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»Du weißt auch gar nichts«, knurrte der Bauernhund. »Wälder, das sind nicht etwa drei Bäume oder vier, sondern — ich weiß nicht wie ich es dir erklären soll — wohin du schaust, nichts als Bäume. Und hinter den Bäumen wieder Bäume. Von dort her kommen die Füchse. Wenn einer eine Gans wegschleppte, bekam ich Stockprügel.«

»Ich habe niemals Schläge bekommen«, rühmte sich der Pudel. »Auch nicht, als mich mein Herr auf zwei Beinen gehen und tanzen lehrte. Er war immer freundlich zu mir. Wir hatten auch Gänse, aber die Füchse ließen sie in Frieden, denn es gibt hier keine Wälder, aus denen Füchse kommen. Wenn es hier Wälder und Füchse gäbe, hätte mein Herr es mir gesagt. Er sagte mir alles, er verbarg nichts vor mir. Ich weiß sogar, wo er das Geld vergraben hat, das man bei ihm nicht finden sollte, und wem es gehört.«

»Ja, sie vergraben Geld«, bestätigte der Bauernköter. »Wozu? Man kann's nicht essen.«

»Das verstehst du nicht«, wies ihn der Pudel zurecht. »Es ist klug, Geld zu vergraben. Alles, was er tat, war klug. Ich war in jener Nacht bei ihm, in der sie ihn in Leinwand hüllten und davontrugen. Aber vorher kam einer, der brachte ihm das Geld in einem Beutel, achtzig Gulden seien es, sagte er, und damit sei die Schuld beglichen. Mein Herr ging mit ihm zur Tür, er ging sehr langsam, er war krank, und als er zurück kam, fragte er mich: >Was soll ich mit diesem Geld beginnen? Ich hab' das Geld von mir getan, aber es läuft mir nach. Sie sollen es hier nicht finden, wenn sie morgen kommen, nicht einen Groschen davon sollen sie finden, heute nacht noch muß es fort von hier. Aber wohin, sag mir, wohin?< Er hustete und klagte über Schmerzen, hielt immer ein Tüchlein vor den Mund. Dann sagte er: >Ich weiß einen, der niemals Glück gehabt hat, dem könnt' mit diesem Geld geholfen sein. Glück, — das kann ich ihm nicht hinterlassen, aber die achtzig Gulden, die soll er haben.< Gleich darauf aber schlug er sich mit der Hand vor die Stirn und hustete und lachte. >Das sieht ihm gleich, dem Berl Landfahrer<, sagte er. >Wenn es hier Gulden regnet, ist er nicht da, ist er mit seinem Karren über Land gefahren. Wahrhaftig, dem ist schwer zu helfen.< Er dachte eine Weile nach und dann nahm er seinen Stock, seinen Hut und seinen Mantel, und den Beutel nahm er auch, und wir gingen hinaus und durch die Gassen zum Flußufer, und dort hieß er mich die Erde aufscharren und vergrub den Beutel. Er sagte: >Wenn der Berl Landfahrer in die Stadt zurückkommt, dann fasse ihn am Mantel und führe ihn hierher, das Geld ist sein, aber ich kann's ihm nicht mehr geben, denn ich werde heute noch den Weg aller Menschen gehen. Du kennst den Berl Landfahrer, er geht ein wenig schief und vorn im Mund fehlen ihm drei Zähne<.«

»Das ist nicht gut«, meinte der Dorfköter. »Er soll aufhören, Knochen zu nagen. Er soll Grütze essen, sag ihm das.«

»Aber ich kannte ihn nicht und ich kenne ihn auch heute nicht«, rief der Pudel. »Ich kann mich seiner nicht entsinnen. Das Geld liegt noch heute in der Erde. Wie kann ich denn sehen, wem die Zähne fehlen, die Leute gehen doch nicht mit offenem Maul über die Gasse. Wie soll ich wissen, wer von ihnen der Berl Landfahrer ist?«

Der Berl Landfahrer hatte mit Verwunderung gemerkt, daß von ihm die Rede war, und von da an hatte er mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört. Und wie er jetzt vernahm, daß Meisls Pudelhund ihn seit Jahren suchte, kam er aus seinem Winkel hervor und sagte vorwurfsvoll und traurig:

»Ich bin der Berl Landfahrer.«

»Du bist der Berl Landfahrer?« rief der Pudelhund und er stellte sich auf seine Hinterbeine und begann aufgeregt zu wedeln und aufzuwarten. »Laß sehen! Mach das Maul auf! Ja, die Zähne fehlen dir. Du bist also der Berl Landfahrer. Nun gut, — morgen geh' ich mit dir und zeig' dir, wo dein Geld vergraben ist.«

Und er ließ sich wieder auf seine Vorderpfoten fallen.

»Morgen?« rief der Berl Landfahrer mit einem schrillen Lachen. »Morgen? Ich bin doch der Berl Landfahrer! Morgen werden wir alle drei gehängt.«

»Wer wird gehängt?« fragte der Pudel.

»Ich, du und dieser dort«, sagte der Berl Landfahrer und wies auf den Dorfköter, der eingeschlafen war.

»Warum sollt' man mich hängen?« fragte der Pudel verwundert.

»Es ist so der Befehl«, gab der Berl Landfahrer zur Antwort.

»Dich werden sie vielleicht hängen«, meinte der Pudel. »Mich nicht. Mich hängt man nicht. Sie brauchen nur die Türe aufzumachen, so bin ich auch schon fort.

Er begann sich im Kreise zu drehen, und dann ließ er sich auf dem Boden nieder.

»Ich will jetzt schlafen«, sagte er. »Leg auch du den Kopf zwischen die Beine! Du bist also der Berl Landfahrer. Nein, mich hängt man nicht.«

Und damit schlief er ein.

Als der Morgen graute, wurde die Türe geöffnet, aber nicht der Henker kam, den Berl Landfahrer zur Richtstatt zu führen, sondern es traten Rebb Amschel und Rebb Simcha, die beiden Judenräte, in die Zelle. Der Herr Oberst Strassoldo hatte sich auf vieles Bitten und Drängen hin bereitfinden lassen, gegen ein Bußgeld von hundertfünfzig Gulden, das die Judenältesten sogleich zu erlegen hatten, dem Berl Landfahrer die Strafe zu erlassen.

»Wir bringen Freiheit dem Gefangenen und Erlösung dem Gefesselten«, rief Bebb Amschel. »Lobpreiset Gott, der uns seine Gnade nicht entzogen hat.«

Und Rebb Simcha sagte das Gleiche, nur mit nüchterneren Worten: »Ihr seid frei, Rebb Berl. Das Bußgeld ist für Euch bezahlt, Ihr könnt nach Hause gehen.«

Aber es schien, als hätte sie der Berl Landfahrer nicht verstanden.

»Der Hund! Der Hund!« schrie er. »Wo ist der Hund, er war doch eben noch hier. Meisls Hund! Er weiß, wo mein Geld vergraben ist. Achtzig Gulden!«

»Rebb Berl, Ihr seid frei«, wiederholten die Judenräte. »Versteht Ihr nicht? Gott hat geholfen, die Strafe ist Euch erlassen. Ihr könnt nach Hause gehen.«

»Der Hund! Der Hund!« jammerte der Berl Landfahrer. »Habt Ihr ihn nicht gesehen? Er ist zur Tür hinaus. Meisls Pudelhund, ich muß ihn finden. Achtzig Gulden! Ich Unglücklicher, ich Geschlagener! Wo ist der Hund?«

Man sah ihn noch viele Jahre in der Prager Judenstadt und in der Altstadt, er lief den Hunden nach und lockte sie an sich und hielt sie fest und dann fragte er sie, ob sie nicht den weißen Pudel gesehen hätten, den mit dem schwarzen Fleck unter dem Aug' und über dem Ohr, und wenn sie ihn träfen, so sollten sie ihm doch sagen, er, der Berl Landfahrer, sei nicht gehängt, und der Pudel solle doch zu ihm in die Ufergasse kommen, es werde ihm nichts geschehen, er werde nicht gehängt werden, das Bußgeld sei auch für ihn, den Pudel, gezahlt worden. Die Hunde schnappten nach ihm und rissen sich los, und der Berl Landfahrer lief den Hunden nach, und die Kinder liefen dem Berl Landfahrer nach, und die Erwachsenen schüttelten die Köpfe und sagten: »Der arme Berl Landfahrer! Er hat in jener Nacht in der Zelle vor Angst seine Menschenseele verloren.«

Die Sarabande

Auf einem Fest, das der Geheime Rat und Kanzler von Böhmen, Herr Zdenko von Lobkowitz, aus Anlaß der Taufe seines ersten Enkelkinds in seinem Prager Stadthaus gab, befand sich unter den Gästen auch ein kaiserlicher Hauptmann, ein Baron Juranic, der ein oder zwei Tage vorher aus Kroatien oder aus dem Sklawonierland in der böhmischen Hauptstadt eingetroffen war. Und während die anderen Herren so gekleidet waren, wie es der Anlaß und die Mode vorschrieben, indem sie nämlich den goldgestickten Rock aus purpurfarbenem Samt mit weißgefütterten geschlitzten Ärmeln und dazu mit Goldbrokat besetzte, an den Knien enge Hosen, seidene Strümpfe und Atlasschuhe mit seidenen Schleifen trugen, war der Baron Juranic in Reisekleidern, mit Lederhose und hohen Stiefeln, erschienen, was er damit entschuldigte, daß sein Gepäck in der letzten Poststation liegen geblieben und ihm noch nicht nachgesendet worden sei. Auch hatte er sich nach dem Brauch der Grenzoffiziere das Haar und den Bart mit Schweineschmer eingerieben, aber diese Eigenheit hielt man einem Manne zugute, dem der immerwährende Kampf gegen die Türken, die Erbfeinde der Christenheit, nicht Zeit gelassen hatte, sich darüber zu unterrichten, was die Mode einem Kavalier verstattete und was nach ihrem Gesetz verpönt war.