Sodann fängt eine Leidenschaft an bemerklich zu werden, die bei Bonaparte nach der für den Krieg den ersten Platz einnimmt, die Leidenschaft für Bauten und Denkmäler. Zunächst begnügt er sich damit, die Mauerbuden, die den Hof der Tuilerien verfinstern, wegfegen zu lassen. Als er bald darauf beim Blick aus dem Fenster voll Ärger sieht, daß der Quai d'Orsay von der Vorstadt Saint-Germain durch die Seine abgeschnitten wird, die jeden Winter ausbricht und die Verbindung hemmt, schreibt er nichts als die Worte:»Der Kai der Schwimmschule wird im nächsten Jahre fertig sein, «und schickt sie dem Minister des Innern, der sich beeilt, zu gehorchen. Aus der großen Zahl von Menschen, die sich täglich auf, Nachen über die Seine zwischen dem Louvre und den Quatre-Nations fahren lassen, ergibt sich die Notwendigkeit einer Brücke; der Erste Konsul läßt die Herren Perrier und Fontaine rufen, und von einem Ufer zum andern streckt sich wie ein magischer Bau der Pont des Arts. Der Vendôme-Platz ist der Statue Ludwigs XIV. beraubt und verwaist; eine Säule, die man aus den den Österreichern in einem Feldzug von drei Monaten abgenommenen Kanonen gießt, wird das alte Standbild ersetzen. Die abgebrannte Getreidehalle wird in Eisen wieder aufgebaut; meilenlange Kais wurden von einem Ende der Hauptstadt zum andern geführt, um die Wasser des Flusses in ihr Bett zu dämmen. Ein Palast soll für die Börse errichtet, die Invalidenkirche ihrer ersten Bestimmung zurückgegeben werden, glänzend, wie sie zum ersten Male im Strahle der Sonne Ludwigs XIV. flammte. Vier Friedhöfe, die an die Totenstadt in Kairo erinnern, sollen an den vier Hauptpunkten von Paris angelegt werden. Endlich soll, wenn Gott ihm Zeit und Vermögen dazu läßt, eine Straße gebaut werden, die von Saint-Germain l'Auxerrois bis zur Barrière du Trone sich hinzieht, sie wird hundert Fuß breit und mit Bäumen angepflanzt werden wie die Boulevards und mit Arkaden eingefaßt wie die Straße Rivoli; aber mit dieser Straße wird er noch warten müssen, denn sie soll den Namen» Kaiser-Straße «führen.
Unterdessen bereitete das erste Jahr des neunzehnten Jahrhunderts denkwürdige Kriege vor; das Rekrutierungsgesetz wurde mit Begeisterung ausgeführt, eine neue Kriegsmacht organisiert, Aushebungen nach Bedarf von der Küste von Genua bis an den Niederrhein vorgenommen. Eine Reservearmee zog sich im Lager bei Dijon zusammen: sie bestand zum großen Teil aus der holländischen Armee, die von der Vendée, der sie den Frieden gegeben hatte, heranzog.
Ihrerseits antworteten die Feinde auf diese Zurüstungen durch ähnliche Vorbereitungen. Österreich organisierte eiligst seine Aushebungen: England nahm ein Korps von 12 000 Bayern in Sold, und einer seiner geschicktesten Agenten warb in Schwaben, Franken und im Odenwald Mannschaften an: endlich traten 6000 Württemberger, die Schweizerregimenter und das adelige Korps der Emigranten unter den Befehlen des Prinzen von Condé aus den Diensten Pauls I. in den Sold Georgs III. Alle diese Truppen sollten am Rhein verwendet werden, während Österreich seine besten Soldaten nach Italien schickte, denn hier wollten, die Verbündeten den Feldzug eröffnen.
Am 17. März 1800 wendet sich Napoleon mitten in einer Arbeit über die Einrichtung der von Talleyrand gestifteten diplomatischen Schulen plötzlich an seinen Sekretär und fragt ihn mit einem Gefühl sichtbarer Freude:
«Wo glauben Sie, daß ich Melas schlagen werde?«
«Das weiß ich nicht, «antwortete ihm erstaunt der Sekretär.
«Stellen Sie in meinem Kabinett die große Karte von Italien aus, und ich will es Ihnen zeigen.«
Der Sekretär gehorcht eiligst. Bonaparte nimmt eine Anzahl Nadeln mit Köpfen von rotem und schwarzem Wachs in die Hand, legt sich über die ungeheure Karte und steckt seinen Feldzugsplan aus. In alle Punkte, wo ihn der Feind erwartet, steckt er seine Nadeln mit schwarzen Köpfen, die mit roten Köpfen überall dahin, wo er seine Truppen hinzuführen gedenkt. Dann wendet er sich an seinen Sekretär, der ihm stillschweigend zugesehen hat.
«Nun?«sagt er.
«Ja, ich weiß noch nicht, «erwiderte ihm dieser.
«Sie sind ein Dummkopf! Merken Sie auf! Melas ist in Alessandria, wo er sein Hauptquartier hat, er wird dort bleiben, solange Genua nicht übergeben wird. In Alessandria hat er seine Magazine, seine Spitäler, seine Artillerie, seine Reserven. «Indem er auf den St. Bernhard deutet, fährt Bonaparte fort:»Ich gehe hier über die Alpen, falle ihm in den Rücken, ehe er weiß, daß ich in Italien bin, unterbreche seine Verbindungen mit Österreich, dränge ihn in die Ebenen von Scrivia zusammen,«— er steckte eine rote Nadel in San-Giuliano —»und schlage ihn hier.«
Den Plan der Schlacht von Marengo hatte der Konsul hier gezeichnet. Vier Monate später war er bis aus den kleinsten Punkt ausgeführt: die Alpen waren überstiegen, das Hauptquartier war in San-Giuliano, Melas war abgeschnitten, und es fehlte nur noch die Schlacht. Bonaparte hatte seinen Namen neben den Hannibals und Karls des Großen geschrieben.
Der Erste Konsul hatte die Wahrheit gesagt. Er hatte sich von der Höhe der Alpen herabgestürzt, wie eine Lawine: schon am 2. Juni war er in Mailand, wo er ohne Widerstand einzog und dessen Fort er sogleich belagerte. Denselben Tag wurde Murat nach Piacenza und Lannes nach Montebello gesandt. Beide gingen, ohne noch daran zu denken, daß sie, der eine eine Krone, der andere ein Herzogtum erkämpfen sollten.
Den Tag nach dem Einzug Bonapartes in Mailand läßt sich ein Spion melden, den er schon in seinen ersten italienischen Feldzügen gebraucht hatte und den der General auf den ersten Anblick erkennt. Der Mann steht im Dienste der Österreicher, Melas schickt ihn, die französische Armee zu beobachten: aber er will das gefährliche Handwerk, das er treibt, aufgeben und verlangt 1000 Louisdor, wenn er Melas verraten solclass="underline" auch muß er seinem General einige genaue Nachrichten überbringen.
«Das tut nichts, «sagte der Erste Konsul,»es liegt mir wenig daran, daß man meine Macht und meine Stellung kennt, wenn ich nur die Macht und die Stellung meines Feindes kenne; sage mir etwas, was der Mühe wert ist, und die 1000 Louis sind dein. «Darauf gab ihm der Spion die Zahl der Korps, ihre Stärke und Stellung, die Namen der Generale, ihre Tapferkeit, ihren Charakter an, wobei ihm der Erste Konsul auf der Karte folgt, die er mit Nadeln spickt. Zudem sei Alessandrien nicht verproviantiert. Melas denke nicht an eine Belagerung, er habe viele Kranke und keine Arzeneien. Als Gegengabe für diese Angaben stellt Berthier dem Spion eine fast ganz genaue Mitteilung über die Lage der französischen Armee zu. Der Erste Konsul aber übersieht nun klar Melas' Lage, wie wenn der Genius der Schlachten ihn über den Ebenen der Scrivia und Bormida hätte schweben lassen.
Am 8. Juni in der Nacht kommt ein von Murat gesandter Kurier von Piacenza an. Er überbringt einen aufgefangenen Brief, die Depesche Melas' an den Reichshofrat zu Wien; sie meldet die Übergabe von Genua, das Massena am 4., nachdem alles bis auf die Pferdesättel aufgezehrt war, nicht länger halten konnte.
Man weckt Bonaparte mitten in der Nacht, eingedenk seines Befehls:» Laßt mich schlafen bei guten Nachrichten, weckt mich aber bei schlimmen!«»Bah, Sie verstehen das Deutsche nicht, «sagte er anfangs zu seinem Sekretär. Als er denn zugeben mußte, daß dieser die Wahrheit gesagt hat, steht er auf, bringt den übrigen Teil der Nacht damit zu, Befehle zu geben und Kuriere abzuschicken; und um 8 Uhr morgens ist alles gerüstet, um den möglichen Folgen dieses unerwarteten Ereignisses zu begegnen.