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«Redet ihr von meinen Jobs?«Ich bleibe sitzen. Sollen sich die drei ruhig bedrohlich fühlen, aufdringlich und unverschämt.

«Sieh mal, Will, die Nachtschicht und das alles, das ist doch sowieso zu viel für einen allein. «Jetzt markiert Alfred den netten Onkel, der es gut meint mit seinem Neffen.»Du kannst nicht vierundzwanzig Stunden in diesem Kasten hocken. Das ist ungesund.«

«Genau!«sagt Harvey.»Du bist jung! Hier drin verschwendest du deine Begabung!«

«Mit deiner Intelligenz stehen dir alle Türen offen«, sagt Dobbs.

«Türen? Begabung? Wovon zum Teufel redet ihr?«Ich würde gerne aufstehen, aber bleierne Müdigkeit hat meinen Körper befallen. Außerdem wäre ich dann noch immer ein paar Zentimeter kleiner als Dobbs, der Kleinste der drei.

«Wir haben ein paar Seiten aus deinem Buch gelesen, die du weggeworfen hast«, sagt Alfred und tut, als sei er wegen dieser Indiskretion ein wenig zerknirscht.

«Sie lagen im Abfalleimer«, sagt Dobbs.

«Jedenfalls bist du hochtalentiert, Will!«Alfred zeigt mit dem Finger auf mich.»Du musst raus ins Leben!«Er deutet zur Tür, als läge dahinter eine vor Möglichkeiten berstende Welt.

Harvey nickt.»In diesem Loch zu vergammeln ist eine Sünde!«

Eine Zeitlang betrachte ich den polierten Boden. Alfred, Harvey und Dobbs setzen sich wieder auf das Bett.

«Du findest bestimmt problemlos einen Job«, sagt Alfred.»Und eine neue Bleibe«, sagt Harvey.

Ich sehe die drei an.»Warum sollte ich mir eine neue Bleibe suchen?«Dobbs senkt den Blick. Harvey sieht Alfred an, der sich räuspert.»Hat Randolph es dir noch nicht gesagt?«

Ich schüttle den Kopf.»Nein, hat er nicht.«

«Nun ja, es ist so«, sagt Alfred, dem der Part des Übermittlers schlechter Neuigkeiten auf den Leib geschneidert ist,»der Besitzer des Hotels… wie heißt er noch gleich?«

«Greenwood«, sagt Dobbs.

«Greenberg«, sagt Harvey.

«Wie auch immer, jedenfalls hat er beschlossen, das Hotel nur noch für Männer zugänglich zu machen, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben.«

«Was?«

«Ein Hotel für reife Herren.«

«Hotel für reife Herren?«rufe ich, und meine Stimme kippt ein wenig.

«Nun ja, Absteige für alte Säcke trifft es wohl eher. «Harvey lacht, und Alfred und Dobbs stimmen mit ein, hören aber auf, als sie sehen, dass ich das alles überhaupt nicht witzig finde.

Eine Weile sitzen wir schweigend da. Ich versuche die Wut auf Randolph aufzukochen, um sie über das Trio auszuschütten, aber es gelingt mir nicht. Ich bin eine Figur in einem abgekarteten Spiel, ich erkenne einen Zaunpfahl, wenn man damit vor meinem Gesicht winkt. Von hier verschwinden soll ich, schon kapiert. Die drei Heinis glotzen mich an, Dobbs scharrt mit dem Fuß. Ich würde ihnen gerne sagen, dass sie mir tierisch auf die Nerven gehen, und sie dann mit Arschtritten aus dem Zimmer befördern.

Stattdessen sage ich:»Wir wollten doch noch den Boden in deinem Zimmer machen, Al.«

«Du wolltest den Boden in meinem Zimmer machen«, sagt Alfred.»Ich mag den Teppich.«

«Der Teppich ist versifft«, sage ich. Ich höre mich überdeutlich, mein Ton ist trotzig.

«Ich habe ihn schaumgereinigt.«

«Ich dachte, du ziehst bald aus.«

«Wohl eher nicht. Iris und ich… na ja. «Alfred presst mit einem Geräusch Luft durch die Lippen. Dobbs und Harvey tätscheln synchron seine Knie.

Ich nicke mit hängendem Kopf. Im dunklen, glänzenden Holz kann ich mein Gesicht erkennen. Ich hasse die dumpfe, dumme, ewig gleiche Traurigkeit darin.

Am Nachmittag stehe ich mit meinem Koffer und einem Seesack, den ich bei Winston gekauft habe, vor Alices Haus. Es kommt mir vor, als läge ein ganzes Leben zwischen dem Tag, an dem ich die Wohnung verlassen habe, und heute. Irgendwie stimmt das ja auch. Ich setze mich neben dem Eingang auf den Seesack und warte. Leute gehen vorbei, zwei Kinder in Superheldenkostümen rennen zwischen ihnen hindurch. Miss Talbott, die auf derselben Etage wie Alice wohnt, tritt mit einem altertümlichen Radiogerät im Arm aus dem Haus und sieht in den graublauen Himmel. Ihre silbernen Haare stecken unter einer Plastikhaube, an den Füßen trägt sie winzige rosa Gummistiefel. Ein Seufzer entfährt ihrem blutrot geschminkten Mund, als sei sie enttäuscht, dass es nicht regnet. Sie wirft einen kurzen Blick auf mich, scheint mich nicht zu erkennen und geht über die Straße. Das Kabel, das aus dem Radio hängt, berührt beinahe den Boden.

Es ist Abend, als Alice, beladen mit einer Papiertüte vom Supermarkt, im langsamen Strom der Passanten auftaucht. Sie sieht mich und bleibt stehen, dann rennt sie auf mich zu. Ich erhebe mich, und sie lässt die Papiertüte mehr oder weniger fallen, und wir umarmen uns. Nach einer Weile sieht sie mich an, in ihren Augen liegen Bestürzung und Freude, ihre Hände halten meinen Kopf und streichen durch meine Haare, die viel zu lang geworden sind. Gleich weint sie, aber dann steht plötzlich Batman neben uns und hält eine Apfelsine in der ausgestreckten Hand.

Alice braucht einen Moment, bis sie begreift, dann sagt sie:»Möchtest du sie behalten?«

Der kleine Junge schüttelt den Kopf, drückt ihr die Frucht in die Hand und rennt mit flatterndem Umhang davon, verschwindet zwischen den Leuten. Ich helfe Alice beim Aufsammeln der übrigen Apfelsinen, nehme mein Gepäck und folge ihr ins Haus.

Am nächsten Morgen fahren wir in die Bronx. Alice hat gestern Abend mit Nathalie Kerkowski telefoniert und unseren Besuch angekündigt. Im Taxi hält sie meine Hand und versucht erst gar nicht, mit mir zu reden. Ich bin so nervös, dass mir schlecht ist, mein leerer Magen schaukelt im Rhythmus des Verkehrs. Es ist der erste sonnige Tag des Jahres, jedenfalls der erste, den ich wahrnehme. Licht füllt den Wagen aus, ein trüber weißer Dunst, der warm auf der Haut liegt. Die halbe Nacht lang haben wir geredet, danach konnte ich kaum schlafen.

Alice bestand darauf, dass ich meine Geschichte zuerst erzähle, und ich fing mit dem Hotel der alten Männer an, dem Ausgangs- und Schlusspunkt meiner Reise im Kreis. Dazwischen lag ein wirrer, vermutlich lückenhafter Bericht von Abstürzen und Umnachtung, vom Treibenlassen in der Stadt der Selbstmörder, von gescheiterten Anläufen einer Rückkehr ins Leben und misslungenen Versuchen meines Verschwindens aus der Welt. Das meiste, was ich erzählte, erschreckte Alice. Ich brachte sie aber auch beinahe zum Lachen, als ich Sams Petition gegen die Ziegen erwähnte und Mazurskys Auftritt an Spencers Beerdigung beschrieb. Wir tranken Kaffee, und um Mitternacht machte Alice Pfannkuchen, weil wir beide das Abendessen vergessen hatten.

Alice hörte einfach nur zu. Wenn ich stockte, saß sie da und wartete, bis ich fortfuhr. Dann war die Reihe an ihr. Sie hatte damals gedacht, ich würde ein paar Tage für mich alleine brauchen, mich irgendwann bei ihr melden und zurückkommen, wenn ich so weit wäre. Nach einer Woche begann sie sich ernsthaft Sorgen zu machen, aber Ernest und Rebecca meinten, ich sei jung und durch die Begegnung mit meinem Vater verwirrt, aber bestimmt wohlauf. Zehn Tage wartete Alice, dann ging sie zur Polizei, wo man ihre Angst um mich nicht sehr ernst nahm und ihr riet, Geduld zu haben. Von Typen wie mir wimmle es in New York City, sagte man ihr, ich würde entweder nie mehr auftauchen, irgendwann gefunden oder bald von alleine nach Hause kommen.

Harold, Louise und George kamen zu Besuch, und Harold verbrachte mehrere Tage damit, in einem Mietwagen durch Brooklyn zu fahren und nach mir zu suchen. Im Reformkostladen und in Alices Geschäft hingen Plakate mit meinem Bild, und diesmal gab es für Hinweise auf meinen Verbleib zweihundert Dollar Belohnung. Aus Sorge, nicht da zu sein, wenn ich mich blicken ließe, verschob Alice ihre Reise nach Florida, wo Trevor und Clive auf sie warteten. Alice hatte ihnen nichts von meinem Verschwinden erzählt und holte es nach, worauf die beiden unverzüglich nach New York fliegen und eine groß angelegte Suche starten wollten. Nur die von Alice erwogene Möglichkeit, ich könnte mich nach Cape Coral durchschlagen und bei ihnen klingeln, vermochte sie von ihrem Vorhaben abzubringen.