß sie um die Welt reist und Leute erschießt. Es ist nur eine Vermutung natürlich, aber...«
»Ich unterbreche die Funkstille«, sagte Farrell unvermittelt, »und rufe Dundu. Ihre Geschichte erklärt, warum Betty Thwaite ausgerechnet auf eine Safari ging, und wenn sie ihr Geschäft mit Aristoteles schon abgeschlossen hatte, dann erklärt das auch, warum sie eine Entführung unternehmen konnte. Sie hat Sie bei Ihrem Gespräch mit Dundu belauscht, und ihr ist klargeworden, daß eine ihrer Reisegefährtinnen tatsächlich in der Lage war, mich zu identifizieren. Da konnte sie nicht widerstehen. Die Entführung muß kurz entschlossen improvisiert worden sein, und das war sehr unklug von ihr. Doch sie meinte, sie könnte beides tun. Ja, Betty Thwaite ist eine sehr ehrgeizige Frau. Aber ich hab' immer noch Hemmungen, das Funkgerät zu benutzen, verflixt.«
»Warum denn?« fragte Cyrus.
»Weil wir dadurch Ihre Gesellschaft entdeckt haben«, erklärte Farrell. »Wir waren von Chunga nach Kafwala aufgebrochen und hatten haltgemacht, um über Funk dem Hauptquartier unsern Standort mitzuteilen. Dabei hörten wir Simon Grünen Vogel rufen. Der Deckname Grüner Vogel war uns bekannt, und deshalb heftete sich, während wir in Kafwala weiter nach Mrs. Lovecraft suchten, Jonesi an Ihre Fersen. Wir brachten in seiner Kappe einen Sender an, damit wir ihn orten konnten.«
»Als Idiot war Jonesi sehr überzeugend«, bestätigte Mrs. Pollifax.
»Lieber Himmel, ja, mit der Nummer kann er überall auftreten, sie hat ihm schon mehr als einmal das Leben gerettet. Aber Herzogin, fangen wir nochmal von vorne an: Wen von den Leuten bei Ihrer Safari haben Sie im Verdacht, Aristoteles zu sein?«
»Ich habe keinen Schimmer«, sagte sie aufrichtig. »Niemanden, hätte ich am Anfang der Safari gesagt, wenn nicht aus meinem Zimmer in Kafwala ein Film gestohlen worden wäre, was beweist, daß meine Knipserei jemanden gestört haben muß. Es muß Aristoteles gewesen sein, der den Film gestohlen hat, denn Cyrus hat mir erzählt, daß Amy Lovecraft und Dr. Henry unten beim Lagerfeuer geblieben sind, nachdem ich gegangen war. Amy könnte Ihnen natürlich sagen, wer Aristoteles ist.«
»Darauf möchte ich keine Wette abschließen«, sagte er trocken. »Wir können also annehmen, daß Aristoteles noch bei der Safari ist und seinen Mordplan fertig hat?« Er schauderte. »Ich weiß nicht, wie Sambia ohne Präsident Kaunda überleben sollte. Er regiert das Land mit fester Hand und wird als Präsident vom Volk geliebt. Jedes Staatsoberhaupt, das ein Land, bestehend aus ca. siebzig verschiedenen Ländern und mindestens sechzehn verschiedenen Sprachen, regieren kann, ist ein Genie.« Er blickte auf und sagte kurz: »Also, heute ist Donnerstag. Wo befindet sich die Safari jetzt?«
»Heute abend wird sie in Moshi eintreffen«, sagte Cyrus. »Morgen kehrt sie nach Chunga zurück, bleibt dort über Nacht und erreicht am Samstag ihre Endstation Lusaka.«
»Dann muß ich unbedingt Dundu benachrichtigen«, beschloß Farrell, »damit er alle Teilnehmer der Safari überwachen läßt. Geben Sie mir die Namen.« Er holte einen Notizblock und einen Stift aus der Tasche.
»Da ist Cyrus' Tochter Lisa Reed«, begann Mrs. Pollifax.
»Und Dr. Tom Henry«, fuhr Cyrus fort.
Farrell schaute auf: »Doch nicht der Bursche vom Missionskrankenhaus drüben an der angolanischen Grenze?« Als Mrs. Pollifax nickte, sagte er, »Klein ist die Welt. Aber jetzt bitte weiter.«
»John Steeves, Reiseschriftsteller, sehr charmant. Willem Kleiber, Holländer, sehr zimperlich und auf Sauberkeit bedacht und in der Baumaschinenbranche tätig, was immer das sein mag. Und dann ist da - na ja, Mclntosh.«
Farrell sah auf. »Ja?«
»Laut Amy Lovecraft ist das nur sein halber Name. Sie hat einen Blick in seinen Paß geworfen. Natürlich ist jetzt alles verdächtig, was sie gesagt hat, aber ich sehe keinen Grund, warum sie das erfunden haben sollte.«
Farrell legte den Stift nieder. »Was für ein Mensch ist er?«
»Verschlossen«, meinte Mrs. Pollifax.
Cyrus räusperte sich und sagte vorsichtig, »Reserviert, meiner Meinung nach. Geschäftsmann, Amerikaner.«
»Aber immer auf Reisen«, ergänzte Mrs. Pollifax.
»Nun ja. Wer noch?«
»Chanda«, sagte Cyrus. »Dr. Henrys Schützling. Ich möchte hinzufügen, daß er mich auf die Spur von Emilys Entführern gebracht hat und dann zu Fuß zum Lager zurückgegangen ist, um die Suchmannschaften zu führen. Zwölf Jahre alt.«
»Ja, und wo bleiben diese Suchmannschaften?« fragte Mrs. Pollifax.
»Keine Ahnung, Herzogin. Tut mir leid, aber der Park ist verdammt groß.« Er lächelte wehmütig: »Als Sie nach Westen gebracht wurden, sind sie zweifellos nach Osten gegangen, und jetzt, wo Sie nach Süden gegangen sind, durchkämmen sie wahrscheinlich den Nordteil. So geht das meistens, nicht wahr? Okay, also wir haben Lisa Reed, Dr. Tom Henry, John Steeves, Willem Kleiber, den mysteriösen Mclntosh und den Jungen Chanda. Sonst noch jemand?«
»Amy Lovecraft, Emily und ich«, sagte Cyrus. »Neun im ganzen.«
»Recht.« Farrell steckte die Notizen ein und erhob sich. »Ich gehe jetzt, um mit Dundu zu sprechen. Bleiben Sie ruhig sitzen, ich schicke einen Mann herüber, der Sie beschützt, während ich weg bin, weil dieses Lagerfeuer in wenigen Minuten ausgelöscht werden muß.«