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»Genau. Werden Sie auch heute um halb drei von Homer abgeholt?«

Er schüttelte den Kopf. »Wir fahren mit dem Auto. Lisas Idee.« Er sah sie an und fuhr freimütig fort: »Tut mir leid, wirklich, aber für ein Wiedersehen stehen die Sterne dennoch günstig. Sie sind - wie nennt man das heutzutage - ungebunden?«

»Ich bin Witwe.«

»Ich sollte mein Bedauern ausdrücken, kann's aber nicht. Sie gefallen mir.«

Sie sah ihn an, und dann mußte sie lachen. »Mir gefällt Ihre Offenheit, aber ich bin nicht gewohnt an solche - solche...«

»Unverhohlene Bewunderung? Wieso nicht? Sie sehen so lebendig aus«, sagte er bestimmt. »Kann langweilige Leute nicht ertragen.«

»Ich bin sehr langweilig«, erklärte ihm Mrs. Pollifax aufrichtig. »Ich betätige mich ehrenamtlich - nicht besonders wirkungsvoll -, und ich züchte Geranien. Im allgemeinen«, fügte sie hinzu, »führe ich ein sehr ruhiges Leben.«

»Besagt gar nichts«, meinte er. »Sie wirken interessiert, mit einem Sinn für das Wunderbare. Stimmt's?«

»Ich komme mir vor wie ein Zeuge vor Gericht im Kreuzverhör.«

Er nickte. »Schlechte Angewohnheit von mir, die Schattenseite des Juristenberufes. Wenn meine beiden Kinder mit mir zufrieden sind, nennen sie mich aufrichtig, wenn sie sich über mich ärgern, nennen sie mich plump.«

»Sie haben also zwei Kinder?«

Er nickte. »Der Sohn ist dreißig, das Mädchen - das ist Lisa -sechsundzwanzig. Hab' sie selbst erzogen, seit ihre Mutter tot ist. Lisa war damals drei. Als die Kinder alt genug waren, hab' ich mir gesagt: Hände weg, wenigstens galt das bis vor zwei Jahren. Sie haben auch Kinder?«

Mrs. Pollifax nickte. »Auch einen Sohn und eine Tochter, beide erwachsen und schon selbst Eltern. Aber was ist denn vor zwei Jahren passiert?«

»Hab' Lisa retten müssen«, sagte er und lehnte sich zurück, damit der Kellner auftragen konnte. »Fand sie im New Yorker East Village, wo sie als Sozialhelferin arbeitete; war auf sechsundneunzig Pfund abgemagert und heulte sich die Augen aus wegen eines Burschen, in den sie sich verliebt hatte.« Er schnaubte verächtlich. »Liebte ihn, sagte sie, weil er sich für sie interessierte. Haken war nur der, daß der Bursche sich offenbar wahllos interessierte - hauptsächlich für Frauen, nehm' ich an - und sie schön an der Nase herumgeführt hat. Wenn man bedenkt, daß Lisa mit magna cum laude vom Radcliffe-College abgegangen ist, war das nicht gerade ein Intelligenzbeweis.«

»Gefühle haben mit dem Verstand nichts zu tun«, erklärte Mrs. Pollifax. »Wie ist es denn mit Lisa weitergegangen?«

»Sie werden es sehen«, sagte er. »Forsch, sachlich, das ist Lisa. Gefiel mir aber damals besser, als sie von allem, was ihr begegnete, noch aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Warmherziges, leidenschaftliches Kind.«

»Dann ist sie natürlich immer noch so«, warf Mrs. Pollifax ein.

»Irgendwie schon, aber in den letzten beiden Jahren hat sie sich ein dickes Fell zugelegt. Dachte, die Reise würde ihr guttun. Nicht gesundheitsfördernd für uns beide, zusammen zu leben. Nervtötend.«

Mrs. Pollifax legte ihre Gabel hin und lächelte ihn an. »Gibt es irgend etwas, was Ihnen nicht den Nerv tötet?«

Er richtete seinen schläfrigen Blick auf sie und erwiderte ihr Lächeln. »Tatsächlich, ein paar Sachen schon... gutes Essen, gute Gespräche, seltene Bücher sammeln... und ein anständiges Tennisspiel, und ich bin dafür bekannt, daß ich vor Tag und Tau aufstehe, um Vögel zu beobachten.«

»Das kann man sich kaum vorstellen. Sind sie«, fragte sie streng, »sind Sie umweltbewußt?«

»Leidenschaftlich«, sagte er mit unbewegter Miene.

Mrs. Pollifax lachte und wußte im selben Augenblick: Wenn sie auch in den wenigen Stunden in Lusaka Farrells Gesellschaft hatte entbehren müssen, Cyrus Reed war kein schlechter Ersatz gewesen. Auch hoffte sie, Mr. Reeds Melancholie möge echt sein, seine Tochter ehrlich und daß er sich nicht die häßliche Gewohnheit zugelegt hätte, in seiner Freizeit Leute zu ermorden.

»Nachtisch?« schlug Mr. Reed vor und reichte ihr die Speisekarte.

Nach einem Blick auf ihre Uhr schüttelte sie den Kopf. »Ich kann Ihnen nur für diesen köstlichen Lunch danken«, sagte sie und griff nach ihrem Schirm. »Auf Wiedersehen demnächst in Chunga.«

Sie verabschiedeten sich, und Mrs. Pollifax ging in die Halle, wo sie sich einen Sessel mit Blick auf die Eingangstür aussuchte. Dort saß sie, betrachtete interessiert eine Gruppe dunkelhäutiger Männer mit Turbanen, und auf einmal stand Homer Kulumbala vor ihr und sagte lächelnd: »Guten Tag, sind Sie bereit für den Aufbruch nach Chunga?«

»Fix und fertig«, sagte sie.

»Ihr Gepäck?«

Sie deutete auf ihren Koffer neben der Tür, er ergriff ihn und geleitete sie hinaus.

Der VW-Bus stand zwischen Bougainvillea-Sträuchern geparkt, und sie wählte den Vordersitz neben dem Fahrer. Homer ging, um weitere Mitglieder der Safari zu holen. Er erschien kurz darauf wieder in Begleitung eines schmächtigen, kleinen Mannes in langen Hosen und Buschjacke. Oh Himmel, wir sind Zwillinge, dachte Mrs. Pollifax kläglich und ließ ihren Blick von seinem zu ihrem Anzug schweifen. »Hallo«, sagte sie, als er beim Bus ankam.

Er mochte fünfundvierzig sein und trug als einzig bemerkenswertes Kennzeichen einen rotbraunen Kinnbart. Wohl ein etwas sonderbarer Kandidat für eine Safari. Er wirkte mäkelig, und ein verkniffener Zug um die Nasenlöcher erweckte den Eindruck, als strömte die Welt einen leicht ranzigen Geruch aus. Bei Mrs. Pollifax' Anblick wurde sein Gesichtsausdruck noch ablehnender, vielleicht war er auch nur unangenehm von der Tatsache berührt, daß sie auf dem Vordersitz saß. Vorsichtig stieg er hinten zu und rief in einem Englisch mit leichtem Akzent Homer zu, er möge behutsam mit seinen Koffern umgehen. Erst dann wandte er sich Mrs. Pollifax zu und sagte griesgrämig: »Die schmeißen sie nämlich, haben Sie's bemerkt?«

»Nein«, sagte Mrs. Pollifax und stellte sich vor.

»O doch. Na ja.« Er streckte ihr eine magere, trockene Hand entgegen. »Kleiber. Willem Kleiber.« Er wischte seine Hand nicht gerade ab, nachdem er die ihre berührt hatte, aber offenbar hätte er es gern getan.

»Deutscher?« fragte sie.

»Nein, nein, Holländer.«

Wenn Mrs. Pollifax gefürchtet hatte, alle Teilnehmer der Safari könnten in gleicher Weise gekleidet sein, so erwies sich diese Vorstellung angesichts des dritten Safariteilnehmers, den Homer jetzt zum Bus geleitete, als unbegründet. Die Dame an seiner Seite bewirkte, daß Mrs. Pollifax sich plötzlich unelegant vorkam und gar nicht mehr toll. Sie mochte in den Vierzigern sein und trug ihr plantinblondes Haar mit einem scharlachroten Seidentuch zurückgebunden. Ihr Safarianzug war aus hellbeigefarbener Gabardine und so geschneidert, daß jede Kurve ihrer Figur zur Geltung kam. An mehreren Fingern glitzerten Brillanten, und ein fantastischer Türkis schmückte ihren schwarzen Rollkragenpullover. Alles an ihr war auffallend - ihr Anzug, ihre kühlen Saphiraugen, ihre klar geschnittenen Züge und ihre zartgebräunte Haut.

»Und ich hatte schon Angst, ich wäre nicht rechtzeitig hier und als - Oh, zwei sind schon da, ist das nicht fantastisch?« sagte sie. Und als sie beim Bus angekommen war, lächelte sie Mr. Kleiber zu. »Ich denke, wir machen uns am besten selbst bekannt.« Ihre Stimme klang einschmeichelnd, und sie sprach mit einem etwas affektierten britischen Akzent. »Ich bin Mrs. Lovecraft«, sagte sie. »Amy Lovecraft.«

In diesem Augenblick kam ein großer, gutaussehender junger Mann aus dem Hotel geeilt, rief Homer etwas zu, trat dann an den Bus und rief: »Dies ist doch der Bus ins Safaridorf Chunga?«

»Was für ein schöner Mann«, murmelte Mrs. Lovecraft.

»Ja, ja«, sagte Homer. »Sie sind -«

»John Steeves.« Er war ziemlich nachlässig gekleidet, hatte einen dicken Rollkragenpullover und schäbige Twillhosen an. Er sah aus wie ein Mann, fand Mrs. Pollifax, der wußte, daß es morgens in Afrika kalt ist. Wettergegerbt kam er Mrs. Pollifax vor. Seine Stimme verriet den Engländer, die Patina seiner Schuhe den Wanderer. Sein längliches Gesicht mit den interessanten, dunklen Augen hatte einen angespannten Zug, und er trug einen dichten, dunklen Schnurrbart.