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»Cyrus ist in Vermont«, erklärte sie. »Eine seiner or-nithologischen Exkursionen... Ich mußte etwas übereilt aufbrechen und... «

»Du bist also doch im Auftrag von Carstairs hier!«

Sie lächelte. »Nur ein ganz unbedeutender Auftrag«, gab sie zu. »Eine alte Bekanntschaft auffrischen, könnte man sagen. Robin, was hat dich eigentlich so aufhorchen lassen, als ich vorhin Mr. Hitchens' Worte wiederholt habe? Und weshalb interessiert dich so, was er zu erzählen hat, wenn er wieder bei Bewußtsein ist?«

Robin ließ sich auf die Armlehne eines der Sessel sinken. »Eigentlich darf ich nicht darüber reden«, begann er. »Aber da ich dir schließlich meine prächtige Braut und nicht zuletzt auch meinen Job zu verdanken habe... Was mich aufhorchen ließ, meine liebe Mrs. Pollifax, ist die Tatsache, daß er so oft >wie< sagte. Du mußt wissen, seit zwei Tagen bin ich auf der Suche nach einem Vermißten, der auf den schönen Namen Wi hört.«

Nun war es an Mrs. Pollifax, verblüfft zu sein. »Du meinst...? Du meinst, er könnte gemeint haben: >Muß Wi finden<? Robin nickte lächelnd. »In Hongkong wäre das durchaus möglich. Hier gibt es Tausende, die Hu, Hao, Yu, Li oder Wi heißen... Natürlich kann es auch nur ein Zufall sein... «

»So wie du dich rein zufällig Mr. Lars Petterson nennst?«

»Hätte ich mir denken können, daß du das bereits weißt«, lachte er belustigt.

»Mr. Hitchens erzählte es mir, als du heute morgen in den Goldenen-Lotus-Saal kamst. Er hatte dein Interview im Fernsehen gesehen.« Sie schüttelte tadelnd den Kopf. »Also weißt du. Robin! Der drittreichste Mann der Welt!«

»Na ja«, griente er. »Wir dachten, das würde mich in das richtige Licht setzen: Ein junger Schnösel mit den Taschen voller Geld, ziemlich naiv und ganz offensichtlich ein Playboy.«

»Und jetzt beklagst du dich, daß man hinter dir her ist?«

»Aber erst, seit ich mich für den vermißten Mr. Wi interessiere ... Ziemlich aufschlußreich - findest du nicht auch?«

Nachdenklich betrachtete Mrs. Pollifax das Gesicht des jungen Mannes. »Also schön, Robin. Weshalb bist du wirklich in Hongkong?«

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Um es mal ganz pauschal auszudrücken: Etwas ist nicht in Ordnung in Hongkong... Irgend etwas ist hier oberfaul - es stinkt geradezu zum Himmel. Und ich bin hier, um herauszufinden, was es ist.«

»Du bist heute bereits der dritte, der mir erzählt, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung ist. Mr. Hitchens und jemand, mit dem ich mich vorhin unterhalten habe, sind derselben Meinung wie du. Was deinen Fall betrifft...«

»Das ist Chiang«, unterbrach sie Robin, als es dreimal kurz an der Tür klopfte. »Laß mich die Tür aufmachen - er kennt mich.«

Dr. Chiang stürmte ins Zimmer. Er war sehr klein und sehr dünn, und sein Anzug war bestenfalls schäbig zu nennen. Neugierig schielte er nach Mrs. Pollifax, ehe er seine Tasche öffnete und sich über Mr. Hitchens beugte. Mr. Hitchens bewegte sich unruhig,, stöhnte kurz auf und öffnete die Augen - dann schüttelte ihn ein Brechreiz.

»Eine Schüssel!« rief Dr. Chiang, und Mrs. Pollifax, die nicht wußte, wie sie eine Schüssel herbeizaubern sollte, lief zum Papierkorb und nahm die Plastiktüte.

Nachdem Mr. Hitchens seinen Magen gründlich entleert hatte, trugen sie ihn auf die Couch, und Dr. Chiang versorgte mit kundigen Händen die Wunde. Er reinigte und sterilisierte den Riß in der Kopfhaut, spritzte ein lokales Anästhetikum und vernähte die Platzwunde mit acht Stichen. »Der kommt wieder auf die Beine«, stellte er fest, als er fertig war und trat einen Schritt zurück. »Keine Gehirnerschütterung... Er hatte Glück, denn obwohl der Schlag ziemlich kräftig war, traf er ihn nicht an einer gefährlichen Stelle. Er wird zwar höllische Kopfschmerzen haben, aber sonst ist er in Ordnung. Ich habe ihm eine Tetanusspritze gegeben, ein Antibiotikum und etwas, das ihn ruhigstellt. Sollte er in einer Stunde nicht schlafen, geben Sie ihm etwas Brandy... Aber sonst nichts - bis morgen früh.«

»Danke, Chiang«, sagte Robin.

Der Arzt bedachte Mrs. Pollifax mit einem zweiten, nicht minder neugierigen Blick. »Ihr Mann?« erkundigte er sich.

»Nein, nein«, erwiderte sie und schüttelte heftig den Kopf.

»Ich verstehe...«, brummte Dr. Chiang und schien sich ein Grinsen zu verkneifen. »Na schön... Also dann alles Gute. Und rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen.«

»Nett«, murmelte Mrs. Pollifax, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, »aber ich kann mir nicht helfen: Irgendwie sieht er für mich nicht wie ein Arzt aus... «

»Verstehe«, grinste Robin. »Vielleicht kommt er sogar in diesem Jahr noch einmal dazu, sich einen neuen Anzug zu kaufen. Wahrscheinlich jedoch nicht. Chiang ist ein sehr guter Arzt... Er hat übrigens in Harvard studiert, und er kümmert sich wie kein zweiter um die >Boatpeople< drüben in Aberdeen... Hat der gute Doc nicht irgend etwas von Brandy erzählt? Offen gestanden, könnte ich jetzt einen Schluck zur Stärkung vertragen; allmählich merke ich, daß es ein verdammt langer Tag war.«

Mrs. Pollifax ging zu dem kleinen Kühlschrank und inspizierte den Inhalt. »Sag mal, war dein Kühlschrank auch bis oben hin voll, als du eingezogen bist?«

»Das schon«, antwortete er. »Aber ich muß dich warnen: Die passen ganz genau auf, was du rausnimmst.«

»Wie profan!« sagte sie. »Ich sehe hier nur Sekt, eine Flasche Weißwein - ah ja, hier ist ja der Brandy.« Sie kam mit der Flasche und einem Glas für Robin zurück, und sie setzten sich zu Mr. Hitchens an die Couch, der sie reichlich verwirrt anstarrte.

»Ich bin Mrs. Pollifax«, erinnerte sie ihn und bemühte sich, langsam und deutlich zu sprechen. »Wir haben uns an Bord des Flugzeugs kennengelernt. Erinnern Sie sich, Mr. Hitchens? Das hier ist... äh... Mr. Petterson, der... äh... ganz zufällig vorbeikam und der wie Sie auf der Suche nach einem Mister Wi ist.«

Mr. Hitchens richtete den Blick aus seinen fast beängstigend blauen Augen auf Robin und betrachtete ihn eingehend. Wenn er ihn als den drittreichsten Mann der Welt wiedererkannte, so ließ er sich dies nicht anmerken. »Damien Wi?« fragte er.

Mrs. Pollifax glaubte zu hören, wie Robin der Atem stockte, doch als er antwortete, war seine Stimme völlig ruhig. »Damien Wi - ja. Wie ich höre, suchen Sie ebenfalls nach ihm?«

Mr. Hitchens beging den Fehler zu nicken. Er stöhnte gequält, und seine Hände fuhren an seinen Kopf. »Man hat mich niedergeschlagen - in meinem Zimmer«, erklärte er, und plötzlich war Panik in seiner Stimme:

»Alec! Wo ist Alec?«

»Sie meinen Inspektor Wis Sohn?« fragte Robin.

»Ja... Er bat mich, seinen Vater zu suchen. Wir waren den ganzen Tag zusammen.«

»Mr. Hitchens erzählte mir, daß ihn einer seiner ehemaligen Studenten in Boston gebeten hat, nach Hongkong zu kommen, um ihm bei der Suche nach einem vermißten Verwandten behilflich zu sein«, erklärte Mrs. Pollifax. »Aber würdest du mir bitte erklären, wer dieser Damien Wi ist. Robin?«

»Er war der Leiter des Sonderdezernats Hongkong für Drogen- und Bestechungskriminalität«, erwiderte Robin. »Ich sage >er war<, denn vor etwa drei Wochen reichte er sein Rücktrittsgesuch ein - aufgrund von hartnäckigen Gerüchten, er sei in einer für ihn sehr kompromittierenden Situation überrascht worden. Er sei zurückgetreten, so behauptet er, um beweisen zu können, daß die Anschuldigungen gegen ihn haltlos sind und um private Nachforschungen anzustellen. Die Geschichte machte damals Schlagzeilen, da Inspektor Wi stets als absolut integer gegolten hatte. Der Gouverneur, mit dem ich über den Fall gesprochen habe, ist übrigens überzeugt, daß Wi einem Komplott zum Opfer gefallen ist. Und dann - vor zehn Tagen - verschwand er spurlos.«