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»Das ist ein Wort so kräftig wie spanischer Wein«, sagte der Baron zufrieden, und nun gab er dem Collalto die Hand frei.

Es wurde vereinbart, daß der Zweikampf mit Degen, jedoch ohne Sekundanten ausgetragen werden sollte. Dann gingen die beiden auseinander, und kurze Zeit darauf verließ der Baron, ohne von dem Berka-Fräulein Urlaub zu nehmen, die Gesellschaft und das Haus.

Der junge Collalto ging indessen in einen von den Nebenräumen, dort traf er den Hausherrn, den Zdenko von Lobkowitz, am Kartentisch. Er setzte sich neben ihn und sah eine Weile dem Spiel zu. Dann fragte er:

»Kennen Euer Liebden hier einen, der sich Baron Juranic nennen läßt?«

»Sieh mal her, das hier ist ein Spiel, bei dem gilt die grüne Sieben alles«, erklärte ihm der Herr von Lobkowitz. »Ich spiel' es heute zum erstenmal. Den Juranic? Ja, den kenn' ich.«

»Gehört er zu uns? Ist er von Adel?« erkundigte sich der Collalto. »Er hat recht bäurische Manieren.«

»Der Juranic? Er mag bäurische Manieren haben, ist aber doch von gutem, echtem Adel«, sagte der Zdenko Lobkowitz, der alle adeligen Stammbäume im Kopfe hatte und daher in Fragen der Herkunft wie kein zweiter Bescheid wußte.

Der Collalto sah wiederum eine Weile hindurch dem Spiele zu.

»Es ist zum Lachen«, meinte der Zdenko Lobkowitz. »Wenn einer in diesem Spiele die grüne Sieben und den Schellenbuben hat, dann kann er spielen, wie er will, er mu ß gewinnen. Sonst aber, — so viel kann der Meisl-Jude gar nicht borgen, wie man in diesem Spiel verlieren kann, wenn man mit seinem Kopf nicht bei der Sache ist. Was ist's mit dem Lorenz Juranic? Hat er im Trinken excediert?«

»Nein, aber ich hatte dennoch Händel mit ihm«, berichtete der Collalto. »Ich werd' mich heute nacht noch mit ihm treffen.«

Der Zdenko Lobkowitz legte die Karten aus der Hand.

»Mit dem Juranic?« rief er mit gedämpfter Stimme. »Dann geh nur gleich und empfiehl dich der göttlichen Protection! Der Juranic ist ein mörderischer Fechter.«

»Ich weiß aber meinen Degen auch recht gut zu gebrauchen«, erklärte der Collalto.

»Was, deinen Degen! Er wird dich an deinen Ohren zu packen bekommen, der Juranic«, sagte der alte Edelmann. »Glaub mir, es ist nicht gut mit ihm anzubinden, ich kenn' ihn. Schlag dich mit dem Teufel, aber nicht mit dem Lorenz Baron Juranic. Geh und bring die Sache in Ordnung, es wird dir an deiner Ehre kein Abbruch geschehen, wenn du dich excusierst, oder soll ich es für dich tun?«

»Ich werd' es Euer Liebden vermelden, wenn die Sache in Ordnung gebracht ist«, sagte der Collalto.

Das große Rondeau im Kinskyschen Garten war einer der Orte, an denen der Prager Adel seine Streitigkeiten mit dem Degen auszutragen pflegte. Es war ein Rasenplatz, um den ein Kiesweg lief, und in der Mitte des Rasens gab es zwischen zwei einsam stehenden Ulmen eine Fontäne, deren Plätschern man schon von weitem hören konnte. Ein steinerner, mit Moos bewachsener Meergott lag hingestreckt auf einem Felsenriff, und die Meermädchen, Tritonen und Sirenen aus verwittertem Sandstein, die am Rande des Bassins kauerten, sandten ihre sich kreuzenden Wasserstrahlen auf das Schilfrohr, auf das Felsenriff und in steilem Bogen zum Himmel empor.

Hier auf dem Rasen traf der Collalto den Baron, der zwei kroatische Diener mit sich gebracht hatt, die Fackeln trugen, denn der Mond stand im letzten Viertel. Diese beiden Kroaten, Kerle mit verwegenen Schnauzbärten und mit Haarsträhnen, die im Nacken zu einem dicken Knoten zusammengeflochten waren, standen in gebückter Haltung vor den Steinfiguren der Fontäne, bekreuzten sich und murmelten Gebete.

»Für meine Leute«, erklärte der Baron dem Grafen Collalto, »ist diese Wasserkunst ein großes Mirakel, sie haben dergleichen noch nie gesehen. Sie glauben, in dem Neptun dort den heiligen Laurentius zu erkennen, meinen Schutz- und Namenspatron, und die Meerweiber und die Tritonen halten sie für Engel, die vom Himmel herabgesandt sind, um diesem heiligen Märtyrer beizustehen und ihm mit ihren Wasserstrahlen Kühlung zu bringen, denn er liegt auf dem Rost. Ja, meine Kroaten sind fromme Leute und große Verehrer der Heiligen, und sie würden hier durch alle Kirchen auf den Knien rutschen, wenn es nicht auch Trinkstuben in der Stadt gäbe.«

Er wies den beiden Dienern ihre Plätze an, so daß der Rasen und der Kiesweg im Lichtschein ihrer Fackeln lagen. Die beiden Gegner traten einander im vorgeschriebenen Abstand gegenüber und grüßten einander mit den Degen. Dann warf der Collalto einen Kieselstein, den er vom Boden aufgelesen hatte, steil in die Höhe, sie standen beide regungslos und horchten, und sowie er niederfiel, begann der Kampf.

Er dauerte nicht lange. Der Collalto, der in seinem Leben schon manchen fremden Bock mit dem Degen durchlöchert hatte, sah sich diesmal einem Gegner gegenüber, der es mit vieren zugleich hätte aufnehmen können: Drei von ihnen hätte er, wie man so sagt, auf seinen Hut gesteckt und den vierten gefragt, ob ihrer noch mehr seien. Der Baron Juranic war wahrhaftig, was ihn der Lobkowitz genannt hatte, — ein mörderischer Fechter. Anfangs rührte er sich nicht von der Stelle und ließ den Collalto seine Ausfälle machen. Dann aber trieb er ihn mit Degenhieben und Degenstößen den Kiesweg entlang und über den Rasen bis zur Wasserkunst, fragte ihn dazwischen, ob es ihm nicht zu kühl sei und wann er seinen Vetter, den Franz Collalto, zuletzt gesehen habe, jagte ihn zweimal um das Bassin und wieder über den Rasen auf den Kiesweg und den gleichen Weg zurück, und dann nahm die Sache ein Ende. Der Graf Collalto fand sich in einer Situation, in der kein Widerstand und kein Retirieren möglich war. Er hing, nach Atem ringend, mit dem Oberkörper über den Rand des Bassins hinaus, und der Degen des Barons war auf seine Brust gerichtet.

»Das wäre somit erledigt«, sagte der Baron, »und ich könnte dem Herrn meinen Degen so leicht und mit ruhigem Gewissen durch den Leib jagen, wie ich ein Glas Wein trinke. All den Nöten und Drangsalen dieser armen Welt wär' der Herr enthoben.«

Der Collalto schwieg. Von den Wasserstrahlen der Tritonen sprühten kalte Tropfen in sein Gesicht. Und das Sonderbare war, daß ihn jetzt, nach diesen Worten erst, eine beklemmende Angst befiel, eine Angst so stark, wie er sie während des Zweikampfs nicht empfunden hatte.

»Was hält der Herr«, fragte der Baron, »von der heiligen Barmherzigkeit? Hat man ihm auch soviel davon erzählt, wie lieblich sie dem allmächtigen Gott ist und wie große Verdienste sich der erwirbt, der sie übt?«

»Wenn der Herr mir mein Leben läßt«, sagte der Collalto, von Angst geschüttelt, »so wird er für alle Zeiten einen wahren Freund an mir besitzen.«

Der Baron stieß einen kurzen und scharfen Pfiff aus.

»Ich hab' um des Herrn Freundschaft nicht geworben«, erklärte er, »wüßt' auch nicht, was mit ihr beginnen.«

In diesem Augenblick hörte der Collalto eine leise Musik, ein Flötenspielen, ein Geigen und ein Trommeln. Es war die feierlich bewegte Weise einer Sarabande, die sich hinter den Büschen vernehmen ließ und langsam näher kam.

»Vielleicht ist der Herr im Tanzen geschickter als mit dem Degen«, fuhr der Baron fort. »Mit Fechten hat der Herr sein Leben an mich verspielt, mit Tanzen kann er es von mir zurückgewinnen.«

»Mit Tanzen?« fragte der Collalto, und es schien ihm plötzlich, als ob dies alles, die Stimme des Barons, das Plätschern der Fontäne, die Degenspitze an seiner Brust und die Musik, die jetzt ganz aus der Nähe erklang, nur ein schwerer Traum wäre.

»Mit Tanzen, jawohl. Wenn der Herr sein Leben behalten will, so wird er tanzen«, sagte der Baron, und wiederum flammte die Säbelnarbe an seiner Stirne auf. »Der Herr hat's dahin gebracht, daß die junge Demoiselle über mich gelacht hat. Der Herr wird tanzen.«