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»Irgend jemand hat sich da eine Menge steuerfreies Geld unter den Nagel gerissen«, sagte Mrs. Pollifax.

»Und du bist überzeugt, daß ein Zusammenhang zwischen diesen Raubüberfällen besteht?«

Robin nickte. »Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Morden von New York ist nicht zu übersehen. Außerdem scheint es eine Verbindung zwischen den Überfällen und Hongkong zu geben, denn im März wurden drei der geraubten Päckchen mit Diamanten in Hongkong sichergestellt — zusammen mit einer Ladung Rauschgift, die auf einer der kleinen Inseln hier aufgebracht wurde. Die Diamanten waren noch genauso verpackt, wie sie den Kurieren geraubt wurden; was darauf hinweist, daß irgend jemand sehr unvorsichtig war.«

»Und wieviel waren die drei Päckchen wert?«

»Fast zwei Millionen. Eines stammte von dem Mord in Antwerpen und die anderen beiden aus New York. Ein weiterer ernst zu nehmender Hinweis auf eine Verbindung zwischen allen Überfällen.«

Mrs. Pollifax erlaubte sich ein sparsames Lächeln. »Das gibt euren Vermutungen natürlich wesentlich mehr Gewicht.«

Robin nickte. »Das ist auch der Grund, weshalb wir unsere Aufmerksamkeit auf Südostasien konzentrierten. Wir streckten hier unsere Fühler aus und hielten die Ohren offen für das Gerede und die Gerüchte in den einschlägigen Kreisen dieser Region. Unter anderem habe ich von einem zuverlässigen V-Mann erfahren, daß eine Ladung Waffen über Sri Lanka nach Macao gebracht wurde - oder gebracht werden soll. Macao!« wiederholte er mit Nachdruck. »Das ist kaum vierzig Meilen von Hongkong entfernt!«

»Waffen?« fragte Mrs. Pollifax überrascht. »Das ändert die Situation allerdings beträchtlich.«

»Vor allem, wenn man bedenkt, daß angeblich ein Raketenwerfer des Typs >Stalinorgel< dabeisein soll. Diese Dinger sind leicht zu transportieren. Sie finden ohne weiteres auf dem Dach eines Minibusses oder auf einem Boot Platz und können ohne viel Schwierigkeiten auch von dort abgeschossen werden.«

»Kennst du ihren Bestimmungsort?« fragte Mrs. Pollifax gespannt.

Er schüttelte den Kopf. »Sie sind sehr vorsichtig und geben sich keine Blöße. Nichts sickert durch. Und das ist äußerst ungewöhnlich. Auch von unseren V-Leuten kommen keine Informationen.«

Mrs. Pollifax nickte. »Ein Schweigen, wie es nur acht Millionen Dollar erkaufen können. Ist es das, was du damit sagen willst?«

Er warf ihr einen anerkennenden Blick zu. »So ist es - ja«, sagte er. »Verschwiegenheit kann man auch kaufen, und mit einer kleinen Bestechung hier und einer größeren Bestechung da läßt sich viel vertuschen. Was mir jedoch schlaflose Nächte bereitet, ist das unbestimmte Gefühl, daß diese ganze verdammte Angelegenheit - worum es sich auch immer handeln mag -schon viel weiter gediehen ist, als ich meinen Vorgesetzten klarmachen kann. Dies ist auch der Grund, weshalb ich unbedingt Inspektor Wi finden muß, der möglicherweise über die Lösung des Rätsels gestolpert ist und genau weiß, worum es geht.« Er warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr und schüttelte den Kopf. »Es ist schon fast zwei Uhr, und ich denke, wir sollten uns morgen weiterunterhalten - wenn dein Mr. Hitchens sich hoffentlich wieder besser fühlt und zu einem neuerlichen Ausflug in die Neuen Territorien bereit ist... Was mich im Augenblick allerdings mehr interessiert...«, er unterbrach sich, und ein verschmitztes Grinsen trat in sein Gesicht, »...sind deine Pläne für morgen. Könntest du nicht vielleicht...?« Er sah sie erwartungsvoll an.

»Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr fragen«, erwiderte Mrs. Pollifax strahlend. »Bis zehn Uhr abends habe ich nichts Dringendes vor.«

»Gott sei Dank!« seufzte er erleichtert, beugte sich zu ihr und küßte sie. »Ich weiß auch nicht, woran das liegt, aber wenn ich mich recht erinnere, kam endlich Schwung in die ganze Sache, als wir damals in der Schweiz zusammenarbeiteten. Interpol kann so verdammt langweilig und tödlich ernst sein.«

Sie lachte. »Bist du sicher. Robin, daß du die Zeit als Fassadenkletterer nicht vermißt?«

»Hin und wieder schon«, grinste er. »Aber es gibt immer wieder verschlossene Türen - wie deine heute abend zum Beispiel -, die mir ein Trostpflaster für entgangenen Nervenkitzel sind. Sollten wir nicht diesen harten Sitz hier mit unseren weichen Betten tauschen? Ich bin allmählich hundemüde.«

»Nichts lieber als das«, stimmte sie zu und erhob sich vom harten Rand der Badewanne.

Er öffnete die Tür, und ehe er das Badezimmer verließ, wandte er sich noch einmal zu ihr um. »Tut mir leid, daß ich Mr. Hitchens nicht mitnehmen kann, aber ich fürchte, es würde mir schwerfallen, die Situation zu erklären, sollte ich auf dem Korridor jemandem begegnen.«

»Ich komme schon zurecht mit ihm - solange er nicht schnarcht.«

»Wenn doch, schicke ihn wieder in das Land der Träume«, lachte Robin. »Aber möglichst nicht mit einem Schlag auf den Kopf! Ich melde mich morgen bei dir; zwar nicht in aller Herrgottsfrühe, aber wir dürfen auf keinen Fall die Spur kalt werden lassen.«

Behutsam öffnete er die Tür zum Korridor und spähte vorsichtig hinaus. »Alles klar«, flüsterte er und hob die Hand zum Abschied. Dann schlüpfte er durch den Spalt nach draußen und zog die Tür hinter sich ins Schloß.

DIENSTAG 

6

Sollte Mr. Hitchens während der Nacht tatsächlich geschnarcht haben, dann blieb dies Mrs. Pollifax, Gott sei Dank, verborgen, denn der lange Flug und ihr erster Tag in Hongkong hatten sie derart erschöpft, daß sie wie eine Tote schlief. Als sie um acht Uhr erwachte und sich schlaftrunken in ihrem Bett aufsetzte, sah sie, wie sich Mr. Hitchens auf der Couch ebenfalls aufrichtete und verständnislos um sich blickte.

Er brachte ein verlegenes Lächeln zustande, räusperte sich umständlich und erklärte dann würdevolclass="underline" »Sie müssen verstehen, aber ich bin es nicht gewohnt niedergeschlagen und mit Chloroform betäubt zu werden.«

»Wer kann das schon von sich behaupten«, erwiderte Sie und lächelte mitfühlend.

»Außerdem habe ich in meinem ganzen Leben noch nie solche Kopfschmerzen gehabt«, fuhr er fort, und seine Stimme zitterte leicht. »Ich habe das schreckliche Gefühl, daß ich jeden Augenblick losheulen werde.«

Mrs. Pollifax nickte verständnisvoll. »Wenn dem so ist, würde ich Ihnen vorschlagen, daß Sie aufstehen - sehr langsam allerdings -, ins Bad gehen, sich unter die heiße Dusche stellen und erst dann losheulen. In der Zwischenzeit werde ich mich anziehen, den Zimmerservice anrufen und eine Kanne sehr starken Kaffee bestellen.«

»Vielen Dank«, sagte er kläglich und ließ sich bereitwillig von ihr aufhelfen. Sie setzte ihm ihre Bademütze auf den bandagierten Kopf und öffnete ihm die Tür zum Badezimmer.

Als Robin unvermittelt in der Tür auftauchte, saßen Mrs. Pollifax und Mr. Hitchens bereits beim Frühstück an dem Tisch vor dem Fenster. Mrs. Pollifax empfing Robin mit einer erfreulichen Botschaft: »Mr. Hitchens fühlt sich schon viel besser. Er hat mir erzählt, daß seine übersinnlichen Fähigkeiten für sein eigenes Leben leider gar keine Hilfe sind.« Sie wandte sich wieder Mr. Hitchens zu. »Für andere aber sehr wohl, Mr. Hitchens, wie Ihr Auftrag hier in Hongkong beweist.«