Nicht mehr ein Szepter, sondern eine Weltkugel hielt Napoleon in der Hand.
Der Friede von Preßburg dauerte ungefähr ein Jahr. In dessen Verlaufe gründete Napoleon die Kaiserliche Universität und ließ den Code civil samt der Prozeßordnung veröffentlichen. Mitten in seiner Verwaltungstätigkeit durch die feindliche Haltung Preußens unterbrochen, dessen Streitkräfte infolge der in den letzten Kriegen beobachteten Neutralität verschont geblieben waren, ist Napoleon in kurzem genötigt, einer vierten Koalition gegenüberzutreten. Die Königin Luise hat den Kaiser Alexander daran erinnert, daß sie über dem Grabe des großen Friedrich sich eine unauflösliche Allianz gegen Frankreich zugeschworen haben, Kaiser Alexander vergißt über sein erstes sein zweites Gelöbnis, und Napoleon erhält, bei Strafe der Kriegserklärung, den Befehl, seine Soldaten über den Rhein zurückgehen zu lassen.
Napoleon läßt seinen Kriegsminister Berthier kommen und zeigt ihm Preußens Ultimatum.
«Man ladet uns, «sagte er,»zu einem Ehrenstelldichein; nie hat ein Franzose so etwas ausgeschlagen; und weil eine schöne Königin Kampfzeugin sein will, wollen wir höflich sein und, damit sie nicht zu warten braucht, ohne zu rasten, bis nach Sachsen marschieren!«
Und diesmal erneut er und übertrifft aus Galanterie an reißender Schnelle noch den letzten Feldzug. Der preußische wird am 7. Oktober 1806 durch die Korps Murat, Bernadotte und Davoust eröffnet, dauert während der folgenden Tage in den Kämpfen von Schleiz und Saalfeld fort und endigt am 14. mit der Schlacht von Jena und Auerstädt. Am 16. strecken 14 000 Preußen bei Erfurt die Waffen, und am 25. zieht die französische Armee in Berlin ein. Sieben Tage haben hingereicht, die Monarchie Friedrichs des Großen dem großen Errichter und Vernichter von Thronen in die Hände zu liefern, der Bayern, Württemberg und Holland Könige gegeben, der die Bourbonen aus Neapel und das Haus Lothringen aus Italien und Deutschland vertrieben hat. Am 27. richtet Napoleon von seinem Hauptquartier in Potsdam an seine Soldaten folgenden Tagesbefehl, der den ganzen Feldzug zusammenfaßt:
«Soldaten,
Ihr habt meine Erwartung gerechtfertigt und dem Vertrauen des französischen Volks auf würdige Weise entsprochen. Ihr habt die Entbehrungen und Mühen mit ebensovielem Mute ertragen, wie ihr im Kampf Unerschrockenheit und kaltes Blut bewährt habt; solange dieser Geist euch beseelt, wird nichts euch widerstehen können. Die Reiterei hat mit Fußvolk und Artillerie so gewetteifert, daß ich fortan nicht weiß, welcher Waffe ich den Vorzug geben solclass="underline" alle seid ihr gute Soldaten. Hört die Erfolge unserer Anstrengungen: Eine der ersten Mächte Europas, die eben noch wagte, uns eine schmähliche Kapitulation vorzulegen, ist vernichtet: die Wälder, die Engpässe Frankens, die Saale, die Elbe, über die unsere Väter nicht in sieben Jahren gedrungen wären, — wir haben sie in sieben Tagen bezwungen und in der Zwischenzeit noch vier Gefechte und eine große Schlacht geliefert. Nach Potsdam und Berlin sind wir dem Ruhm unserer Siege vorausgeeilt: mir haben 60 000 Gefangene gemacht, 65 Fahnen, darunter die der Garden des Königs von Preußen, 600 Kanonen, drei Festungen genommen und mehr als 20 Generale gefangen. Und doch bedauert über die Hälfte von euch, daß sie noch keinen Flintenschuß getan hat! Alle Provinzen der preußischen Monarchie bis zur Oder sind in unserer Gewalt. Soldaten! Die Russen brüsten sich, zu uns zu kommen; wir werden ihnen entgegengehen und die Hälfte des Weges ersparen. Mitten in Preußen werden sie noch einmal ein Austerlitz finden. Eine Nation, die sogleich die Großmut vergaß, die wir nach dieser Schlacht gegen sie geübt, wo ihr Kaiser, ihr Hof, die Trümmer ihrer Armee nur der ihnen von uns gewährten Kapitulation ihre Rettung verdankten, — eine solche Nation kann nicht mit Erfolg gegen uns kämpfen. Übrigens werden noch, während wir den Russen entgegenmarschieren, neue im Innern des Kaiserreichs gebildete Armeen an unsern Platz treten, um unsere Eroberungen zu hüten. Mein ganzes Volk hat sich voll Entrüstung über die schmähliche Kapitulation, die die preußischen Minister in ihrem Wahnsinn uns vorschlugen, erhoben: unsere Straßen und Grenzstädte wimmeln von Ausgehobenen, die darauf brennen, euren Fußtapfen zu folgen. Fortan werden wir nicht mehr einem verräterischen Frieden preisgegeben sein und die Waffen nicht eher niederlegen, als bis wir die Engländer, diese ewigen Feinde unserer Nation, gezwungen haben, ihren Anschlägen auf die Ruhe des Kontinents und ihrer angemaßten Herrschaft über die Meere zu entsagen. Soldaten, ich kann euch meine Gesinnungen nicht besser ausdrücken, als indem ich euch versichere, daß, ich für euch die Liebe im Herzen trage, die ihr mir alle Tage beweist.«
Während der König von Preußen auf Grund des am 16. November unterzeichneten Waffenstillstandes den Franzosen alle ihm noch gebliebenen festen Plätze übergibt, macht Napoleon halt, wendet sich gegen England zurück und schlägt es in Ermanglung anderer Waffen mit einem Erlaß. Großbritannien wird in Blockadezustand erklärt, jeder Handel und jeder Briefwechsel mit den britischen Inseln werden untersagt, kein Brief in englischer Sprache darf durch die Post befördert werden. Jeder Untertan des Königs Georg, der in Frankreich oder in den von unsern Truppen und den von unsern Verbündeten besetzten Ländern betroffen wird, soll Gefangener sein; jedes Geschäft, jeder Grundbesitz, jede Ware, die einem Engländer gehören, soll dem Staate verfallen sein; der Handel mit Waren, die einem Engländer angehören oder aus dessen Fabriken oder Kolonien stammen, wird verboten; endlich darf kein Schiff, das aus England oder den englischen Kolonien kommt, in irgendeinem Hafen einlaufen.
Nachdem er so wie ein politischer Papst, über ein ganzes Königreich den Bann verhängt hat, ernennt er den General Hullin zum Gouverneur von Berlin, beläßt den Fürsten Hatzfeld in seinem Zivilkommando und zieht den Russen entgegen, die, wie bei Austerlitz, ihren Verbündeten zu Hilfe eilen und, wie bei Austerlitz, eintreffen, wenn jene vernichtet sind. [Fußnote] Napoleon nimmt sich nur noch Zeit, den Degen Friedrichs des Großen, sein Ordensband vom Schwarzen Adler, seine Generalsschärpe und die Fahne, die seine Garde in dem weltberühmten Siebenjährigen Krieg trug, nach Paris zu schicken, und eilt am 25. November von Berlin aus dem Feinde entgegen.
Vor Warschau stoßen Murat, Davoust und Lannes auf die Russen. Nach einem kurzen Scharmützel räumt Bennigsen die Hauptstadt Polens, in die die Franzosen einziehen: das polnische Volk erhebt sich wie ein Mann für die Franzosen, bietet sein Gut, sein Blut, sein Leben an und verlangt nur seine Selbständigkeit dafür. Napoleon erfährt diesen ersten Erfolg in Posen, wo er haltgemacht hat, um einen König zu machen, es ist der alte Kurfürst von Sachsen, dessen Krone er befestigt. [Fußnote]
Das Jahr 1806 endigte, mit den Kämpfen von Pultusk und Golymin, und das von 1807 begann mit der Schlacht von Eylau, einer seltsamen, unentschiedenen Schlacht, in der die Russen 8000 und die Franzosen 10 000 Mann verloren, wobei jede der beiden Parteien sich den Sieg zuschrieb, und infolge deren der Zar ein Te Deum dafür singen ließ, daß er 15 000 Gefangene, 40 Kanonen und 7 Fahnen in unsern Händen zurückgelassen hatte. Indessen war dies das erstemal, daß er sich wirklich mit Napoleon gemessen hatte: er war dabei auf recht geblieben und darum schon Sieger.
Dieses stolze Bewußtsein dauerte übrigens kurze Zeit. Am 26. Mai wird Danzig genommen: einige Tage darauf wurden die Russen bei Spanden, bei Lomitten, bei Altkirchen, bei Deppen, bei Guttstadt, bei Heilsberg geschlagen. Endlich am 13. Juni abends stehen sich beide Armeen in Schlachtordnung vor Friedland gegenüber. Am folgenden Morgen beginnt die Kanonade, und Napoleon marschiert dem Feind entgegen mit dem Ausruf:»Heute ist ein Glückstag, es ist der Jahrestag von Marengo!«In der Tat brachte die Schlacht, wie bei Marengo, die Entscheidung. Die Russen wurden zermalmt. Alexander ließ 60 000 Mann [Fußnote] auf dem Schlachtfelde, ertränkt in der Alle oder gefangen, zurück: 120 Kanonen und 25 Fahnen waren die Trophäen des Sieges, und die Trümmer der überwundenen Armee liefen, ohne auch nur an die Möglichkeit eines Widerstandes zu denken, fliehenden Fußes, um sich jenseits des Pregels zu decken, dessen sämtliche Brücken sie zerstörten.