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Trotz dieser Vorsicht gingen die Franzosen am 16. über den Fluß und marschierten sogleich auf den Niemen zu, die letzte Schranke, die Napoleon noch zu durchbrechen hatte, um den Krieg auf das eigene Gebiet des Kaisers von Rußland zu tragen. Da erschrak der Zar: der Zauber der britischen Verführungen verschwindet. Er befindet sich in gleicher Lage wie nach Austerlitz, ohne Hoffnung auf Beistand; zum zweitenmal beschließt er, sich zu demütigen. Diesen Frieden, den er so hartnäckig zurückgewiesen hat, solange er dessen Bedingungen diktieren konnte, den muß er sich nun erbitten und in der von seinem Überwinder befohlenen Form entgegennehmen. Am 21. Juni wird ein Waffenstillstand unterzeichnet, und am 22. folgender Tagesbefehl erlassen:

«Soldaten!

Am 5. Juni wurden wir in unsern Kantonierungen von der russischen Armee angegriffen. Der Feind hatte sich aber in den Ursachen unserer Untätigkeit verrechnet; zu spät hat er erfahren, daß unsere Ruhe die Ruhe des Löwen ist; er bereut nun, daß er dies vergessen.

In den Tagen von Guttstadt, von Heilsberg und an jenem ewig denkwürdigen von Friedland, kurz in den zehn Tagen des Feldzugs, haben wir 120 Kanonen, 70 Fahnen genommen, 60 000 Russen getötet, verwundet oder gefangen und der feindlichen Armee alle ihre Vorräte, Spitäler, Feldlazarette, die Festung Königsberg und die mit Munition aller Art und mit 160 000 von England unsern Feinden geschickten Gewehren beladenen Schiffe in dessen Hafen abgenommen.

Mit Adlersflug sind wir von den Ufern der Weichsel an die des Niemen geeilt. Ihr feiertet bei Austerlitz den Jahrestag der Krönung, dieses Jahr habt ihr den von Marengo, der dem Krieg der zweiten Koalition ein Ziel setzte, festlich begangen. Franzosen, ihr waret euer und meiner würdig. Ihr werdet mit Lorbeeren bedeckt und nach Erringung eines Friedens, der die Gewähr seiner Dauer in sich trägt, nach Frankreich zurückkehren. Es ist Zeit, daß unser Vaterland in Ruhe und vor dem bösartigen Einflusse Englands behütet lebe. Meine Wohltaten werden euch meine Dankbarkeit und den ganzen Umfang der Zuneigung, die ich zu euch hege, beweisen!«

Am 24. Juni ließ der Artilleriegeneral La Riboissière ein Floß auf dem Niemen erbauen und darauf ein zum Empfang der beiden Kaiser bestimmtes Zelt errichten. Jeder sollte sich von dem Ufer, das er besetzt hielt, darauf begeben.

Am 25. um 1 Uhr nachmittags verließ der Kaiser Napoleon in Begleitung Murats, des Großherzogs von Berg, der Marschälle Berthier und Bessières, des Generals Duroc und des Großstallmeisters Caulaincourt das linke Ufer des Flusses und begab sich nach dem bereitgehaltenen Zelt. Zu gleicher Zeit brach der Kaiser Alexander in Begleitung des Großfürsten Konstantin, des Obergenerals Bennigsen, des Fürsten Lobanoff, des Generals Uwaroff und des Generaladjutanten Grafen von Lieven vom rechten Ufer auf.

Die beiden Fahrzeuge legten zu gleicher Zeit an. Als sie auf die Flöße traten, umarmten sich die beiden Kaiser.

Diese Umarmung war das Vorspiel des Friedens von Tilsit, der am 9. Juli 1807 unterzeichnet wurde.

Preußen zahlte die Kriegskosten; die Königreiche Sachsen und Westfalen wurden wie zwei Festungen zu seiner Überwachung errichtet. Alexander und Friedrich Wilhelm ernannten feierlich Joseph, Ludwig und Jerome als ihre gekrönten Brüder an. Der Erste Konsul Bonaparte hatte Republiken geschaffen, der Kaiser Napoleon verwandelte sie in Lehen. Als Erbe der drei Dynastien, die über Frankreich geherrscht hatten, wollte er die Hinterlassenschaft Karls des Großen noch vermehren, und Europa war genötigt, ihn gewähren zu lassen.

Am 27. Juli desselben Jahres kehrte Napoleon, nachdem er diesen glanzvollen Feldzug mit einem Zug des Milde beschlossen, nach Paris zurück. Kein Feind blieb ihm mehr übrig als England, das allerdings an den Niederlagen seiner Verbündeten blutete und furchtbar litt, aber immer noch an den beiden Enden des Festlandes, in Schweden und Portugal, aufrecht stand.

Durch die Verfügung der Kontinentalsperre von Berlin aus war England, wie gesagt, von Europa in den Bann getan. Rußland und Dänemark hatten ihm in den Nordmeeren, Frankreich, Holland und Spanien im Ozean und Mittelmeer ihre Häfen verschlossen und sich feierlich verpflichtet, keinen Handel mit ihm zu treiben. Es blieben also nur noch Schweden und Portugal übrig. Napoleon nahm Portugal, Alexander Schweden auf sich. Napoleon entschied durch eine Verfügung vom 27. Oktober 1807, daß das Haus Braganza aufgehört habe zu regieren, und Alexander verpflichtete sich am 27. Oktober 1808, gegen Gustav von Schweden ins Feld zu ziehen.

Einen Monat später waren die Franzosen in Lissabon.

Die Besetzung Portugals war nur die Einleitung zur Eroberung Spaniens, wo Karl lV. zwischen dem Kreuzfeuer zweier entgegengesetzter Machthaber, des Günstlings Godoy und Ferdinands, des Prinzen von Asturien, regierte. Durch eine ungeschickte, von Godoy veranlaßte Schilderhebung zur Zeit des preußischen Krieges vor den Kopf gestoßen, hatte Napoleon nur einen Blick auf Spanien geworfen, einen kurzen, unbemerkten Blick, der aber genügt hatte, ihm die Aussicht auf Neubesetzung eines bald erledigten Thrones zu eröffnen. Kaum waren daher seine Truppen im Besitze Portugals, als sie in die Iberische Halbinsel vordrangen. Hier besetzten sie unter dem Vorwand des Seekriegs und der Blockade zuerst die Küsten, sodann die Hauptplätze und bildeten endlich rings um Madrid einen Kreis, den sie nur enger zu ziehen brauchten, um in drei Tagen Herren der Hauptstadt zu sein. Unterdessen brach gegen den spanischen Minister ein Aufstand aus, und der Prinz von Asturien wurde unter dem Namen Ferdinand VII. an seines Vaters Stelle zum König ausgerufen. Weiter hatte Napoleon nichts gewünscht.

Sogleich ziehen die Franzosen in Madrid ein. Der Kaiser eilt nach Bayonne, beruft die spanischen Fürsten zu sich, zwingt Ferdinand VII., die Krone seinem Vater zurückzugeben, und schickt ihn gefangen nach Valençan. Unmittelbar darauf dankt der alte Karl IV. zugunsten Napoleons ab und zieht sich nach Compiègne zurück. Karls V. Krone wird Napoleons' ältestem Bruder Joseph zugesprochen. Durch diese Veränderung wird der Thron von Neapel frei, den Napoleon seinem Schwager Murat zuspricht, so daß nun außer seiner eigenen fünf Kronen im Besitz seiner Familie sind.

Aber indem Napoleon den Kreis seiner Macht erweiterte, erweitert er seinen Kampfplatz. Die durch die Blockade geschädigten Interessen Hollands, das durch die Erschaffung der Königreiche Bayern und Württemberg erniedrigte Österreich, das in seinen Hoffnungen getäuschte Rom, dem die Rückgabe der von dem Direktorium mit der Zisalpinischen Republik vereinigten Provinzen an den heiligen Stuhl verweigert wird, endlich Spanien und Portugal, deren nationale Gefühle schrecklich vergewaltigt werden, bilden ebenso viele Echos, die Englands unaufhörlichen Kriegsruf widerhallen lassen.

Von allen Seiten bildete sich mit einem Male ein gewaltiger Gegenstoß, wenn er auch zu verschiedenen Zeiten losbrach.

Rom ging voran. Am 3. April verließ der Legat des Papstes Paris, und sofort erhielt der General Miollis den Befehl, Rom militärisch zu besetzen. Der Papst bedrohte unsere Truppen mit Exkommunikation, unsere Truppen antworteten ihm mit der Einnahme von Ankona, Urbino, Macerata und Camerino.