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»Ich weinte und ich möcht' auch heute weinen. Wo sind wir und was ist mit uns geschehen?«

»Wie du duftest!« sagte der Kaiser. »Wie eine zarte, kleine Blume, deren Namen ich nicht kenne, so duftest du.«

»Und du«, flüsterte sie, »wenn ich mit dir bin, dann ist es mir, als ginge ich durch einen Rosengarten.«

Sie schwiegen beide. Rauschend zogen die Wellen des Flusses vorbei. Ein Windhauch kam, und Rosmarin und Rose fanden sich in einem Kuß.

»Du weinst«, sagte die rote Rose. »Deine Augen sind naß und an deinen Wangen hängen Tränen wie Tautropfen.«

»Ich weine«, sprach der Rosmarin, »weil ich zu dir gehen muß und will's doch nicht. Ich weine, weil ich muß fort von dir und möcht' doch bleiben.«

»Du sollst nicht fort. Du bist mein, und ich halte dich. Ich habe Gott in hundert Nächten um dich gebeten. Gott hat dich mir geschenkt, nun bist du mein.«

»Ja, ich bin dein. Aber nicht Gott hat mich dir geschenkt, nicht seine Hand war es, die mich zu dir geführt hat. Gott zürnt mir, und ich habe Furcht vor seinem Zorn.«

»Er zürnt dir nicht«, sagte der Kaiser. »Wie könnt' er dir zürnen! Er sieht dich an und lächelt und verzeiht.«

»Nein«, flüsterte sie. »Er lächelt nicht. Ich habe mich vergangen gegen sein Gebot. Er ist kein Gott, der lächelt und verzeiht. Aber mag geschehen, was will, mag er mich verwerfen und verstoßen, — ich bin bei dir, und ich kann von dir nicht lassen.«

Und Rosmarin und Rose schmiegten sich, in Furcht und Seligkeit erschauernd, aneinander.

»Wie war dein Tag?« fragte der Rosmarin.

»Mein Tag«, sagte die Rose, »war eines armen Mannes Tag mit Sorge, Müh und Plage. Große Herren und kleine Herren, Schurken, Schwätzer, Schelme und Lügenkredenzer, große Narren und kümmerliche Narren, — sie waren alle da, das war mein Tag. Sie kamen und bliesen mir Worte ins Ohr, böse, törichte oder leere und nichtige Worte, sie begehrten das und jenes und fielen mir beschwerlich. Aber wen n ich die Augen schloß, sah ich dich. Das war mein Tag, und wie war der deine?«

»Stimmen und Schatten rings um mich, das ist mein Tag. Ich geh' durch ihn wie durch einen Nebel, ich find' mich nicht zurecht, er ist nicht wirklich, er ist Trug. Phantome rufen mich an, ich höre mich sprechen und weiß nicht, was ich sag'. Dann vergeht der Tag, wie ein Spuk zerstiebt, wie Rauch verweht, und ich bin bei dir. Du allein bist Wirklichkeit.«

»In den dunkeln Stunden des Tages, wenn die Wirrnis der Zeit wie an Alb auf mir lastet«, sprach der Kaiser, »und rings um mich treibt die Welt ihr Wesen mit Untreue, Arglist, Lüge und Verrat, — dann fliehen meine Gedanken zu dir, du bist mein Trost. Bei dir ist Klarheit, mir ist's, wenn ich bei dir bin, als verstünde ich den Weltenlauf, als könnt' ich die Falschheit und die Lüge durchschauen und der Untreue ins Herz hinein sehen. Manchmal rufe ich dich, find' mich allein nicht mehr zurecht, ich rufe laut nach dir und dennoch so, daß keiner mich hört, - aber du kommst nicht. Warum kommst du nicht? Was hält dich, wenn ich dich rufe? Was bindet dich?«

Es kam keine Antwort.

»Wo bist du? Hörst du mich? Ich sehe dich nicht, bist du noch da? Eben hielt ich dich noch, spürte deinen Herzschlag und deinen Atem, — wo bist du?«

»Hier bin ich, ich bin bei dir«, erklang ihre Stimme. »Einen Augenblick lang schien es mir, als wäre ich weit fort. Als läge ich daheim in der Stube, das Mondlicht fiel auf mein Kissen, ein Vogel flatterte durchs Zimmer und wieder hinaus, und dawar die Katze, die kam aus dem Garten und sprang aufs Fensterbrett und irgend etwas klirrte, und ich lag und horchte und dann hörte ich dich rufen >Wo bist du?< und war bei dir, und das alles, die Stube, das Mondlicht, die Katze und der erschrockene Vogel, — das hab' ich wohl geträumt.«

»Du hast eines Kindes Träume«, sagte der Kaiser. »Als ich ein Knabe war, da träumte ich auch von Feld und Wald, von Jagd, von Hunden, Vögeln und allerlei Getier, und wenn ich erwachte, war ich voll Morgenlust und Fröhlichkeit. Dann, später, kamen die schweren Träume, die Träume, die mich ängstigten, und oft wünschte ich des Nachts, es wäre schon Morgen. Und doch ist die Nacht schöner als der Tag. Das Lärmen der Menschen ist verstummt, ein Glockenton, das Wehen des Winds, das Rauschen der Räume und des Flusses, der Flügelschlag eines Vogels, — das sind die Stimmen der Welt, die noch zu hören sind, und über uns sind die ewigen Sterne, die gehen nach des Schöpfers Willen ihren Gang. Ich denke oft darüber nach, daß Gott die Menschen schuf, wie er die Gestirne geschaffen hat, und oben ist Ordnung und Gehorsam ewiglich, hier unten aber ist Unruhe, Streit und Wirrnis. — Wo bist du? Warum schweigst du? Woran denkst du?«

»Ich denke daran und kann es nicht verstehen, wie ich dereinst leben und glücklich sein konnte ohne dich. Ich denke daran, daß die Sterne ihren Gang gehen und sollten doch stille stehen, die Zeit sollt' stille stehen, wenn ich bei dir bin.«

»Sie steht nicht still und just, wenn einer glücklich ist, läuft sie wie ein gehetztes Tier, und Stunde um Stunde stürzt hinab ins Grenzenlose. Komm und küsse mich! Wo bist du?«

»An deinen Lippen bin ich, an deinem Herzen bin ich, ich bin bei dir.«

Trunken von Traum und Glück löste sich die Blüte des Rosmarins von der roten Rose.

»Ich muß fort«, flüsterte sie. »Leb wohl, ich kann nicht bleiben, ich muß fort.«

»Wohin? Wohin? Bleibe doch! Warum kannst du nicht bleiben?«

»Ich weiß es nicht. Laß mich, halt mich nicht, ich kann nicht bleiben, ich muß fort.«

»Bleib doch! Wo bist du? Ich seh' dich nicht. Wo bist du? Eben hielt ich dich noch, wo bist du? — Wo ist sie hin?«

»Wo ist sie hin?« rief der Kaiser und hob den Kopf und blickte um sich.

Der Leibkammerdiener Philipp Lang stand in der Schlafkammer.

»Ich hab' Eure Majestät stöhnen und rufen gehört, da trat ich ein«, meldete er. »Euer Majestät haben sicherlich einen schweren Traum gehabt, haben darum gestöhnt und gerufen, wäre vielleicht gut gewesen, Eure Majestät zu wecken, daß sich nicht hochdero male di testa wiederum einstellt. Draußen stehen etliche Leut', bitten um Gehör. Befehlen Euer Majestät das Frühstück?«

»Wo ist sie hin?« flüsterte der Kaiser.

In ihrem Haus auf dem Dreibrunnenplatz erwachte die schöne Esther, die Frau des Mordechai Meisl. Das Licht der Morgensonne fiel in ihr Gesicht und gab ihrem Haar einen rötlichen Schimmer. Die Katze strich lautlos in der Stube umher und erwartete ihr Schüsselchen mit Milch. Ein Blumentöpfchen, das auf dem Fensterbrett gestanden war, lag zerbrochen auf dem Fußboden. In der Kammer nebenan ging der Mordechai Meisl auf und nieder und verrichtete singend sein Morgengebet.

Sie richtete sich auf und strich sich die braunen Locken aus der Stirne.

»Geträumt!« flüsterte sie. »Und immer, Nacht für Nacht, der gleiche Traum! Ein schöner Traum, aber, gelobt sei der Schöpfer, doch nur ein Traum.«

Der Stern des Wallenstein

»... gar zart war ihm sein böhmisch Hirn, konnte nicht hören der Gläser Klirren. Hahn, Hund und Katz er arrestiert an allen Orten, wo er kampiert.

Hat große Kriegsmacht zusammengebracht, dem Kaiser gewonnen manche Schlacht, tat auch viel Geld und Gut verschenken, und oftmals Leut unschuldig henken.