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Als er seinen Namen nannte, hellte Homers Gesicht sich auf. »Natürlich, ja, ich habe schon nach Ihnen gefragt. Haben Sie Gepäck?«

»Einen Seesack. Den bringt Tom Henry mit. Er ist auch mit von der Partie. Wir haben uns im Restaurant kennengelernt.« Er drehte sich um und deutete auf den Hoteleingang. Mrs. Pollifax sah einen gesetzt wirkenden jungen Mann mit einem Koffer und einem Seesack das Hotel verlassen, begleitet von einem bloßfüßigen, etwa zwölf Jahre alten schwarzen Jungen. Tom Henry, rotblond und mit aufrichtig blickenden grauen Augen, wirkte heiter und unkompliziert. Der macht kein Getue, dachte Mrs. Pollifax, die ihn auf Anhieb sympathisch fand. Der schwarze Junge, der neben ihm herging, sah plötzlich zu ihm auf und lächelte. Nie hatte Mrs. Pollifax ein Kind einen Erwachsenen so voller Bewunderung anlächeln sehen, und sie begriff, daß die beiden zusammengehörten.

»Henry?« fragte Homer irritiert. Und dann: »Ach so, das ist Doktor Henry? Doktor Henry vom Missionshospital?«

»Und Chanda«, sagte der junge Mann bestimmt. »Chanda Henry,«

Homer ging mit den Neuankömmlingen zum rückwärtigen Teil des Busses und verstaute das Gepäck. Mrs. Lovecraft stieg ein und setzte sich mit den Worten: »Ist das nicht lustig?« neben Mr. Kleiber.

Als sie zum Hotel zurückschaute, sah Mrs. Pollifax Cyrus Reed heraustreten, der irgendwie beunruhigt aussah. Er kam zum Bus herüber und sagte zu Mrs. Pollifax: »Jetzt ist sie schon fünf Stunden überfällig. Probleme häufen sich.«

In diesem Augenblick bog ein kleiner roter Fiat in rasendem Tempo in die Zufahrt zum Hotel ein und hielt mit einem Ruck. Heraus sprang eine junge Frau, die so klein wirkte, wie Reed riesig schien, und rief: »Da bin ich, Richter!«

»Das ist Lisa«, sagte Cyrus Reed ergeben.

»Richter?« fragte Mrs. Pollifax.

»Im Ruhestand.«

Die junge, schlanke und langbeinige Frau war schwer zu übersehen. Ihr Haar war leuchtend kastanienbraun von der Farbe eines neuen Kupferpfennigs, und ihr rundes Gesicht mit einem Grübchen im Kinn hatte etwas Koboldhaftes. »Sie sieht aber gar nicht kalt und sachlich aus«, meinte Mrs. Pollifax, sie betrachtend.

»Stimmt«, sagte Reed, offensichtlich überrascht. »Irgend etwas hat sich verändert. Ich möchte, daß sie sich jetzt gleich kennenlernen. Ich hole sie her.«

Mrs. Pollifax sah zu, wie Lisa mit jemandem im Wagen sprach, und dann stieg eine Frau aus, die ein Baby in einer Schlinge über der Schulter trug, danach folgten ein kleiner schwarzer Mann mit Brille in einem dunklen Straßenanzug, drei grinsende, bloßfüßige Buben, ein gebückter alter Mann mit einer Krücke und schließlich ein junger Mann in lila Hosen und rosa Hemd. Mrs. Pollifax mußte an einen alten Zirkustrick denken, bei dem Dutzende von Menschen aus einem winzigen Wagen aussteigen, und sie fragte sich, wie in aller Welt die alle da hineingepaßt hatten. Lisa schüttelte jedem die Hand und ließ sich dann von ihrem Vater zu dem Kleinbus führen.

»Reifenpanne«, sagte sie, »aber Kanyama hat mir beim Reifenwechsel geholfen, und Mbulo hat neben dem Weg ein Feuer gemacht und Frühstück bereitet. Richtig gut - und die Wasserfälle hättest du sehen sollen!«

»Ich nehme an, daß du jeden, dem du begegnet bist, mitnehmen mußtest?«

»Na ja, aber war es denn nicht eine glückliche Fügung, daß ich's getan habe? Sonst säße ich jetzt noch irgendwo da unten bei Pemba mit einem platten Reifen. Niemand hat mich gebeten, mitgenommen zu werden. Aber konnte ich denn vorbeifahren, Dad, wo ich einen Wagen hatte und sie nicht? Hallo«, sagte sie und lächelte Mrs. Pollifax freundlich an.

»Na, viel zu früh bist du ja nicht angekommen«, sagte ihr Vater im Tonfall aller Väter der Welt.

»Aber ich bin angekommen, nicht?« sagte Lisa lächelnd. »Und was hält uns jetzt noch auf? Bis später!« rief sie über ihre Schulter und zog ihren Vater zum Hotel.

Auf dem Weg dorthin gingen sie an Homer vorbei, der das Gepäck eines anderen Safari-Teilnehmers trug. Die Reeds blieben bei ihm stehen und sprachen mit ihm, so daß der Neuankömmling warten mußte. Er tat es geduldig und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Es war ein mittelgroßer Mann, ungefähr fünfzig, mit einem Aktenkoffer und einem Regenmantel über dem Arm. Er war, wie Mrs. Pollifax feststellte, noch in Reisekleidung, es war ein gut gearbeiteter, jetzt aber zerknitterter Anzug. Sein langes Haar war pechschwarz, durchzogen von weißen Strähnen.

Unvermittelt löste sich die Gruppe auf, Homer kam zum Bus und sagte lächelnd: »Hier haben wir noch Mr. Mclntosh«, und deutete auf den Herrn an seiner Seite. »Jetzt kann's losgehen, meine Herrschaften, wenn Sie freundlicherweise einsteigen wollen.«

Die beiden Männer mit Chanda folgten dem Aufruf und setzten sich auf den Rücksitz unmittelbar vor dem Gepäck. Nach Mrs. Lovecraft stieg Mr. Mclntosh ein und nahm den Platz zwischen ihr und Mr. Kleiber. Dann schloß und verriegelte Homer die Bustüren, und einen Augenblick später waren sie unterwegs. Sie fuhren auf der linken Straßenseite wie die Engländer.

Ihr Weg führte sie am Gebäude der Nationalversammlung mit seinem glänzenden Kupferdach vorbei. Es folgte das Regierungsviertel, dann ein schäbiger Stadtteil mit strohgedeckten Hütten, und endlich, nachdem die Innenstadt hinter ihnen lag, ein Satellitenviertel, das die Japaner erbaut harten, wie Homer ihnen mitteilte. Als der Verkehr geringer wurde, veränderte sich die Landschaft in Baumwoll-, Sonnenblumen- und Maisfelder, und die Fußgänger wurden zahlreicher. Sie sahen Frauen, die Feuerholz auf dem Kopf balancierten und Männer auf Fahrrädern. Dann waren auch sie verschwunden, und der Bus fuhr auf der sich endlos dehnenden Straße stetig den Anhöhen um Mumbwa entgegen. Die Sonne stand überraschend tief am Horizont, und als Mrs. Pollifax darauf hinwies, erfuhr sie zu ihrem Erstaunen, daß in Sambia die Sonne an diesem Abend schon um sechs Uhr unterging. Jetzt begriff sie, warum Homer fuhr, als wäre der Teufel hinter ihm her, denn die Dunkelheit saß ihm im Nacken. Bei diesem ungewöhnlichen Tempo klapperte der ganze Bus. Eine Unterhaltung war fast unmöglich. Man mußte sich an seinen Sitz klammern.

Als Homer eine Stunde später auf die Bremse trat, flog Mrs. Pollifax beinah durch die Windschutzscheibe. Vor ihnen versperrte eine rotweiß gestreifte Schranke den Weg.

»Und was ist das?« fragte Mr. Kleiber aus dem Hintergrund.

»Die Brücke«, sagte Homer. »Alle unsere Brücken werden von der Polizei bewacht.«

»Lieber Himmel, warum denn?« wollte Mrs. Pollifax wissen und sah ihn überrascht an.

»Rhodesische Spione«, antwortete er. »Sie versuchen, unsere Brücken über den Kafue zu sprengen«. Er sprach es >Kafui< aus. »Wir haben drei in Sambia.«

»Rhodesische Spione?« wiederholte Mrs. Pollifax.

»Ja, Spione. Sie sind überall.« Er deutete mit dem Kopf nach links und sagte: »Da drüben ist die Polizei stationiert.«

Mrs. Pollifax schaute in die angegebene Richtung und bemerkte unten in der Nähe des Flusses unter einer Akaziengruppe mehrere verrostete Wellblechhütten. Sie setzte zum Sprechen an, aber Homer hatte sich der Wache zugewandt, die auf den Bus zukam und mit dem Gewehr über der Schulter sehr offiziell aussah. Der Mann trug einen Reiterhut, blaue Khakishorts und zwischen Knöchel und Knie Wickel aus schwerem Stoff, die nur Wickelgamaschen sein konnten, schloß Mrs. Pollifax, weil ihr die exotischen Erzählungen von Kipling einfielen. Er spähte in den Bus, schüttelte dann Homer die Hand und begann in einer ihr unverständlichen Sprache mit ihm zu reden. Schließlich grüßte er, die Schranke ging hoch, und sie fuhren über die einfache Brücke.