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»Wir sind auf jeden Fall heilfroh, daß Sie hier sind, Mr. Hitchens«, sagte Robin. »Fühlen Sie sich in der Lage, Mrs. Pollifax und mir das Wasserrad und die Hütte zu zeigen, wo Alec Wi gestern verschwunden ist?«

Offenbar hatte Mr. Hitchens seine Niedergeschlagenheit überwunden, denn er bemerkte trocken: »Ich habe zwar keine Ahnung, wie Sie ohne Schlüssel, und ohne zu klopfen, durch die Tür gekommen sind und was der drittreichste Mann der Welt... «

»Ich bin nicht Lars Petterson«, unterbrach ihn Robin belustigt. »Tatsächlich bin ich ein ehemaliger Fassadenkletterer und Hoteldieb, der jetzt bei Interpol arbeitet.«

Mr. Hitchens nickte schicksalsergeben. »Ich wundere mich über gar nichts mehr, denn allmählich wird mir klar, daß ich die gesamte Reise in erster Linie als Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, betrachten muß. Absolut nichts scheint bisher zusammenzupassen, und aller Voraussicht nach wird sich daran auch nichts ändern. Nun ist nicht nur Inspektor Wi, sondern auch Alec spurlos verschwunden und... ja - natürlich bin ich bereit. Sie zu der Hütte zu führen.«

Mrs. Pollifax ließ einen Seufzer der Erleichterung vernehmen und lächelte Mr. Hitchens aufmunternd zu.

»Das nenne ich tapfer!« lobte Robin. »Worauf warten wir also? Marko steht in voller Chauffeursuniform in einer Mietlimousine vor dem Haupteingang des Hotels.

Wir werden also den Lieferantenaufzug zum Hintereingang nehmen und in einen kleinen, unauffälligen Renault steigen. Dann liegt es an Ihnen, den richtigen Weg zu finden.«

Mr. Hitchens deutete auf sein Jackett. »In der Innentasche finden Sie eine Karte, auf der die ungefähre Lage der Hütte eingezeichnet ist. Es ist dieselbe Karte, die ich zusammen mit Alec benutzt habe.«

»Wollen Sie damit sagen, Sie haben einfach die Karte studiert und mit dem Finger auf einen Punkt gezeigt und gesagt: >Hier ist es!<?«

Mr. Hitchens lächelte. »Ein bißchen wie Wünschelrutengehen ist es schon«, sagte er. »Sie wissen, wie das gemacht wird?«

Robin brachte die Karte an den Frühstückstisch und nickte. »Ja. Zu unserem Nachbarn, damals in Frankreich, kam ein Wünschelrutengänger, der auf dem Grundstück nach Wasser suchte.«

»So in etwa müssen sie sich meine Arbeit vorstellen«, sagte Mr. Hitchens und erhob sich behutsam von seinem Stuhl. Einen Augenblick lang hielt er sich an der Tischkante fest, dann trat er einen Schritt zur Seite, und ein Lächeln trat in sein Gesicht. »Erstaunlich!« grinste er. »Mir geht es viel besser. Wollen wir gehen?«

Nicht ohne Belustigung stellte Mrs. Pollifax fest, daß Mr. Hitchens über Reserven verfügte, die ihn offenbar selbst in Erstaunen versetzten. Die pedantische Art, hinter der er sich versteckt hatte, als sie sich im Flugzeug kennenlernten, fiel immer mehr von ihm ab, und zum Vorschein kam ein Mr. Hitchens, dessen Augen unternehmungslustig blitzten, als sie mit dem Lieferantenaufzug in das Untergeschoß fuhren und über den Hintereingang des Hotels den von Robin bereitgestellten Renault erreichten. »Welch aufregendes Abenteuer!« flüsterte Mr. Hitchens begeistert. »Ich fühle mich schon ganz wie ein Geheimagent.«

Robin warf Mrs. Pollifax einen amüsierten Blick zu, ließ sich in den Fahrersitz sinken und zog eine Schirmmütze und eine dunkle Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. Über den Beifahrersitz hinweg reichte er Mrs. Pollifax durch die offene Wagentür die Karte. »Ich würde vorschlagen, Mr. Hitchens, Sie machen sich auf dem Rücksitz so klein wie möglich, denn Mrs. Pollifax ist die einzige von uns, die nicht damit rechnen muß, beschattet zu werden. Sie kann es sich sogar leisten, einen Rosengarten auf dem Hut zu tragen.«

»Ganz im Gegenteil, mein Lieber!« widersprach sie und nahm hastig ihren Hut ab. »Ich bin gestern den ganzen Nachmittag über verfolgt worden; von dem Augenblick an, als ich aus einem Andenkenladen mit dem Namen Feng-Imports herauskam.«

Robin warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Darüber würde ich gerne mehr hören, wenn wir etwas Ruhe haben... «

»Großer Gott! Sie auch?« rief Mr. Hitchens atemlos. »Was gäbe ich dafür, wenn das meine drei Frauen wüßten!«

»Drei?!« wiederholte Robin verblüfft und sah Mrs. Pollifax fragend an.

»Die alle drei davon überzeugt waren, Parapsychologen führen ein aufregendes Leben, und bitter enttäuscht wurden...«, erklärte sie.

»Außer Ruthie«, widersprach Mr. Hitchens, der sich flach auf dem Rücksitz ausgestreckt hatte. »Ihr machte es nichts aus, einen Langweiler geheiratet zu haben.«

»Sie müssen uns mehr von Ruthie erzählen«, sagte Robin, »aber bitte nicht jetzt. Der Verkehr in Hongkong ist gemeingefährlich, und ich brauche meine ganze Konzentration.«

Auch Mrs. Pollifax hätte gerne mehr über Ruthie erfahren, doch auf dem Stadtplan die richtige Route zu finden, erforderte nun ihre ganze Aufmerksamkeit. Wie Robin vorausgesagt hatte, war der Verkehr gemeingefährlich; in halsbrecherischem Tempo jagten Wagen an ihnen vorbei, wechselten rücksichtslos die Spur, zwängten sich unter Zuhilfenahme ihrer penetranten und nervtötenden Hupen in die Lücken zwischen den Wagen der etwas bedächtigeren Fahrer. Soweit sie feststellen konnte, wurden sie nicht verfolgt. Sie teilte Robin ihre Beobachtung mit. »Glaubst du, daß dein Freund Marko noch immer in der Limousine vor dem Hotel wartet?« fragte sie.

Robin schüttelte den Kopf. »Nein. Inzwischen hat er sicherlich in unserer Suite angerufen - oh ja, wir sind sehr anspruchsvoll, wir leisten uns eine Suite - und läuft nun ungeduldig vor dem Hotel auf und ab, vernehmliche Flüche über die launenhaften und unzuverlässigen Reichen ausstoßend. Und nach einem ausgiebigen Schwätzchen mit den anderen Chauffeuren über das Woher und Wohin und den sozialen Status ihrer Brötchengeber wird er zum Wagen zurückkehren und mürrisch in die Garage fahren.«

»Der arme Marko«, murmelte Mrs. Pollifax mitfühlend. »Er wird's verkraften«, grinste Robin und knipste das Licht an, denn der Renault tauchte soeben in den Tunnel, der nach Kowloon hinüberführte. »Vor kurzem war ich es, der das Bootsdeck schrubbte und sich an Fischernetzen die Finger wundriß, während Marko den ganzen Tag im Liegestuhl auf Deck saß, durch das Fernglas guckte und versuchte, den Drogenschmugglern an der Mittelmeerküste auf die Spur zu kommen. Ich hatte Blasen, so groß wie Spiegeleier.« Als sie wieder aus dem Tunnel auftauchten, rief er über die Schulter gewandt:

»Sie können jetzt wieder hochkommen, Mr. Hitchens; gerade zur rechten Zeit, um Hongkongs jüngsten Triumph zu bewundern: Tsim Sha Tsui East, das zum größten Teil auf Land, das dem Hafenbecken abgetrotzt wurde, errichtet ist.«

Mr. Hitchens' Kopf tauchte aus der Versenkung auf, und er und Mrs. Pollifax bestaunten den riesigen Betonkomplex mit Hotels, Einkaufszentren, Bürohochhäusern und Restaurants. Dann bogen sie in die Chong Wan Road ein und erreichten über die Austin Road schließlich die Nathan Road, Kowloons wohl berühmteste Straße, in der die westliche Zivilisation den traditionellen chinesischen Lebensstil noch nicht verdrängt hatte.

»Nun, da Sie wieder sichtbar und ansprechbar sind«, sagte Robin zu Mr. Hitchens, »würde ich gerne hören, was genau Alec Wi Ihnen gestern über seinen Vater erzählt hat. Sie sind mir da einen Schritt voraus, denn bis vor ein paar Tagen wußte ich nicht einmal, daß Alec wieder in Hongkong ist, und alle meine bisherigen Versuche, ihn zu kontaktieren, schlugen fehclass="underline" Er ging weder ans Telefon, noch war er zu Hause, wenn ich bei ihm vorbeisah.«

»Wahrscheinlich war er unterwegs, um seinen Vater zu finden«, meinte Mr. Hitchens. »Er konnte mir leider auch nur sehr wenig sagen; nur, daß sein Vater Inspektor bei der Polizei von Hongkong sei, daß er vor ein paar Wochen besonders aufgebracht und wütend gewesen sei - ein Umstand, der offenbar etwas mit seiner Arbeit zu tun hatte - und daß er ganz überraschend seinen Abschied aus dem Polizeidienst genommen habe, um wegen einer wichtigen Sache zu recherchieren. Worum es dabei ging, sagte er Alec allerdings nicht. Und eines Morgens war dann sein Bett leer gewesen. Er hatte auch die Nacht nicht darin geschlafen. Er war spurlos verschwunden, und drei Tage später schickte mir Alec ein Telegramm und rief mich zu Hause in Massachusetts an, denn die Polizei tappte nach wie vor im dunkeln.«