„Die Aktivatoren müssen in die Schlitze hineingeschoben werden. Dann setzt man den Verstärker auf den Kopf…“
Ich entriß Dihn Ruuu sowohl die Scheiben als auch das Band und schob die Aktivatoren mit zitternden Fingern in die Aussparungen hinein. Dihn Ruuu enthielt sich jeder Stellungnahme. Am gegenüberliegenden Ende der Halle drehte sich Dr. Schein um, sah zu mir zurück und rief: „Was machen Sie da, Tom?“
„Nichts“, gab ich zurück und hob den Gedankenverstärker zum Kopf hinauf.
Ich ließ den Gedankenverstärker sinken, bis er meine Schläfen berührte.
Ich hatte das Gefühl, als würde mir ein Nagel durch die Schädeldecke gehämmert. Ich taumelte. Möglicherweise stürzte ich zu Boden. Ich konnte nichts mehr sehen. Zungen aus Feuer leckten in meinem Hirn. Mein Bewußtsein tropfte aus dem Körper heraus, durchstreifte die weite Halle, nur vom Willen gelenkt…
… und begegnete einem anderen Bewußtseinsinhalt…
Kontakt!
Eine leise Stimme sagte…
Wer ist da? Wer ruft mich an?
Tom Rice, entgegnete ich.
Aber Sie sind kein TP!
Jetzt bin ich es.
Ich wußte, mein Geist berührte den von Davis, den des Telepathen der Stolz des Alls. Ich fühlte mich diesem Fremden näher und enger verbunden als jemals irgendeinem anderen Menschen. Unsere Egosphären trafen sich und hätten miteinander verschmelzen können. Doch ich gab angesichts meiner neuen Kraft einen solch intensiven ätherischen Jubelruf von mir, daß sich Davis benommen und schmerzerfüllt von mir zurückzog und seinen Geist vor mir verschloß. Aber das spielte keine Rolle. Ich konnte keinen Schmerz mehr wahrnehmen, weder fremden noch eigenen. Ich entfernte mich von Davis… trieb weiter fort…
Ins All hinaus.
Wie einfach es war, die Lichtjahre zu überspringen! Mit Staunen und Ehrfurcht durchstreifte mein Bewußtsein die Galaxis. Ich spürte, wie mir hier und dort Gedankenimpulse entgegensickerten, strahlende Lichtspuren, die die Dunkelheit durchteilten, als sich andere TPs fragten, wer dieser Fremde sein mochte.
Und dann empfing ich die Stimme, die ich die ganze Zeit über gesucht hatte.
Tom, wie wunderbar! Das hätte ich nie für möglich gehalten!
Ich auch nicht, Lorie. Ich auch nicht.
Mein Geist konzentrierte sich nur noch auf den meiner Schwester und der ihre auf meinen, die anderen Telepathen zogen sich zurück und umgaben uns mit einer Sphäre des Schweigens, ließen uns ungestört in Verbindung treten.
In diesem Augenblick der Vereinigung erfuhren wir all das, was es vom anderen zu erfahren gab. Sie entnahm mir jedes Detail, das ich in den Nachrichtenwürfeln aufgezeichnet hatte, alles über die Langeweile des Ultraraum-Fluges nach Higby V, alles über die Entdeckung von Dihn Ruuu, alles bis hin zu dem Augenblick, als ich den Gedankenverstärker aufsetzte. Lorie braucht die Würfel nicht abzuspielen. Sie kennt bereits jetzt die ganze Geschichte meiner Abenteuer.
Und mit dem ersten aufgeregten Höhepunkt unseres Kontakts wurde mir die Essenz dieses gelähmten Mädchens bewußt, das meine Schwester ist, und ich stellte fest, daß ich sie vorher überhaupt nicht richtig gekannt hatte. Es war dumm von mir gewesen, sie zu bemitleiden und zu verhätscheln, sie von meinem eigenen Glück abzuschirmen zu versuchen, auf daß sie nicht neidisch wurde. Sie ist alles andere als bemitleidenswert, alles andere als neidisch. Sie ist stark, stärker vielleicht als alle anderen Menschen der Galaxis. Und ihre Lähmung macht ihr nichts aus, denn sie hat überall Freunde und beneidet niemanden, mich am allerwenigsten. In der Vereinigung unseres Bewußtseins entdeckte ich, daß in Wirklichkeit ich der Krüppel gewesen bin — ausgeschlossen aus der glänzenden TP-Welt. Während ich sie bemitleidet hatte, hatte Lorie Mitleid mit mir gehabt, und ihr Mitleid ist weitaus intensiver und begründeter gewesen.
Jetzt war alles Mitleid überflüssig geworden.
Das ist Jan, sagte ich und übersandte ihr ein entsprechendes Bild.
Sie ist hübsch, Tom. Ich bin sicher, ihr werdet glücklich zusammen. Aber warum gibst du den Verstärker nicht auch ihr?
Ja. Ja, das mache ich. Jetzt… sofort…
Doch in diesem Augenblick spürte ich ein übermächtiges Zerren. Meine Verbindung zu Lorie wurde unterbrochen, und ich war allein, schrecklich allein, wieder eingesperrt im Kerker meines eigenen Schädels.
„Er kommt wieder zu sich!“ sagte die Stimme Dr. Scheins. „Es scheint mit ihm alles in Ordnung zu sein.“
Ich schlug die Augen auf. Lang ausgestreckt lag ich auf dem kalten, steinernen Boden der weiten Halle. Alle standen dicht gedrängt und besorgt um mich herum. Saul hatte mir den Verstärker vom Kopf genommen. Jan klammerte sich ängstlich an Pilazinool. Ich versuchte aufzustehen, schwankte benommen und schaffte es erst beim zweiten Anlauf.
„Gib mir das Ding!“ schrie ich und griff nach dem Verstärker.
Saul hielt ihn außer Reichweite. „Tom, dieses Gerät kann gefährlich sein!“ sagte Dr. Schein. „Sie wissen nicht…“
„Sie wissen nichts!“ rief ich und stürzte mich auf Saul, der kapitulierte und mir den Verstärker übergab. Ich vermutete, die anderen müssen geglaubt haben, ich sei verrückt geworden. Erschrocken traten sie von mir zurück. Ich winkte Dihn Ruuu herbei und befahl ihm, mir einen zweiten Verstärker zu geben.
Der Roboter gehorchte und schob die Aktivierungsplaketten selbst hinein. „Hier“, sagte ich zu Jan. „Setz ihn auf den Kopf!“
„Nein, Tom, bitte nicht… ich habe Angst.“
„SETZ IHN AUF“, sagte ich. Und sie setzte ihn auf, bevor irgend jemand sie daran hindern konnte. Ich schob mir den Verstärker ebenfalls auf den Kopf und schloß die Augen. Diesmal spürte ich so gut wie keinen Schmerz mehr, als mein Bewußtsein die Fesseln des Körpers abstreifte, und ich tastete mich hinaus und begegnete Jan.
Hallo, sagte ich.
Hallo, entgegnete sie, und unsere Egosphären trafen und vereinigten sich zu einer einzigen.
Das also war die Geschichte von elf Archäologen, die auszogen, um irgendwelche Scherben uralter Artefakte auszugraben und schließlich einen totalen Wandel in der Natur des menschlichen Lebens herbeiführten. Übrigens nicht nur des menschlichen. Die Gedankenverstärker funktionieren bei allen organischen Lebensformen, und somit können zum erstenmal auch Aliens am TP-Netz teilhaben. Allein auf Mirt lagern genug Verstärker, um damit die Bevölkerungen von einem Dutzend Planeten zu versorgen.
Morgen verlassen wir Mirt. Vielleicht kehren wir nie zurück. Vielleicht wird das, was wir begonnen haben, von anderen zu Ende geführt, während wir uns um andere Fundstellen kümmern. Wir haben Mirt nur besichtigt; etwas anderes zu behaupten wäre Unsinn.
Wir müssen fort von hier. Wir müssen eine Bestandsaufnahme machen, um einen Überblick darüber zu bekommen, was wir bisher alles entdeckt haben. Erst dann können wir uns an die wirkliche Entschleierung der Geheimnisse der Mirt-Korp-Ahm-Zivilisation machen. Alles ist viel zu schnell gegangen; wir müssen unser Gleichgewicht wiederfinden.
Heute nachmittag werden Jan und ich eine traurige kleine Wallfahrt unternehmen. Es war ihre Idee. „Wir müssen ihnen danken“, sagte sie.
„Wie sollen wir das bewerkstelligen? Sie haben alle Verständigungsmöglichkeiten abgestreift.“
„Das spielt keine Rolle. Wir verdanken ihnen soviel, Tom.“
„Gut, dann komme ich mit. Nach dem Mittagessen?“
„Nach dem Mittagessen, ja.“
Jan wird gleich hier sein. Dann werden wir in die Tiefen von Mirt hinabsteigen. Sie hat recht: Wir verdanken ihnen soviel. Diese Verschmelzung des Bewußtseins, meine neue Fähigkeit, mich zu Lorie hinauszutasten… soviel. Ein letzter Besuch also, um den Mirt Korp Ahm Lebewohl zu sagen und zu versuchen, ihnen für das zu danken, was sie uns hinterlassen haben. Wir werden vor einer Kristallwand stehen und auf einen unfaßbar alten Erhabenen blicken, der sich in den Träumen eines Zeitalters von Größe und Ruhm verloren hat. Und wir werden ihm sagen, daß wir seine Nachfolger sind, jene, die das Universum mit Leben erfüllen, das sie einst besaßen, wir eifrigen kleinen Sucher. Und ich glaube, ich werde ihn bitten, für uns zu beten — wenn die Erhabenen überhaupt zu irgend etwas beteten. Denn ich habe das Gefühl, wir werden eine Menge Fehler machen, bevor wir mit jenen Kräften umzugehen gelernt haben, die uns auf so sonderbare Art und Weise geschenkt wurden.