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»Stimmt schon«, sagte Freds augenblicklich. »Ziemlich hoch oben. Verdammt hoch oben. Man kann nicht mehr viel höher kommen.«

Natürlich hätte ich wissen müssen, daß so eine Bemerkung Leute wie die Engländer nur noch zusätzlich anspornte.

»Man müßte es machen wie damals Woody Sayres«, fuhr Freds fort. »Das war 1962, oder? Sie brachten Sherpas dazu, ihnen über Cho Oyo auf den Nup La zu helfen, und schlugen sich dann zum Everest, wo sie den Gyachung Kang besteigen wollten. Sie nahmen ein einziges Lager den ganzen Weg zum Everest mit hinauf und kehrten auf dieselbe Art zurück. Sie waren nur zu viert und hätten ihn fast erklettert. Und der Nup La ist dreißig Kilometer weiter vom Everest entfernt als der Lho La. Der Lho La liegt praktisch direkt darunter.«

Mad Tom schob seine Brille die Nase hinauf, zog einen Kugelschreiber hervor und stellte auf dem Tisch Berechnungen an. Marion nickte. Trevor füllte all unsere Gläser mit Chang. John sah über Mad Toms Schulter und murmelte ihm etwas zu; anscheinend waren sie für die Vorräte verantwortlich.

Trevor hob sein Glas. »Na schön«, sagte er. »Machen wir mit?«

Sie alle hoben ihre Gläser. »Wir machen mit.«

Sie toasteten ihrem Plan zu, und ich starrte sie entsetzt an, als ich hörte, wie die Tür knarrte, und sah, wer die Küche verließ. »He!«

Ich sprang auf und zerrte Arnold McConnell in den Raum zurück. »Was hast du hier zu suchen?«

Arnold versteckte etwas hinter seinem Rücken. »Gar nichts. Weißt du, ich wollte mir nur mein abendliches Glas Milchteeholen …«

»Er ist es!« rief Marion. Sie griff hinter Arnold und zog seine Kamera hinter seinem Rücken hervor; er versuchte, sie festzuhalten, doch Marion war stärker als er.

»Spionierst mich wieder aus, was? Filmst uns aus irgendeiner dunklen Ecke?«

»Nein, nein«, sagte Arnold. »Ich kann im Dunkeln doch gar nicht filmen.«

»Filmt in Zelt«, sagte Laure prompt. »Nachts.«

Arnold funkelte ihn an.

»Hör mal, Arnold«, sagte ich. »Weißt du, wir haben hier nur einen draufgemacht, ein kleines privates Gespräch über ein paar Bechern Chang. Nichts Ernstes.«

»Oh, ich weiß«, versicherte Arnold mir. »Ich weiß.«

Marion stand auf und sah auf Arnold hinab. Sie ergaben ein ulkiges Paar — sie so groß und schlank, er so klein und stämmig. Marion drückte auf ein paar Knöpfe auf der Kamera, bis die Videokassette hinaussprang, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sie konnte einen wirklich furchterregend anfunkeln. »Das ist wohl derselbe Film wie heute morgen, als du mich aufgenommen hast, wie ich geduscht habe, oder?« Sie sah uns an. »Ich war in der kleinen Duschkabine, die sie da aufgebaut haben, und der Blechkübel mit dem heißen Wasser war irgendwie verklemmt. Ich mußte die Tür einen Spalt öffnen, um hinaufzugreifen und ihn zu lösen, und da merkte ich plötzlich, daß dieser Perverse mich filmte!« Sie lachte wütend. »Ich wette, du warst ziemlich zufrieden mit dem Material, was, du Vojeur?«

»Ich wollte gerade aufbrechen, um Yaks zu filmen«, erklärte Arnold schnell und sah mit einem bewundernden Blick zu Marion hinauf. »Dann standest du vor mir, und was sollte ich tun? Ich bin Filmemacher, ich filme schöne Dinge. Ich könnte dich in den Staaten zu einem Star machen«, sagte er ernst. »Du bist wahrscheinlich die schönste Bergsteigerin auf der ganzen Welt.«

»Und das bei der Konkurrenz«, warf Mad Tom ein.

Ich behielt recht, was Marions Reaktion auf ein derartiges Kompliment betraf: Sie errötete bis zu den Haarwurzeln und überlegte, ob sie ihm einen Knuff versetzen sollte — und hätte es wohl auch getan, wenn sie allein gewesen wären.

»… Abenteuerfilme in den Staaten, für die PBS und die Skigebiete«, fuhr Arnold fort, kaute auf seiner Zigarre und rollte mit den Augen, als Marion mit der Kassette zum Ofen ging.

Die Sherpani hielt sie zurück. »Stinken«, sagte sie.

Marion nickte und nahm die Videokassette in beide Hände. Ihre Unterarme spannten sich, und man konnte plötzlich jeden Muskel sehen. Und da waren ziemlich viele; sie sahen aus wie dünne gebündelte Drähte unter der Haut. Wir alle sahen hin, und instinktiv hob Arnold die Kamera auf die Schulter, bevor ihm einfiel, daß sie ja leer war. Diese Tatsache ließ ihn zusammenzucken, und er fummelte in seiner Jackentasche nach einem Ersatz, als die Kassette in der Mitte zerbrach und das Videoband herausfiel. Marion gab sie der Sherpani, die sie grinsend in eine Kiste mit Kartoffelschalen fallen ließ.

Wir alle sahen Arnold an. Er kaute auf seiner Zigarre und zuckte die Achseln. »Auf die Art kann ich dich nicht zum Star machen«, sagte er und bedachte Marion mit einem lüsternen Blick. »Wirklich, du solltest mir eine Chance geben. Du wärest toll.«

»Ich würde es vorziehen, wenn du jetzt gehst«, sagte Marion zu ihm und deutete auf die Tür.

Arnold ging.

»Dieser Bursche könnte uns Ärger machen«, sagte Freds.

7

Freds sollte recht behalten.

Aber Arnold war nicht die einzige Ursache für Ärger. Meines Erachtens benahm sich Freds selbst etwas eigenartig. Doch wenn ich an die verschiedenen Schrullen dachte, die er in letzter Zeit an den Tag legte — seine Erklärung, sein Freund Kunga Norbu sei ein Tulku, und nun sein plötzliches Eintreten für die Rettet-Mallorys-Leiche-Kampagne —, konnte ich es mir einfach nicht zusammenreimen. Es ergab keinen Sinn.

Als Freds’ Trupp und meine Trekkinggruppe also am selben Morgen von Pheriche talaufwärts aufbrachen, ging ich eine Weile mit Freds zusammen. Ich wollte ihm einige Fragen stellen. Doch es waren eine Menge Leute auf dem Trail, und es war nicht einfach, einen Augenblick unter vier Augen mit ihm sprechen zu können.

Als Eröffnung sagte ich: »So, jetzt hast du also eine Frau in deinem Team.«

»Ja, Marion ist toll. Sie ist wahrscheinlich die beste Kletterin von uns allen. Und unglaublich stark. Du kennst doch diese Wände in Hallen, die sie in England zum Üben haben?«

»Nein.«

»Na ja, das Wetter ist so schlecht da, und die Kletterer sind so fanatisch, daß sie diese zehn oder zwölf Meter hohen Wände in Turnhallen aufgebaut haben, mit Mörtel überzogen und kleinen Handgriffen.« Er lachte. »Es sieht scheußlich aus — kleine alte Turnhallen mit schlechter Beleuchtung und ohne Heizung, und die ganzen Leute ziehen sich da Betonwände hoch, als sei das eine neue Foltermethode … Auf jeden Fall war ich mal in so einer Halle und hab’ mich zu einem Wettrennen mit Marion überreden lassen, die beiden steilsten Wände hinauf. Die Leute wetteten auf uns, und die Regel besagte, daß einer von uns ganz nach oben mußte, wollten die Leute die Wetteinsätze kassieren. Aber wegen einem Loch in der Decke war die Wand feucht, und ich kam etwa bis zur Hälfte hinauf. Also hatte sie gewonnen, aber wollten die anderen den Wetteinsatz kassieren, mußte sie ganz hinauf. Mit dem Leck war es wirklich unmöglich, aber alle, die auf sie gewettet hatten, riefen ihr zu, sie sollte es versuchen, und so biß sie einfach die Zähne zusammen und fing an, diese Bewegungen zu machen, Mann« — Freds ahmte sie mit der Hand in der Luft nach, während wir marschierten — »und sie machte sie ganz langsam, damit sie nicht runterfiel. Sie hing an den Fingerspitzen und Zehen da oben, und ich schwöre bei Gott, sie muß drei Stunden da gehangen haben. Alle anderen hörten mit dem Klettern auf, um ihr zuzusehen. Ein paar Jungs gingen nach Hause, ein paar baten sie, wieder runterzukommen, ein paar hatten Tränen in den Augen stehen. Schließlich kam sie dann doch noch ganz rauf und kroch zu der Leiter, um wieder runterzukommen, und die Leute haben sie auf die Schulter genommen. Sie hätten sie fast zur Königin gekrönt. Eigentlich ist sie schon Königin, zumindest, was die englischen Kletterer betrifft — wenn die echte käme, und Marion wäre da, würde niemand auf Lisbeth achten.«