Endlich Mitte Juni kehrt die Armee nach einem langen und beschwerlichen Marsch nach Kairo zurück. Es war Zeit, denn Murad Bei, der Desaix entwischt war, bedrohte Unterägypten. Zum zweitenmal stößt er am Fuße der Pyramiden auf die Franzosen. Bonaparte trifft alle Anordnungen zu einer Schlacht. Diesmal nimmt er die frühere Stellung der Mamelucken ein, die sich an den Fluß lehnt; aber am andern Morgen ist Murad Bei verschwunden. Bonaparte ist erstaunt: doch am nämlichen Tage noch wird ihm alles klar. Die Flotte, die er vermutet hatte, war bei Abukir genau zu der Zeit, die er vorausgesagt hatte, gelandet, und Murad zog ab, um sich auf Umwegen mit dem türkischen Lager zu vereinigen.
Bei seiner Ankunft trifft er den Pascha voll hoher Hoffnungen: als dieser erschien, hatten sich die französischen Abteilungen, die zu schwach sind, ihn zu schlagen, zusammengezogen.»Siehst du, «sagte Mustapha Bei zum Bei der Mamelucken,»diese gefürchteten Franzosen, deren Nähe du nicht aushalten konntest, sie fliehen vor mir, sobald ich mich zeige.«»Pascha, «erwiderte Murad Bei,»danke dem Propheten, daß es den Franzosen gefällt, sich zurückzuziehen: denn kehrten sie um, so würdest du vor ihnen verschwinden wie der Staub vor dem Sturme.«
Er hatte wahrgesagt, der Sohn der Wüste. Einige Tage nachher kam Bonaparte an, und nach dreistündigem Kampfe weichen die Türken und fliehen. Mustapha Bei übergibt Murat mit blutender Hand seinen Säbeclass="underline" mit ihm ergeben sich 200 Mann als Gefangene. 2000 decken das Schlachtfeld, 10 000 sind ertrunken: 20 Kanonen, alle Zelte und die ganze Bagage fällt in unsere Hände. Die Festung Abukir wird genommen, die Mamelucken sind in die Wüste zurückgeworfen, und die Engländer und Türken haben auf ihren Schiffen Zuflucht gesucht.
Bonaparte schickt einen Boten auf das Admiralschiff, der über die Zurückgabe der Gefangenen, die man unmöglich bewachen kann, und die er nicht, wie zu Jaffa, erschießen lassen will, unterhandeln soll. Dafür schickt der Admiral Bonaparte Wein, Früchte und die Frankfurter Zeitung vom 10. Juni 1799.
Seit dem Monat Juni 1798, d. h. seit mehr als einem Jahre, hat Bonaparte keine Nachrichten von Frankreich; er wirft die Augen auf das Blatt, überfliegt es schnell und ruft:»Meine Ahnungen haben mich nicht getäuscht, Italien ist verloren; ich muß abreisen. «In der Tat sind die Franzosen auf dem Punkt angekommen, wo er sie zu haben wünscht, sie stecken so im Unglück, daß sie ihn nicht als einen Ehrgeizigen, sondern als einen Retter ankommen sehen. Gantheaume, den er hat rufen lassen, kommt alsbald an, und Napoleon gibt ihm den Auftrag, die zwei Fregatten, den Muiron und die Carrère, und zwei kleine Fahrzeuge, die Revanche und die Fortune, mit Lebensmitteln für 400 bis 500 Mann auf zwei Monate zu versehen. Am 22. August schreibt er an die Armee:»Die Nachrichten aus Europa haben mich bestimmt, nach Frankreich abzureisen, den Oberbefehl überlasse ich dem General Kleber, die Armee wird bald von mir hören. Mehr kann ich jetzt nicht sagen. Es fällt mir schwer, die Soldaten zu verlassen, mit denen ich aufs engste verknüpft bin; aber es geschieht nur auf einen Augenblick. Zu dem General, den ich ihnen hinterlasse, hat die Armee und habe ich Zutrauen.«
Am andern Tag schifft er sich auf dem Muiron ein. Gantheaume will in die hohe See stechen; Napoleon widersetzt sich.»Ich will, «sagt er.»daß Sie so viel wie möglich den Küsten Afrikas folgen, und Sie werden diesen Weg bis südlich von Sardinien verfolgen. Ich habe eine Handvoll Tapferer, aber wenig Artillerie: zeigen sich die Engländer, so laufe ich auf den Strand. Dann werde ich zu Lande Oran, Tunis oder einen anderen Hafen erreichen und dort die Mittel finden, mich einzuschiffen.«
Einundzwanzig Tage lang werfen Ost- und Nordostwinde Bonaparte gegen den Hafen zurück, den er eben verlassen hat. Endlich fühlt man die ersten Lüfte eines Südwindes, und Gantheaume fängt ihn mit allen Segeln auf: in kurzer Zeit fährt man an der Stelle vorbei, wo einst Karthago stand, umsegelt Sardinien, dessen Westküste man folgt: am ersten Oktober läuft man in den Hafen von Ajaccio ein, wo man 17 000 Franken türkische Zechinen gegen französisches Geld einwechselt, — das ist alles, was Bonaparte von Ägypten mitbringt. Endlich den 7. desselben Monats verläßt man Korsika und steuert Frankreich zu, von dem man nur noch 70 Meilen entfernt ist. Am Abend des 8. wird ein Geschwader von 14 Schiffen gemeldet: Gantheaume schlägt vor, das Schiff zu wenden und nach Korsika zurückzukehren.»Nein, «ruft gebieterisch Bonaparte.»segelt mit aller Macht, alles an seinen Posten: nordwestlich, nordwestlich fort!«Die ganze Nacht bringt man in Unruhe zu: Bonaparte geht nicht von der Brücke weg: er läßt eine große Schaluppe ausrüsten, bemannt sie mit zwölf Matrosen, befiehlt seinem Sekretär, seine wichtigsten Papiere auszuwählen und nimmt zwanzig Mann, um an den Küsten von Korsika zu scheitern. Mit Anbruch des Tages werden alle diese Vorsichtsmaßregeln unnütz, der Schrecken verschwindet, die Flotte segelt gegen Nordwest. Am 8. Oktober bemerkt man bei Tagesanbruch Fréjus; um 8 Uhr läuft man auf die Reede. Sogleich verbreitet sich das Gerücht, daß eine der Fregatten Bonaparte bringe. Das Meer bedeckt sich mit Nachen, alle Gesundheitsmaßregeln, die Bonaparte vorsätzlich verletzen wollte, hat das Volk vergessen. Vergebens macht man es auf die Gefahr, die es läuft, aufmerksam.»Lieber wollen wir die Pest, «ruft es,»als die Österreicher!«Bonaparte wird geführt, gezogen, getragen: es ist ein Fest, eine Huldigung, ein Triumph. Endlich mitten im Enthusiasmus, im Freudengeschrei, im Taumel steigt Cäsar an das Land, das keinen Brutus mehr hat.
Sechs Wochen nachher hat Frankreich keine Direktoren mehr, aber drei Konsuln, [Fußnote] und unter diesen drei Konsuln ist einer, wie Siéyes gesagt hat, der alles weiß, der alles tut, der alles kann.
Wir sind zum 18. Brumaire (9. November) 1799 gelangt.
Bonaparte Erster Konsul
Kaum bekleidete Bonaparte die erste Ehrenstelle eines von innern und äußern Kriegen noch blutenden und durch die eigenen Siege ganz erschöpften Staates, so war seine erste Sorge der Versuch, auf fester Grundlage den Frieden abzuschließen. Daher schrieb er am 5. Nivose des Jahres VIII der Republik mit Umgehung aller diplomatischen Formen, worin die Regenten ihre Gedanken hüllen, direkt und eigenhändig an den König Georg III. und schlug ihm ein Bündnis zwischen Frankreich und England vor. Der König blieb stumm. Pitt nahm die Antwort auf sich, d. h. die Verbindung wurde zurückgewiesen.
Bonaparte wandte sich, von Georg III. zurückgewiesen, an Paul I. Da er den ritterlichen Charakter dieses Fürsten kannte, glaubte er, ihm gegenüber ebenfalls ritterlich handeln zu müssen. Er ließ die in Holland und der Schweiz gefangengenommenen russischen Truppen im inneren Frankreich zusammenkommen, ließ sie neu kleiden und schickte sie ohne Lösegeld oder Auswechslung in ihr Vaterland zurück. Bonaparte hatte sich nicht getäuscht, als er darauf rechnete, durch ein solches Vorgehen Paul I. zu entwaffnen. Als dieser von dem verbindlichen Verfahren des Ersten Konsuls erfuhr, zog er seine noch in Deutschland stehenden, Truppen zurück und sagte sich von der Koalition los.
Frankreich und Preußen standen in gutem Einvernehmen, und König Friedrich Wilhelm hatte die Bedingungen des Vertrags von 1795 aufs pünktlichste erfüllt. Bonaparte sandte Duroc an ihn, um ihn zu bestimmen, seinen militärischen Kordon bis an den Niederrhein auszudehnen, um keine so lange Linie verteidigen zu müssen. Der König von Preußen willigte ein und versprach, seinen Einfluß bei Sachsen, Dänemark und Schweden zu verwenden, um diese neutral zu halten.
So bleiben also noch England, Österreich und Bayern übrig. Aber diese drei Mächte waren nichts weniger als bereit, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen. Bonaparte hatte daher Zeit, ohne sie aus dem Auge zu verlieren, seine Blicke nach innen zu richten.
Die neue Regierung hatte ihren Sitz in den Tuilerien. Bonaparte bewohnte den königlichen Palast, und allmählich wurden die alten Hofsitten in diesen Zimmern, aus denen sie die Mitglieder des Konvents vertrieben hatten, wieder lebendig; übrigens war, muß man sagen, das erste Vorrecht der Krone, das Bonaparte sich anmaßte, das der Begnadigung. Herr Defeu, ein französischer Emigrant, war in Tirol gefangengenommen, nach Grenoble geführt und zum Tode verurteilt worden. Als Bonaparte dies erfährt, läßt er seinen Sekretär auf ein Schnitzel Papier schreiben: »Der Erste Konsul befiehlt, die Verurteilung des Herrn Defeu aufzuheben,« unterzeichnet diesen lakonischen Befehl, übergibt ihn dem General Férino, und Herr Defeu ist gerettet.