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Die Bilder zeigten ein Hochhaus, aus dem eine Blase gelben Feuers wuchs, und einen Mann mit schwarzem Gesicht, der Wilbur an den Krieger erinnerte, dessen Fotografie er in einem Bildband über Afrika gesehen hatte. Auf dem Bild, das Wilbur am meisten faszinierte, saß ein Mann, den Rücken gegen eine Wand gelehnt, am Boden und hielt einen Revolver in der Hand, mit dem Cowboys auf Indianer schossen. Der Mann trug ein weißes Unterhemd wie der Mechaniker, der im Sommer fast im aufgerissenen Maul von Orlas Auto verschwunden war. Das Unterhemd des Mannes, der müde aussah und trotzdem stark, war zerrissen und blutbefleckt, sein Gesicht und seine Arme waren schmutzig und mit Schnitten übersät.

Orla ging mit Wilbur rasch weiter zum nächsten Schaukasten, in dem bunte Bilder eines Trickfilms hingen, und sagte etwas, das Wilbur nicht verstand, weil er nicht zuhörte. Er schielte zum Bild mit dem blutüberströmten Mann, während Orla redete, und er fragte sich, was mit dem Mann passiert sein mochte. An Conor dachte er, dem Blutspritzer als schiefe Spur über das Hemd gelaufen waren, Punkte einer unsichtbaren Krawatte.

Zwei Halbstarke stellten sich vor die Schaukästen, beide in schwarzen steifen Lederjacken, in denen sie steckten wie Käfer in ihren Panzern. Der eine erzählte dem anderen von dem Film, schuf beidarmig Explosionen, stieß ihn aufgeregt lachend in die Seite und ahmte mit geiferndem Mund und die Hände um ein unsichtbares Gewehr geklammert etwas nach, das Wilbur, der heimlich und beeindruckt zuhörte, als Schüsse deutete. Orla warf den beiden einen verärgerten Blick zu und verließ mit Wilbur, den sie noch immer trug, den Eingangsbereich des Kinos. Es war später Nachmittag geworden, die Vorstellungen hatten schon begonnen, und wenn sie nach Hause wollten, bevor es dunkel wurde, mussten sie los. Orla setzte Wilbur ab, nahm seine Hand und versprach, mit ihm in den nächsten Tagen ins Kino nach Letterkenny zu fahren, wo der Trickfilm ebenfalls gezeigt wurde.

Während sie zum Parkhaus gingen, erzählte sie ihm von einem Film über ein Rehkitz, den sie gesehen hatte, aber Wilbur war nicht mehr interessiert an sprechenden Tieren. Er wollte wissen, wer dieser Mann auf dem Bild war und wozu er die Waffe benutzte, obwohl es in dem Film keine Indianer zu geben schien. Doch er fragte Orla nicht, ging neben ihr her, abwesend zuhörend. Seine Hand rutschte aus ihrer, und Orla griff danach und umschloss sie fester.

Drei Wochen nach dem Vorfall auf dem Pausenhof musste Wilbur wieder zur Schule. Seine Hände waren verheilt, die Finger beweglich wie zuvor. Machte er eine Faust, zuckte ein dumpfer Schmerz in den Knöcheln, eine Erinnerung an die Schläge, die er ausgeteilt hatte, eine Mahnung, es nicht wieder zu tun. Blicke begleiteten ihn auf dem Weg zum Schulgebäude, misstrauische, feindselige, bewundernde, jeden Morgen. Niemand sprach ihn an, nicht Conor und schon gar nicht dessen Schattentrio. Der großmäulige Niall McCoy, der im Schutz von Conors Rücken keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Wilbur mit einem derben Spruch einzuschüchtern, senkte den Kopf, tat, als suche er die Schuhe nach verbotenem Schmutz oder den Boden nach einer geheimen Inschrift ab. Sean und Liam gaben vor, Wilbur nicht zu bemerken. Tauchte er auf, unterhielten sie sich mit einem plötzlichen Eifer über das letzte Hurlingspiel oder einen Fisch, den sie angeblich gefangen hatten, und wenn Wilbur zufällig in ihre Richtung sah, erwiderten sie für den Bruchteil einer Sekunde seinen Blick wie schlechte Statisten, die in die Kamera glotzen, bevor sie erneut die erröteten Köpfe zusammensteckten.

Miss Ferguson nahm Wilburs Anwesenheit zur Kenntnis, mehr nicht. Sie verzichtete auf eine Moralpredigt vor versammelter Klasse, was Wilbur ein wenig enttäuschte. John kaufte Orangen statt Äpfel, Mister Smith einen neuen Hut, diesmal einen grauen. Noch immer flogen vor den Fenstern Vögel, aber Wilbur sah ihnen nicht mehr nach. Geschichte und Geografie interessierten ihn, vergangene Zeiten und ferne Länder vermochten ihn aus der Lethargie zu holen, in die er die meiste Zeit versank. Immerhin hörte er den Ausführungen Miss Fergusons mit einem Ohr zu und musste nicht mehr aufstehen und beweisen, dass er nicht tagträumte.

Zum Nachsitzen wurde er kaum noch verurteilt, und wenn doch, schrieb er in seiner neuen, eckigen Schrift die Sätze hin, lauschte dem leisen Wimmern, das Conor entwich, und fühlte fast so etwas wie Mitleid. Sein ehemals ärgster Feind war harmlos geworden und ging ihm aus dem Weg. Conor Lynchs Wesen schien sich seit jenem Ereignis ebenso verändert zu haben wie die Form seiner Nase. Still und in sich gekehrt, schlurfte er über den Schulhof, aß nachdenklich sein Pausenbrot und vermied es, in die Ecke zu geraten, in der Wilbur ihm gezeigt hatte, wozu ein Mensch fähig war, wenn man eine Linie überschritt, die unsichtbare Grenze zu einem Land, wo Ungeheuer lebten. Er strahlte eine seltsame Ruhe aus, die von Verwunderung und Trauer genährt wurde. Fast jeden Tag stand er auf der Mauer und blickte mit hängenden Schultern über das Feld, auf dem Orla manchmal hüpfte, und sah dabei aus wie ein vergreistes Kind, das mit dem unerwarteten Verlauf seines Lebens hadert.

Die Steine waren zu schwer, zu tief verankert in der Erde. Sie bildeten das Fundament, ein Auge im zerzausten Grün der Wiese, Stechginsterbüsche die Brauen, hohes gelbes Gras die Wimpern. Ein Kran hatte sie in ihre Lage geschwenkt für alle Ewigkeit. Moos wuchs an ihren rauhen Seiten, Flechten überzogen sie mit einem weißen Muster. Eamon ging hin und her als flackernde Pupille, wusste nicht, was zu tun war, und wartete auf neue Zeichen. In wütenden Anläufen zerrte der Wind Wolkenfetzen über eine See, die in bleierner Ruhe versunken war.

Ein Sonnenstrahl schlingerte über den Hügel, schliff Halme zu Messerklingen und verharrte an einer Stelle, bis Eamon endlich stehenblieb und den Blick hob. Zwischen verfilztem Gras wuchs der Stiel eines Werkzeugs, und als Eamon ihn umfasste und anhob, brach das morsche Ende und ließ den rostigen Klotz eines Hammers in der Erde zurück. Gedankenlos vor Erschöpfung und erfüllt von rasendem Eifer, kniete Eamon sich hin und barg mit beiden Händen den Kopf aus Metall, wischte Erde davon ab und betrachtete ihn, als sei er aus dem Himmel gefallen. Das Eisen lag kalt in seinen Handflächen, und es dauerte lange, bis sein Verwendungszweck ihm dämmerte.

In der Werkstatt schälte er mit einem Meißel das verfaulte Holz aus dem Loch und schlug mit der Axt einen Zaunpfahl zurecht. In der Unordnung, die von staubbedeckten Spinnweben zusammengehalten schien, fand er einen Metallkeil, hielt ihn in der Hand und erinnerte sich nach einer Weile, wozu er da war. Dann setzte er sich inmitten der Verwahrlosung auf den Boden und sah aus der Tür. Launische Böen fuhren ins Gras, aus dem kleine Vögel wirbelten und in dem sie flatternd wieder verschwanden. Der Pfad, auf dem vor langer Zeit die Schafe zu den Weiden trotteten, war zugewachsen und holte in Eamon keine Erinnerung hervor. Da war kein Korridor mit Bildern und Stimmen, kein Licht und Glück und keine Musik. Da war nur ein Loch, gegraben von einem Tier, das längst tot war. Die Kälte aus dem Boden wuchs in Eamon empor, aber er spürte sie nicht. Er ging auf alle viere und zog sich an der Steinmauer hoch, nahm das Werkzeug und stapfte zurück an seinen Bestimmungsort. Er dachte nicht an die Zeit, nicht an die Tage und Wochen, die vor ihm lagen, als er den Keil an den Stein setzte. Er hatte vergessen, dass es ein Leben gab, ein Ende und einen Sinn. Als der Hammer auf den Keil traf und Splitter aus dem Fels schlug, war ihm auch die Existenz der Sonne entfallen, die endlich durch die versprengten Wolken brach und seinen krummen Rücken aus der Farblosigkeit des Hügels löste, um ihn zu wärmen, um ihn zu verhöhnen.