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>Es sei denn... Merkwürdige dachte sie, >wie sehr der Gärtner Sheng Ti ähnlich sieht! <

>Nun sehe ich schon Gespenster<, stellte sie schicksalsergeben fest. >Sheng Ti ist ganz bestimmt kein Gärtner und sitzt jetzt sicherlich völlig verängstigt im Laden in der Dragon Al-ley...< Verstört durch die Streiche, die ihr ihr verwirrter Geist spielte, sah sie schnell zur Seite, ehe der Gärtner die Gestalt von Robin oder Cyrus annehmen konnte.

Sie betraten das Foyer des Gipfelturms, eine nüchterne, riesige Halle ganz aus Beton; kalt und deprimierend, wie alles an diesem Tag. >Die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren<, dachte Mrs. Pollifax düster und fühlte den Lauf einer Waffe in ihrem Rücken, der sie nach rechts dirigierte. Sie heftete ihren Blick auf die Reihe der Aufzüge und steuerte darauf zu. Ein Mann stand vor den Aufzügen und wartete offenbar darauf, nach oben zu fahren. Es überraschte sie nicht im geringsten, daß der Mann Cyrus täuschend ähnlich sah. Offenbar war es eines der ersten Symptome des Wahnsinns, die Welt mit bekannten Gesichtern zu bevölkern.

Der Mann, der wie Cyrus aussah, blickte ihnen interessiert entgegen, wobei sein Blick etwas länger bei Mrs. Pollifax zu verweilen schien, als bei den übrigen. »Guten Morgen«, grüßte er aufgeräumt. »Diese verdammten Fahrstühle werden von Tag zu Tag langsamer.«

»So?« knurrte Eric der Rote barsch.

>Er hat so sanfte Augen<, dachte sie verwirrt. >Ganz wie Cyrus... Und seine Stimme.. .< Die Ähnlichkeit mit Cyrus' Stimme war derart verblüffend, daß Tränen in ihre Augen stiegen. Aber Cyrus war in einer ganz anderen Welt... Er war noch nicht einmal in Hongkong... Mißtrauisch starrte sie dem Mann ins Gesicht und haßte ihn dafür, daß er sie so sehr an Cyrus erinnerte.

»Ah...«, machte der Mann, »jetzt scheint endlich einer zu kommen.« Er musterte die Gruppe, die sich zu ihm gesellte, und mit einem gutmütigen, verständnisvollen Nicken in Richtung der Waffen fragte er: »Wohl ein Manöver der Armee - wie es scheint?«

»Mmm...«, brummte Carl vage.

Ungeduldig richteten sich die Blicke aller auf den ankommenden Fahrstuhl, doch Mrs. Pollifax warf einen zweiten verstohlenen Blick auf den Mann, der wie Cyrus aussah. Er stand jetzt dichter bei ihr, und sie mußte ihren Blick gewaltsam von seinem Gesicht reißen, als der Fahrstuhl mit einem scharrenden Geräusch hinter der Tür zum Stehen kam.

Sie hatte angenommen, in ihrem Zustand könne sie nichts mehr erschüttern... Sie hatte angenommen, der Aufzug würde leer sein... Sie hatte angenommen...

Die Tür glitt zur Seite, und Mrs. Pollifax stieß einen schrillen Schrei aus, als sie sich plötzlich mit einer dichtgedrängten Schar von Männern konfrontiert sah - und einer Phalanx von schwarz-starrenden Gewehrmündungen. Männer der >Befreiungsfront 8o<, die ihre Maschinenpistolen auf sie gerichtet hatten! Das Massaker! Das Ende! Doch plötzlich - der Schleier ihrer Fieberfantasie schien auf wunderbare Weise zu zerreißen - erkannte sie die Gesichter Markos, Robins, Kruggs und Upshots unter den Männern im Aufzug, und sie begriff, daß sie nicht halluziniert hatte, daß der Gärtner draußen vor dem Turm tatsächlich Sheng Ti gewesen war, und der Mann, der neben ihr stand, war Cyrus! Cyrus wie er leibt und lebt!

»Runter, Emily!« rief Cyrus, während er sich gegen Mrs. Pollifax warf und sie und Alec zu Boden riß. Die Maschinenpistolen ratterten los und spien ihre tödlichen Feuergarben über Mrs. Pollifax hinweg.

EPILOG

»Ein paar Amateure mußten kommen und uns zeigen, wie der Hase läuft«, stellte Marko mit einem breiten Grinsen fest und schüttelte noch immer ungläubig den Kopf. »Der Gouverneur steht noch immer unter Schock und die Interpolzentrale übt sich in ungläubigem Staunen, denn für sie sind Amateure Relikte aus der Steinzeit.«

»Total aus der Mode gekommen«, stimmte Robin zu, und zu Mrs. Pollifax gewandt, gestand er: »Es war Cyrus, ganz allein Cyrus, der uns aus unserer Lethargie gerissen hat. Wenn er nicht gewesen wäre... «

Sie saßen um einen Tisch im Goldenen-Lotus-Saal, in dem alles begonnen hatte. Mrs. Pollifax' Gedanken kehrten zum vergangenen Montag zurück, zum gemeinsamen Frühstück mit Mr. Hitchens, der sie auf Lars Petterson, den drittreichsten Mann der Welt, aufmerksam gemacht hatte. Nun war es Freitag, und noch immer konnte sie kaum fassen, was in den fünf Tagen alles geschehen war. Am meisten jedoch erstaunte sie die Tatsache, daß sie hier inmitten ihrer Freunde saß und sich ihres Lebens freute.

Doch wenn sie ehrlich war, mußte sie zugeben, daß sie nur mit einem Teil ihres Bewußtseins anwesend war, denn noch immer schwankte sie zwischen dem Hier und Jetzt und jener düsteren, gewalttätigen Welt hin und her, der sie so knapp entronnen war. Trotzdem hatte sie darauf bestanden, bei der Verabschiedung Markos und Robins dabeizusein, die um Mitternacht nach Rom zurückflogen. Zwar war es für sie sehr anstrengend, längere Zeit auf einem Stuhl zu sitzen, doch die einzige Alternative - so hatte sie Cyrus gegenüber argumentiert war, flach auf dem Bauch zu liegen; dies jedoch war nicht nur ermüdend, sondern auch fürchterlich langweilig.

»Betrachtet man im nachhinein die näheren Umstände und die strategischen Voraussetzungen dieses versuchten Terroranschlags, dann sind wir wirklich nur äußerst knapp einem schrecklichen Blutbad entgangen«, stellte Marko fest. »Die Stellung auf dem Victoria Peak ist praktisch uneinnehmbar, und wenn die Regierung Hubschrauber, Polizei, Armee und Marine eingesetzt hätte...« Er schüttelte den Kopf. »Beim geringsten Anzeichen hätten die Terroristen ihre Raketen auf die Stadt abgefeuert und Hunderte oder gar Tausende von Unschuldigen getötet. Eine Handvoll Leute kann sich dort oben mehrere Tage halten und jedes beliebige Ziel in der Stadt unter Beschuß nehmen.«

>Genau das wäre geschehen<, dachte Mrs. Pollifax und nickte bekräftigend. Sie zweifelte nicht im geringsten daran, denn sie hatte - wenn auch nur kurz - die Bekanntschaft der >Befreiungsfront 8o< gemacht. Marko kannte die Psyche und die rücksichtslose Entschlossenheit dieser Männer, und er wußte, wovon er sprach...

Nachdem alles vorbei war, hatte man Mrs. Pollifax in einem Krankenhaus gründlich untersucht und geröngt. Sie hatte sich jedoch beharrlich geweigert, in dem Krankenhaus zu bleiben und war Cyrus nicht mehr von der Seite gewichen. Sie hatte es vorgezogen, sich den kundigen Händen Dr. Chiangs anzuvertrauen, der ihren Rücken mit Kräutersalben behandelt und ihr ein Beruhigungsmittel, Antibiotika und eine Tetanusspritze gegeben hatte. Cyrus hatte ihr eine Hühnerbrühe und Tee eingeflößt, und sie hatte den ganzen Nachmittag geschlafen. Zwar würde sie die Narben am Rücken ihr ganzes Leben lang behalten, meinte Dr. Chiang, doch ihre Beziehung zum CIA und ihre Rolle als Geisel hatte sie vor schlimmeren Qualen bewahrt - wie er ihr versicherte -, um ihr dann in aller Ausführlichkeit die kunstvolleren Foltermethoden der zivilisierten Welt zu schildern.

Mrs. Pollifax hatte ihm aufmerksam zugehört, um in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grund sie Dankbarkeit empfinden müsse, sobald die brennenden Schmerzen in ihrem Rücken nachließen, und sie war schließlich zu der Erkenntnis gelangt, daß sie tatsächlich unwahrscheinliches Glück gehabt hatte.

Als sie am Nachmittag nach sechs Stunden Schlaf erwachte, waren die Schmerzen bereits erträglicher gewesen, und sie fühlte sich mittlerweile wieder soweit erholt, daß sie nun neugierig fragte: »Erzählt mir doch! Ich möchte alles hören.«