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»Laß sie doch erst mal ausreden«, schlug Marko vor. »Darf man fragen, weshalb er Sie treffen will?«

»Natürlich. Wie es scheint, hat es eine... eh... kleine Verwechslung mit den Buddhas gegeben«, erwiderte sie, »und der, den er mir geschenkt hat, war für ein Kloster in Kyota bestimmt.«

»Das nimmst du ihm doch um Himmels willen nicht etwa ab!« brauste Robin auf.

»Das tut sie nicht. Robin«, mischte sich Marko ein, der Mrs. Pollifax genau beobachtete. »Du bist etwas voreilig heute morgen, mein Lieber. Nun setz dich endlich hin und hör auf, wie ein Verrückter hier rumzurennen!«

Es klopfte, und Mrs. Pollifax öffnete die Tür. Der Zimmerkellner schob den Wagen mit dem Frühstück herein, verbeugte sich und zog sich wieder zurück. Mrs. Pollifax goß Kaffee ein und reichte Robin und Marko ihre Tassen. Ohne Begeisterung stocherte sie in ihren Spiegeleiern herum, nahm einen Bissen und entschloß sich dann doch für den Kaffee. »Wie gesagt, ich habe euch einiges zu erzählen und ich fürchte, ich muß euch mit Einzelheiten und Details traktieren...«

»Wir sind ganz Ohr«, brummte Robin.

»Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß sich Carstairs auf dem Holzweg befindet, was Detwiler anbelangt. Und deshalb war auch ich ganz zwangsläufig auf der falschen Spur.«

»Und wie kommst du auf diesen Gedanken?« erkundigte sich Robin mißtrauisch.

»Punkt eins«, sagte sie und spreizte den Daumen ihrer linken Hand in die Höhe. »Bei meinem Besuch bei Feng-Imports am Montag bat mich Detwiler in das Hinterzimmer des Ladens, nachdem Mr. Feng bereits behauptet hatte, er kenne keinen Sheng Ti. Das gab mir zu denken. Mr. Detwiler bestand sogar darauf, daß ich in sein Atelier kam, und nach einem heftigen Streit zwischen den beiden blieb Mr. Feng nichts anderes übrig, als seinen Ärger hinunterzuschlucken... Und Punkt zwei...«, sie ließ ihren Zeigefinger dem Daumen folgen, »...Mr. Detwiler bestand darauf, mir eine sehr wertvolle Buddhastatue zu schenken.« s

Robins und Markos Blicke wanderten zu der Buddhafigur auf dem Schreibtisch.

»Ein bemerkenswert schönes Exemplar«, stellte Marko fest.

»Den er jetzt aber wieder zurückhaben will«, ergänzte Robin ironisch.

»Genau. Reichlich merkwürdig, nicht wahr?« stimmte sie zu und fuhr fort: »Punkt drei: Er bat mich, ihm den Zettel zu zeigen, auf dem Bishop die Adresse von Feng-Imports geschrieben hatte. Er warf einen Blick darauf und, ohne daß ich damals begriffen hätte, worauf er hinaus wollte, sagte er: >Sie haben tatsächlich die einzige Informationsquelle ausfindig gemacht, die über Sheng Tis Aufenthaltsort Bescheid weiß. Niemand sonst hat eine Ahnung, daß sich Sheng Ti hier aufhält. <«

»Weshalb auch nicht?« sagte Robin. »Er hat doch jahrelang für Carstairs gearbeitet - nicht? Er kann ohne weiteres Bishops Schrift erkannt haben.«

»Ja, das glaube ich auch«, sagte sie. »Er hat Bishops Schrift erkannt... und gab mir dann den Buddha - den Buddha, den er jetzt zurückhaben will. Ich glaube, Detwiler hatte gar nicht die Absicht, Carstairs und das Ministerium hinters Licht zu rühren.«

»Wie bitte?«

Sie nickte bekräftigend. »Ich glaube, er hat während der letzten zwei Monate ganz bewußt verzerrte Berichte geschickt, mit der Absicht, Carstairs Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und in der Hoffnung, Carstairs würde jemanden nach Hongkong schicken, der der Sache auf den Grund geht.«

»Du machst Scherze!« warf Robin dazwischen.

Sie schüttelte den Kopf. »Er wußte sofort, daß ich im Auftrag Carstairs' nach Hongkong gekommen war; zum einen, weil ich nach Sheng Ti fragte, und zum anderen, weil er Bishops Schrift erkannte.«

»Aber weshalb hat...?«

»Ich glaube, Detwiler steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten«, fuhr sie ohne sich unterbrechen zu lassen fort. »Ich konnte zunächst einfach nicht verstehen, weshalb ich nur am ersten Tag von dem Mann mit dem Diplomatenköfferchen beschattet wurde... Inzwischen bin ich überzeugt, Detwiler wollte nur herausfinden, in welchem Hotel ich wohne, und wagte nicht, mich direkt zu fragen - aus Angst, jemand könnte es hören. Der Mann mit dem Diplomatenköfferchen arbeitet für Detwiler. Detwiler war es auch, der den Mann beauftragt hat, gestern nacht in mein Zimmer einzudringen.«

»Aber aus welchem Grund denn?« fragte Robin immer noch ungläubig.

»Um den Buddha zu stehlen, natürlich«, erwiderte sie. »Ich habe viel zu lange gebraucht, bis ich das begriffen habe, denn ich bin immer davon ausgegangen, daß bei Feng-Imports Detwiler die Zügel in der Hand hält. Er mußte den Buddha einfach wieder zurückhaben, und als der Einbruchsversuch mißglückte, blieb ihm nur mehr dieser Anruf heute morgen übrig. Nichts paßte zusammen - bis ich heute nacht anfing, die Teile des Puzzles herumzuschieben, mit ihnen zu jonglieren, sozusagen ... Die Tatsache, daß Detwiler zwei Monate nicht zu Hause war, erschien mir unerklärlich... , und dann dieser seltsame Verlauf meines Besuchs bei Feng-Imports ... , dieser dilettantische Einbruchsversuch..., der Umstand, daß er und Inspektor Wi befreundet gewesen waren... In dem Augenblick, als ich Detwiler nicht länger als Verräter betrachtete, paßte mit einem Mal alles zusammen, und ich begriff,in welchen Schwierigkeiten Detwiler steckt: Er wird gefangengehalten -bei Feng-Imports in der Dragon Alley.«

»Verdammt! Wollen Sie damit etwa sagen, daß...« setzte Marko an.

Sie nickte. »Wer sonst, als Mr. Feng? Ein kleiner Erpressungsversuch und etwas Druck auf Mr. Detwiler wegen seiner Spionagetätigkeit; dazu die Anwendung von Drogen, um seinen Willen zu schwächen und ihn gefügig zu machen - Sheng Ti war absolut sicher, was die Drogen anbelangt... Es war wichtig, daß Detwiler mir den Buddha ganz offen gegeben hat; quasi als einen Akt der Großzügigkeit getarnt. Aber ich glaube, daß er von Feng später unter Druck gesetzt und gezwungen wurde zuzugeben, was er getan hat. Nun verlangt man von ihm, den Buddha wieder herbeizuschaffen.«

»Du meinst, Mr. Feng verlangt das von ihm«, staunte Robin.

Sie nickte. »Ja... Was wissen wir eigentlich über Mr. Feng?«

»Was wissen Sie von Feng?« präzisierte Marko.

»Eine zwielichtige Figur«, antwortete sie. »Ein Geschäftsmann, dessen Laden als Deckadresse für Detwilers nachrichtendienstliche Aktivitäten benutzt wird. Ein Mann, der auf den ersten Blick den Anschein erweckt, vom Leben gezeichnet zu sein und der scheinbar nur mehr als passiver Zuschauer daran teilhat. Als ich Feng-Imports verließ, hatte ich jedoch diesen Eindruck gründlich revidiert: Ich halte ihn für eiskalt, berechnend und gerissen, und die Art, wie er mich gemustert hat, verriet ungeschminkte Feindseligkeit.«

»Aber daß er mit Terroristen unter einer Decke steckt...«

Mrs. Pollifax zuckte die Achseln. »Wir können uns nur nicht vorstellen weshalb... Aber weshalb eigentlich nicht?«

Robin pfiff durch die Zähne. »Wir müssen unverzüglich alle verfügbaren Informationen über Feng einholen; eine relativ leichte Übung, jetzt, wo wir Kontakt mit dem Sonderdezernat haben... Aber wie paßt der Buddha in das Bild?«

»Sehr gut sogar«, sagte Mrs. Pollifax. »Wenn ich mich in bezug auf Detwiler nicht gewaltig irre, dann ist der Buddha der eigentliche Grund, weshalb er es wagte, sich mit Feng anzulegen und mich in das Hinterzimmer des Ladens zu bitten... Und wenn Feng tatsächlich sein Drogenlieferant ist und ihn unter Druck setzt, dann war dies ein äußerst bravouröser und mutiger Zug von Detwiler. Ich könnte mir vorstellen, daß Det-wiler früher - ehe er von Drogen abhängig gemacht wurde -große Ambitionen hegte. Als ich in seinem Laden auftauchte, hatte er gerade einen seiner besseren Tage, und er war bereit, alles zu wagen.«

Sie ging zum Schreibtisch, nahm den Buddha und brachte ihn Robin. »Es muß irgend etwas Besonderes an dem Buddha sein, daß Detwiler es riskierte, ihn mir zu geben. Ich hoffe, wir brauchen ihn nicht zu zerbrechen; er ist einfach zu schön...«