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Um eine Überlagerung schnellstmöglich abzutragen, benutzt man einen hydraulischen Heberaum. Bei dieser Arbeit handelt es sich um nichts weiter als um ein äußerst zielgerichtetes Spülen und Abpumpen: Man schiebt die Schläuche genau im richtigen Winkel in den Hang des Hügels hinein, dreht das Wasser auf und zack! Die Überlagerung wird abgeschnitten und weggespült. Dr. Schein und Leroy Chang verbrachten einen halben Tag damit, Druckstärken und Spülwinkel zu berechnen. Dann stopften wir die Schläuche in den Hang, warfen die Kompressoren an, und innerhalb von fünf Minuten gelang es uns, etwa die obersten zwanzig Meter des Hügels abzutragen. Theoretisch hätten wir unsere Fundstelle nun freigelegt haben müssen.

Theoretisch.

Die Praxis sieht anders aus. Unsere modernen technischen Apparaturen verleiten uns manchmal zu der Annahme, die Archäologie sei eine einfache Sache. Aber Geräte können versagen, und in vielerlei Hinsicht unterscheiden wir uns nicht so sehr von den einfachen Pionieren vor vierhundert Jahren, die mit Picken und Schaufeln herumhackten, bis sie gefunden hatten, wonach sie suchten.

Unser Problem scheint darin zu bestehen, daß Dr. Scheins Vermessungen vom letzten Jahr ein wenig fehlerhaft sind und daß die Fehlerquote schwankt. Was bedeutet, er hat sich in einigen Punkten weitgehender geirrt als in anderen. Das ist verzeihlich: Bei einer Untergrundvermessung handelt es sich um eine schwierige Angelegenheit, selbst wenn man Neutrino-Magnetometer und Sonarsonden und Dichtesensoren zur Verfügung hat. Das macht es aber nicht leichter. Wir wissen, direkt vor uns liegen unglaubliche Schätze aus Relikten der Erhabenen (Zumindest glauben wir, daß wir das wissen.). Doch bis jetzt haben wir sie nicht gefunden.

Mirrik rackert sich heldenhaft ab, um die restliche Überlagerung abzutragen. Das muß manuell bewerkstelligt werden, denn wir sind zu nah an der vermuteten obersten Schicht der Erhabenen-Fundstelle, als daß wir es riskieren könnten, ein so umfassend wirkendes Hilfsmittel wie einen hydraulischen Hebebaum einzusetzen. Kelly wartet unmittelbar hinter Mirriks gewaltiger linker Schulter, und ab und zu holt sie mit ihrem Bohrkern einige Bodenproben hervor. Der Rest von uns schaufelt Dreck beiseite, wartet ungeduldig, spekuliert, spielt Schach und langweilt sich reichlich.

Das Wetter ist nicht gerade frühlingshaft. Zum Glück findet zumindest unsere Arbeit unter dem Kunststoffschild statt, doch es schirmt nur die Fundstelle selbst ab. Und jene, die hier tatsächlich beschäftigt sind. Um von den Aufblashütten hierher zu gelangen, müssen wir eine freie Fläche von rund hundert Metern überqueren, mit einer Chance von vier zu eins, daß es regnet, zehn zu eins, daß ein sturmartiger Wind weht, und fünfzig zu eins, daß die Luft so kalt ist, um einem fast das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Wenn es regnet, dann nieselt es nicht nur. Der Wind weht ganz gewiß Tonnen von Staub und feinem Sand heran. Und die Kälte ist von einer Art, die einen nicht einfach nur belästigt, sondern quält. Einigen von uns macht sie nichts aus, wie etwa Pilazinool, auch wenn er enorme Probleme mit Sand in seinen Scharnieren hat. Dr. Horkkk stammt von einem kalten Planeten — man kann sogar im System einer so flammenden Sonne wie Rigel auf kühle Planeten stoßen, wenn sie weit genug vom Zentralgestirn entfernt sind, und er weiß eine frische Brise sehr zu schätzen. Mirrik macht sie nichts aus, weil er eine so dicke Haut hat. Wir anderen fühlen uns ein wenig ungemütlich.

Die Landschaft ist keine Augenweide. Einige Bäume und Sträucher, nur aufgrund ihrer Eigenschaft, die oberste Bodenschicht festzuhalten, ausgewählt und angepflanzt, nicht um ihrer Schönheit willen. Niedrige Hügel. Krater. Pfützen.

Vater würde sich ins Fäustchen lachen, wüßte er von meinen düsteren Gedanken, denen ich die ganze Woche über nachgehangen habe. „Geschieht dem naiven Dummkopf ganz recht!“ würde er sagen. „Soll er in seiner Archäologie einsäuern! Soll er mit ihr zusammen verknöchern!“

Du hast Glück gehabt, Lorie. Du hast die wirklich scheußlichen Familienkonferenzen verpaßt, die sich mit meiner Berufswahl auseinandersetzten. Vater verabscheut es, viel Lärm zu machen, wenn wir dich besuchen. Du hast auch so eine ordentliche Dosis der Auseinandersetzungen mitbekommen, aber es war nicht einmal eine Prise dessen, was zu Hause los war.

Ich muß sagen, ich war von Vater ziemlich enttäuscht, als er an meinem Wunsch, Archäologe zu werden, herumzumäkeln begann.

„Such dir einen richtigen Beruf!“ schrie er immer wieder. „Laß dich zum Ultraraum-Piloten ausbilden, wenn du hinauswillst in die Galaxis! Hast du eine Ahnung, wieviel Moos die verdienen? Oder von der Höhe ihrer Pensionen? Vom ganzen Geldausgeben haben sie entzündete Daumen. Oder werde zu einem Juristen für interplanetares Recht, ja, das ist ein Beruf! Die Vergehen und strafbaren Handlungen von Aliens! Das Pfänden von Vermögenswerten auf Welten mit nichtverbaler Kommunikation! Unendliche Möglichkeiten, Tom, unendliche! Weißt du, ich kenne einen Juristen auf Capella XII: Er ist nur auf dem Gebiet von Farbveränderungs-Garnituren und Metamorphkostümen tätig, und er hat ein Auftragspolster von zehn Jahren für sich und seine sechs Angestellten!“

Solltest du dir dies jemals anhören, Lorie, dann hoffe ich, du weißt die Geschicklichkeit zu schätzen, mit der ich die Stimme unseres Herrn und Meisters nachahme. Ich habe den richtigen Tonfall aus mit herzlicher Väterlichkeit gemischter unaufrichtiger Heuchelei getroffen, nicht wahr? Nein, vergiß das wieder. Eigentlich ist Vater kein Heuchler. Er bleibt nur seinen eigenen Prinzipien treu.

Wir wissen alle, er ist kein intellektueller Typ, doch zumindest ich habe gespürt, daß er trotz seines intensiven Bemühens, Geld anzuhäufen und einen fleißigen Daumen zu behalten, ein gewisses Interesse auch an subtileren Werten hat. Schließlich besitzt er einen akademischen Grad von Fentnor, und wenn es sich auch nur um Betriebswirtschaft handelt — Fentnor läßt keine Analphabeten gehen. Ich hatte auch den Eindruck, daß Vater alles andere ist als eine Art reaktionärer Eigenbrötler, der seinem Sohn die Berufswahl zu diktieren versucht. Er erschien mir immer als aufgeschlossener Mensch, als jemand mit der Devise,Leben und leben lassen.’

Deshalb verletzte es mich, als er meine Absicht, mich mit der Archäologie zu beschäftigen, so hart verurteilte.

Sein eigentlicher Wunsch ist kein Geheimnis: Er möchte, daß ich in seine Fußstapfen trete, ebenfalls ins Immobiliengeschäft einsteige und es schließlich von ihm übernehme. Aber Immobilien bedeuten mir nichts, und ich hab’ ihm das doch schon damals, als ich sechzehn war, deutlich gemacht, nicht wahr? Vater findet seine persönliche Befriedigung — vom Geld ganz zu schweigen —, darin, auf fernen Welten seine Instant-Slums aus Parapithlit-Platten zu errichten, und ich vermute, für ihn ist das eine schöpferische Angelegenheit. Ich gebe zu, einige seiner Projekte waren genial, wie etwa die Kette von Schwebehäusern in der riesigen Gaswelt im Capellasystem oder das Hochschwerkraft-Einkaufszentrum mit ineinander verschachtelten Zentrifugen, das er für die Multiwirbler aus dem Boden stampfte. Nichtsdestotrotz — mir hat es immer an der nötigen Begeisterung für diese Sache gefehlt.

Nun, warum sollte ich mich auch auf einem „nützlichen“ und „profitablen“ Arbeitsgebiet betätigen, um zwei von Vaters bevorzugten Adjektiven zu zitieren? Welche bessere Verwendung gibt es für seine überquellenden Bankkonten als die, daß sie seinem Sohn gestatten, sich dem Studium der reinen Wissenschaft zu widmen?

Wie etwa dem Ausgraben von uralten Relikten auf scheußlich kalten und stürmischen Planeten.

Genug davon. Dir gegenüber brauche ich nicht über Vaters Verbohrtheit zu jammern, denn ich glaube, du teilst meine Empfindungen und bist — wie üblich — hundertprozentig auf meiner Seite. Vater ging seinen Weg, ich gehe meinen, und vielleicht gibt er nach einiger Zeit nach und verzeiht es mir, daß ich den Prozessen in Hinsicht auf Farbveränderungs-Garnituren und all den Wohnungsbauprojekten den Rücken gekehrt habe. Und wenn nicht, dann werde ich auch so irgendwie dem Hungertod entgehen und mich mit dem beschäftigen, was mir am meisten Freude macht, der Archäologie.