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Um 3 Uhr reitet Napoleon noch einmal aus, um sich zu versichern, daß nichts sich geändert hat; er kommt auf den Höhen von Borodino an und wiederholt dort, das Glas in der Hand, seine Beobachtungen. Obgleich ihn nur wenige Personen begleiten, wird er doch erkannt: ein Kanonenschuß, der einzige, der während dieses ganzen Tages gelöst wurde, fährt aus den russischen Linien, und die Kugel schlägt einige Schritte vom Kaiser nieder.

Um 4 ½ Uhr kehrt der Kaiser nach seinem Feldlager zurück, er trifft dort Herrn v. Bausset, der ihm Briefe von Marie Luise und das Porträt des Königs von Rom von Gerard überbringt. Das Porträt ist vor dem Zelt aufgestellt, und darum hat sich ein Kreis von Marschällen, Generalen und Offizieren gebildet.

«Nehmt dieses Porträt weg, «sagt Napoleon,»das hieße ihm allzufrüh ein Schlachtfeld zeigen. «In sein Zelt zurückgekehrt, diktiert Napoleon folgende Befehle:

«Während der Nacht sind zwei Schanzen gegenüber den vom Feind erbauten und im Laufe des Tags erkundeten, aufzuwerfen.

Die Schanze links wird mit 42 Feuerschlünden und die rechts mit 72 besetzt.

«Mit Tagesanbruch wird die rechte Schanze zu feuern anfangen, die linke wird anfangen, sobald sie auf der rechten schießen gehört hat.

Der Vizekönig läßt dann eine größere Zahl Plänkler, die ein wohlgenährtes Gewehrfeuer unterhalten, vorrücken. Das dritte und das achte Korps unter den Befehlen des Marschalls Ney werden ebenfalls einige Plänkler vorsenden.

Der Fürst von Eckmühl wird in seiner Stellung verbleiben.

Der Fürst Poniatowsky wird mit dem fünften Korps vor Tagesanbruch aufbrechen, so daß er die Linke des Feindes vor 6 Uhr morgens umgangen hat.

Ist die Schlacht begonnen, so wird der Kaiser seine Befehle nach den Erfordernissen der Lage erteilen.«

Nach Feststellung dieses Planes verteilt Napoleon seine Truppen derart, daß die Aufmerksamkeit des Feindes nicht zu sehr erweckt wird. Jeder erhält seine Verhaltungsbefehle, die Schanzen steigen empor, die Artillerie setzt sich in Stellung; mit Tagesanbruch sollen 120 Feuerschlünde mit Kugeln und Haubitzen die Werke überschütten, deren Wegnahme dem rechten Flügel aufgetragen ist.

Kaum kann Napoleon eine Stunde schlafen; jeden Augenblick läßt er fragen, ob der Feind noch da sei; verschiedene Bewegungen, die er ausführt, lassen zwei-, dreimal seinen Rückzug vermuten. Es ist aber nicht an dem; er macht nur seinen Fehler wieder gut, auf den Napoleon seinen ganzen Schlachtplan gebaut hat, indem er auf seine Linke das ganze Korps von Tutschkoff, das alle schwachen Punkte besetzt, hinüberbringt.

Um 4 Uhr tritt Rapp in das Zelt des Kaisers und trifft ihn die Stirn auf beide Hände stützend; er blickt auf.

«Nun? Rapp!«fragt er.

«Sire, sie sind noch da.«

..Das wird eine schreckliche Schlacht werden! Rapp, glauben Sie an den Sieg?«

«Ja, Sire, aber an einen blutigen.«

«Ich weiß das, «antwortete Napoleon:»aber ich habe 80 000 Mann, 20 000 werde ich verlieren und mit 60 000 in Moskau einziehen: die Nachzügler werden sich dort wieder anschließen, desgleichen die Marschbataillone, und wir werden stärker sein als vor der Schlacht.«

Man sieht, Napoleon hatte bei der Zahl seiner Streiter weder seine Garde noch seine Kavallerie mitgezählt: er ist fest entschlossen, die Schlacht ohne sie zu gewinnen, es soll ein Artilleriekampf sein.

In diesem Augenblick erschallt allgemeines Freudengeschrei: der Ruf:»Es lebe der Kaiser «durchfliegt die ganze Linie: bei den ersten Strahlen der Sonne hat man den Soldaten folgenden Tagesbefehl, einen der schönsten, offensten und gedrängtesten Napoleons, vorgelesen:

«Soldaten!

Da ist endlich diese Schlacht, nach der ihr so sehr verlangt habt: von nun an hängt der Sieg nur von euch ab: er ist notwendig; er wird uns Übelfluß verschaffen und gute Winterquartiere und eine schnelle Rückkehr ins Vaterland sichern. Seid die Soldaten von Austerlitz, Friedland, Witebsk und Smolensk, und die späteste Nachwelt soll von euch sagen, wenn sie von einem unter uns redet:

Er ist bei der großen Schlacht unter den Mauern Moskaus gewesen.«

Kaum hört das Rufen auf, so läßt Ney, der immer Ungeduldige, um die Erlaubnis bitten, den Kampf eröffnen zu dürfen. Alles greift sogleich zu den Waffen; jeder bereitet sich zu dem großen Schauspiel vor, das über das Schicksal Europas entscheiden soll. Die Adjutanten fliegen wie Pfeile nach allen Richtungen. Compans, der schon vor zwei Tagen so gut eingeleitet hat, soll sich längs dem Holzschlag einschieben, das Gefecht mit Wegnahme der Schanze, die der äußersten Linken der Russen zum Schutze dient, beginnen, und Davoust soll ihn unterstützen, indem er im Holzschlag selbst ungesehen vorwärts geht, während die Division Friant in Reserve bleibt. Sobald sich Davoust der Schanze bemächtigt hat, soll Ney staffelförmig vorrücken, um Semenowskoë zu erstürmen; seine Divisionen haben bei Valutina sehr gelitten und zählen kaum 15 000 Streiter; 10 000 Westfalen sollen sie verstärken und die zweite Linie bilden, die junge und alte Garde die dritte und vierte. Murat hat seine Reiterei zu teilen. Links von Ney, dem feindlichen Zentrum gegenüber, wird Montbruns Korps stehen. Nansouti und Latour-Maubourg werden eine Stellung einnehmen, die ihnen gestattet, den Bewegungen unsers rechten Flügels zu folgen. Grouchy endlich soll den Vizekönig unterstützen, der, durch die von Davoust abgetrennten Divisionen Morand und Gerard verstärkt, zuerst Borodino wegnehmen, dort die Division Delzons zurücklassen und mit den drei übrigen, die Kaluga auf den in der Frühe geschlagenen drei Brücken überschreitend, die große, auf ihrem rechten Ufer angebrachte Schanze des Zentrums angreifen wird. Eine halbe Stunde reicht hin. diese Befehle zu überbringen: es ist 5 ½ Uhr morgens; die Schanze rechts eröffnet ihr Feuer, die links erwidert es, alles setzt sich in Bewegung, alles marschiert, alles geht vorwärts. [Fußnote]

Davoust stürzt mit seinen beiden Divisionen vorwärts in den Kampf. Eugens linker Flügel, aus der Brigade Plausonne gebildet, der auf Beobachtung hätte stehenbleiben und mit dem Besitz von Borodino sich begnügen sollen, läßt sich, trotz dem Gegenbefehl seines Generals von blinder Hitze hinreißen, geht über das Dorf hinaus und stößt sich an den Höhen von Gorki, wo ihn die Russen von vorn und von der Seite zusammenschmettern. Da eilt das 92. Regiment dem 106. zu Hilfe, sammelt dessen Trümmer und führt es heraus, aber halbvernichtet und infolge des Falls seines Generals führerlos.

In diesem Augenblick wirft Napoleon, in der Voraussetzung, daß Poniatowsky Zeit gehabt hat, seine Bewegung auszuführen, Davoust auf die erste Schanze: die Divisionen Compans und Desaix folgen ihm, 30 Kanonen mit sich schleppend. Die ganze feindliche Linie blitzt auf gleich einer angezündeten Pulvermine.

Unser Fußvolk rückt vor, ohne einen Schuß zu tun, es eilt, das Feuer des Feindes zu überfallen und es ist zu ersticken. Compans wird verwundet; Rapp eilt an seine Stelle; er stürmt im Sturmschritt mit gefälltem Bajonett daher; im Augenblick, wo er die Schanze erreicht, fällt er, von einer Kugel getroffen, es ist seine zweiundzwanzigste Wunde. Ein dritter nimmt seinen Platz ein und wird gleichfalls getroffen, Davousts Pferd fällt von einer Kanonenkugel, der Fürst von Eckmühl rollt in den Kot, man glaubt, er sei getötet, aber er steht wieder auf, steigt auf ein anderes Pferd und kommt mit einer Quetschung weg.