Выбрать главу

Der Georg Kaplir zuckte die Achseln.

»Vielleicht hat sie's dem Heinrich erzählt, das mag sein, mir hat sie's nicht erzählt«, sagte er. »Du siehst drein, als wäre dir damit, daß ich's nicht weiß, irgendein Unrecht angetan worden. Was ist das also für eine Prophezeiung?«

»Das war, als der Johannes Zischka im Sterben lag«, berichtete der Peter Zaruba, »im Pfibislauer Lager, wenn du dich erinnerst. Da ließ er seine Feldhauptleute kommen, und einen von ihnen, den Lischek Zaruba von Zdar, meinen Urahn, den rief er ganz nahe zu sich heran und sagte: >Ja, du bist der Zaruba, du bist der Lischek, ich erkenne dich an deinem Schritte Und weiter sagte er: >Ich hab' mein Werk nicht zu Ende gebracht, mir war's versagt, aber einer aus deinem Geschlecht, ein Zaruba von Zdar, der wird nicht ein Fuchs sein wie du, sondern ein Löwe, er wird's zu Ende bringen, er wird die heilige böhmische Freiheit wieder aufrichten, aber merk dir das eine, Lischek, merk es dir: Er soll nicht von des Kaisers Tisch essen, sonst ist's verspielt, dann ist er der Rechte nicht, und Blut und Jammer kommen über das Böhmerland. <«

»Und dann drehte er sich um und starb?« erkundigte sich der Kaplir.

»Ja, dann starb er«, bestätigte der Zaruba.

»Das tun sie nämlich immer, wenn sie ihre prophetischen Worte losgelassen haben«, meinte der Kaplir. »Aber sieh her, Peter, jede Familie hierzulande hat solche Historien. Was hat mir meine Großmutter nicht alles von den Kaplirs erzählt, wie einer den König Wenzel den Faulen unter den Tisch getrunken hat, drei Tage und zwei Nächte haben sie miteinander auf dem Wyschehrad gesoffen, die Helden, und ein anderer Kaplir hat den letzten böhmischen Drachen umgebracht, das Tierchen soll irgendwo in der Saazer Gegend gelebt haben, wo jetzt der Hopfen steht. Aber nimm schon an, daß die Geschichte heiligwahr ist — wahr wie das Evangelium —, wer sagt dir denn, daß der Zischka solch ein großer Prophet war? Ein Kriegs- und Freiheitsheld war er, das bestreit' ich nicht, aber daß er auch ein Prophet gewesen ist, davon hab' ich nichts gehört.«

»Vergiß nicht, der Zischka war blind, hat im Krieg erst das eine, dann das andere Auge verloren«, erklärte ihm der Zaruba. »Bisweilen verleiht Gott den Blinden prophetische Gaben, läßt sie mit dem geistigen Aug' in die Zukunft sehen. Und ich glaub' an Zischkas Prophezeiung, wie mein Vater und mein Großvater an sie geglaubt haben, ich glaub' daran, daß ein Zaruba unsere alte böhmische Freiheit wiederaufrichten wird, und vielleicht... Kurzum, ich esse nicht von des Kaisers Tisch.«

»Halt es damit, wie du willst«, sagte der Georg Kaplir. »Ich hab' ja nicht die böhmische Freiheit zu retten, ich halt's anders. Wo man mir aufspielt, dort tanz' ich, und wo man mir aufträgt, dort greif ich zu. Also mit Gott, Peter, du triffst mich heut abend in meiner Herberge.«

Und damit ging er.

Der Peter Zaruba war jetzt in einer recht verdrießlichen Laune. Er hatte damit gerechnet, daß ihn der reiche Georg Kaplir zum Mittagessen in seinen Gasthof bitten werden, weil das doch unter Verwandten so üblich war. Damit war es nun nichts. Er und zwei seiner Kommilitonen führten gemeinsamen Haushalt, eine Frau aus der Nachbarschaft besorgte ihnen die Küche. Es ging nicht gar hoch bei ihnen her. Wenn er jetzt nach Hause kam, erwartete ihn gehacktes Lungenfleisch in brauner Sauce und Küchlein oder Fladen, die mit Pflaumenmus bestrichen und mit Weißkäse bestreut waren. Aber dieser beiden groben Gerichte war er herzlich überdrüssig, er bekam sie mit ermüdender Regelmäßigkeit jede Woche am gleichen Tage vorgesetzt.

Wie er nun zur Moldaubrücke hinunterging, kam er an einem Wirtshausgarten vorbei, und der Wirt stand am Eingangspförtchen und dienerte und lachte ihn an. Der Peter Zaruba war ein sparsamer Mann und trug sein Geld nicht gern den Wirten zu. Doch dieser da sah so freundlich und vertrauenerweckend aus, als hätte er nur das Wohl seiner Gäste im Sinn, und der Zaruba dachte, den Kopf könnt's nicht kosten, und so blieb er stehen und fragte, was er zu essen haben könnt'.

»Ich weiß noch nicht, was mein französischer und mein italienischer Küchenmeister heute zuwege gebracht haben«, gab der Wirt zur Antwort. »Aber das eine kann ich dem Herrn schon jetzt sagen: Es wird vier Haupt- und acht kleine Schüsseln geben und dazu noch ein letztes Gericht, das als Überraschung aufgetischt wird. Und für das alles wird der Herr drei böhmische Groschen zu bezahlen haben. Aber soweit ist es noch nicht. Eine halbe Stunde wird sich der Herr bis zum Essen noch gedulden müssen.«

Der böhmische Groschen war kein geringes Geld, sondern eine breite und gewichtige Silbermünze. Aber für solch eine Mahlzeit mit vier Haupt- und acht Nebenschüsseln und einer Überraschung noch hinterher waren drei Groschen nicht viel, und so trat der Peter Zaruba in den Garten und nahm an einem der schon gedeckten Tische Platz.

Es waren noch acht oder neun andere Gäste im Garten, die schienen einander alle zu kennen, sprachen von Tisch zu Tisch miteinander, und keiner von ihnen bezeigte Ungeduld darüber, daß das Essen so ungebührlich lange auf sich warten ließ. Denn es war fast eine Stunde vergangen, als endlich der Wirt an den Tisch des Peter Zaruba trat und sich die Ehre ausbat, dem hochedelgeborenen Herrn in eigner Person aufwarten zu dürfen. Zugleich stellte er die erste von den verheißenen zwölf Schüsseln auf den Tisch und sagte:

»Der Herr lasse es sich wohl bekommen. Eine feine Wildsuppe oder potage chasseur.«

Nach der Suppe trug er zweierlei Eierkuchen auf. Der eine war nach Bauernart, der andere mit Schnittlauch und Kerbelkraut zubereitet. Dann kamen zwei weitere Vorgerichte: Karpfenmilch mit Trüffeln und ein Chaudfroid aus gehacktem Hühnerfleisch.

Nach einer kleinen Pause erschien, feierlich vom Wirt serviert, das erste von den vier Hauptgerichten: Gespickter und gefüllter Hecht. Dann gab es Nierenschnitten am Spies gebraten, Spargel in Fleischbrühensauce, junge Zuckererbsen und eine kalte Schüsseclass="underline" Kalbszünglein und gefüllten Schweinsfuß.

Der Peter Zaruba dachte mit ein wenig Mitleid an seine beiden Kommilitonen, die sich heute an gehacktem Lungenfleisch und Pflaumenmusfladen sattessen mußten. Er bedauerte es auch nicht mehr, daß ihn der Kaplir nicht in seinen Gasthof geladen hatte, denn so gut wie hier hätte er es dort nicht getroffen. Von dem Fasanenmischgericht, das der Wirt ihm jetzt anbot, kostete er nur. Dann kam die angekündigte Uberraschungsschüsseclass="underline" Wachteln auf gerösteten und mit Ochsenmark bestrichenen Brotschnitten. Zum Schluß gab es noch Marzipankügelchen mit Zuckerguß, welsche Trauben und scharfen ungarischen Büffelkäse.

Der Peter Zaruba war jetzt ein wenig müde und schläfrig geworden. Er saß und träumte vor sich hin, so, dachte er, speist vielleicht der Abt des Strahover Klosters an den hohen Festtagen. Aber trotz der Schlafsucht, die über ihn gekommen war, gewahrte er den Georg Kaplir, der mit zornrotem Gesicht die Gasse herunterkam und im Gehen mit sich selber sprach und gestikulierte.

Er rief ihn an.

»He, Georg! Komm herein, Georg! Hier bin ich.«

Der Georg Kaplir blieb stehen und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Dann kam er in den Garten. Er nickte dem Zaruba zu und stützte sich mit der Hand auf die Tischplatte.

»Hast du hier auf micht gewartet, Peter?« fragte er. »Das ist gut, daß ich einen habe, mit dem ich reden kann. Peter, ich habe soviel Arger mit denen oben gehabt, nicht eine Unze mehr hätt' ich davon ertragen können.«

»Was für Ärger?« fragte der Peter Zaruba mit einem leichten Gähnen.