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»Und deine hundert Sklaven und Diener und deine ich weiß nicht wieviel Frauen, — die soll ich dir glauben?« fuhr der alte Mann streitsüchtig fort. »Freilich, — etliche Frauen hab' ich auch gehabt, ich hatte aber nur Verdruß mit ihnen, denn hier in der Bottic-Gegend taugen die Weiber alle nichts. Wenn ich mir wieder eine nehme, dann will ich mir sie von weiterher holen, aus fremden Gegenden, aus Michle oder aus Jessenitz. Aber daß du den wahren Glauben verlassen hast und ein Türke geworden bist, das war nicht recht von dir und gefällt mir gar nicht. Mit der ewigen Seligkeit ist es für dich Essig.«

»Bei wem die Wahrheit ist, ob bei euren Pfaffen oder bei den unsrigen, das mag Gott erkennen«, erwiderte der Besucher.

»Du bist mir ein verstockter Bursche geworden«, sagte der alte Mann verdrießlich.

Eine Weile aßen sie schweigend. Dann fragte der Gärtner:

»Wen hast du oben in der Burg getroffen?«

»Den Zdenko Lobkowitz«, gab der Besucher zur Antwort. »Er ist recht alt geworden.«

»Das kommt von der Lebensweise«, erklärte ihm der Gärtner. »Er sollt's machen wie ich, tagsüber Kohlrüben, Rettiche und Botkohl, morgens und abends eine Milchsuppe und eine Schnitte Kornbrot dazu, — das erhält jung. Hast du auch Seine Majestät, den Kaiser, gesehen?«

»Seine Majestät, der Kaiser, hat mich empfangen«, berichtete der Besucher.

Der alte Mann warf einen Blick auf die Stubentüre, ob sie geschlossen sei.

»Er soll aber schon recht schwach im Kopfe sein, sagen die Leute«, bemerkte er sodann.

»Der? Schwach im Kopf?« rief der Besucher. »Von all denen, die um ihn sind, ist er der klügste. Nicht einen Augenblick lang hat er sich beirren lassen von meinem seidenen Staatsgewand, von meinem Turban und den Saffianschuhen, von meinem Bart und von dem Smaragd an meiner Hand. Der nicht.«

Der alte Mann hörte zu essen auf und blickte seinen Besucher fragend an.

»Ja, Vater, er hat mich erkannt. Nach soviel Jahren hat er mich erkannt«, sagte der Heinrich Twaroch halb stolz, halb traurig.

Der entwendete Taler

Der junge Sohn Kaiser Maximilians II., der spätere Kaiser Rudolf II., der eben aus Spanien, wo er am Hofe König Philipps seine Erziehung erhalten hatte, zurückgekehrt war, ritt einstmals, ohne jedes Gefolge und auch von keinem seiner Diener begleitet, von Prag nach seinem Schlößchen Benatek, um dort etliche Tage zu verbringen. Nun geschah es aber, daß er bei einbrechender Dunkelheit vom Weg abkam und immer tiefer in einen dichten Wald geriet, der kein Ende nehmen wollte, und wie er nun mit seinem Reitpferd nicht mehr weiterkonnte und sich damit abzufinden begann, die Nacht unter den Tannenbäumen auf dem feuchten Moos zu verbringen, da sah er in einiger Entfernung den Schein eines Feuers. Er meinte, daß sich dort vielleicht Holzfäller oder Kohlenbrenner ihre Abendmahlzeit bereiteten, und die würden ihm, dachte er, den Weg nach Benatek weisen können. Er band daher sein Pferd an einen Baumstamm und ging auf die Feuerstelle zu.

Er gelangte zu einer Lichtung, da standen ihm plötzlich zwei Männer gegenüber, beide von riesenhaftem Wuchs und brandrotem Haar, mit gewaltigen Stangen in den Händen, und was er für ein Holz- oder Kohlenfeuer gehalten hatte, das waren drei leuchtende Haufen, der eine von gemünztem Gold, von Silbertalern der zweite und von kupfernen Dickpfennigen der dritte, und es waren der Gold-, der Silber- und der Kupfermünzen so viele, daß man drei Kornsäcke mit ihnen hätte füllen können.

Der junge Erzherzog dachte nun nicht anders, als daß er da auf zwei Räuber gestoßen sei, die ihren Schatz im dichten Holz verbergen wollten. Doch er fürchtete sie nicht, denn er sah, daß sie keine anderen Waffen zur Hand hatten als ihre Stangen, die er leicht mit seinem Degen unterlaufen konnte. Und so fragte er sie im gelassenen Ton, ob sie ihm den Weg nach Schloß Benatek weisen könnten.

Der eine von den beiden deutete mit seiner Stange schweigend in östliche Richtung. Der junge Erzherzog aber begann jetzt Gefallen an diesem Abenteuer zu finden, er ging nicht, er fragte die beiden Männer, wer sie den seien.

»Die unter mir stehen, nennen mich den Großen und Mächtigen«, gab der, der ihm den Weg gewiesen hatte, zur Antwort. »Und mein Geselle heißt der Furchtbare und Starke.«

An diesen Worten, aber mehr noch am Klang der Stimme erkannte der Sohn des Kaisers, daß diese beiden nicht der Erde angehörten. Sie waren Nachtgespenster oder Dämonen. Er hatte in jenen Tagen noch die Kühnheit und Unbekümmertheit der Jugend, aber dennoch befiel ihn Angst, er wäre jetzt gerne weit we g gewesen, doch er wollte um alles in der Welt die beiden nicht merken lassen, wie es um ihn stand. Und so tat er, als hielte er sie noch immer für Menschen von Fleisch und Blut und fragte, woher das viele Geld käme.

»Du wirst es«, sagte der eine, der schon vordem gesprochen hatte, »dereinst erfahren, wenn du es noch nicht weißt, du Erstgeborener und Erbe der drei Kronen, daß das Gold dem Feuer entspringt, das Silber der Luft, das Kupfer dem Wasser.«

»Und wem gehört es? Für wen hütet ihr es?« fragte der Sohn des Kaisers weiter, und er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.

»Das alles«, lautete die Antwort, »ist für einen aus dem verfolgten Stamm bestimmt, für den Mordechäus Meisl, deinen künftigen Karnmerknecht.«

Und der andere, der bis nun geschwiegen hatte, wiederholte mit einer Stimme, die noch furchtbarer klang als die des ersten:

»Für den Mordechäus Meisl, deinen Kammerknecht.« Des Kaisers Kammerknechte, — so wurden in jenen Tagen die Prager Juden genannt. Und in dem jungen Erzherzog überwog für einen Augenblick der Verdruß die Angst. Er verzog den Mund.

»Soll denn alles einem Juden gehören?« rief er. »Das gilt nicht. Ich will auch meinen Teil.«

Und um sich selbst seinen Mut zu beweisen, nahm er von dem silbernen Haufen, der ihm zunächst lag, einen Taler, der trug auf der einen Seite das Bildnis seines Vaters und auf der anderen das Landeswappen, den böhmischen Löwen.

Der Schweigsame von den beiden Dämonen, der »Furchtbare und Starke«, hob drohend seine Stange, doch der andere fiel ihm in den Arm.

»Du Zornmütiger, was tust du?« rief er ihm zu. »Du weißt, es steht geschrieben: Der Zornmütige ist dem Götzendiener gleich.«

Dann wandte er sich an den Sohn des Kaisers.

»Behalte den Taler, behalte ihn nur!« sagte er. »Du wirst nicht Glück , noch Frieden haben, bis er nicht in den Händen dessen ist, für den er bestimmt ist.«

Im nächsten Augenblick war alles verschwunden: die Männer, die Lichtung, die drei leuchtenden Haufen, und der Sohn des Kaisers stand allein im dunkeln Tannenwald.

Jetzt gab er sich keine Mühe mehr, seine Angst zu unterdrücken. Er lief und stolperte über Steine und Baumwurzeln, ein Ast riß ihm den Hut vom Kopf, sein Mantel blieb im Buschwerk hängen. Als er sein Pferd gefunden hatte, wurde er ruhiger. Er führte es in die Richtung, die ihm gewiesen worden war, und eine kurze Weile später kam er auf den Weg, der nach Benatek führte.

Aber erst, als er wieder zu Pferd saß und dahinritt, merkte er, daß er den entwendeten Taler noch immer in der Hand hielt.

Am nächsten Tag erhielt der junge Erzherzog die Nachrieht, daß sein geliebtester Herr Vater, der Kaiser, in der Prager Burg an einem Fieber erkrankt sei. Er machte sich sogleich auf den Weg zurück nach Prag, da stürzte sein Pferd und zerschlug sich ein Bein. Er setzte seine Reise in einem Bauernfuhrwerk fort, da brach dem Wagen die Achse. Und als er nach mancherlei anderen Zufällen und Behinderungen endlich in die Prager Burg kam, da empfing ihn sein Herr Vater seines verspäteten Eintreffens wegen mit harten und zornigen Worten, drehte sich zur Wand und wollt' auf keine Entschuldigung hören.