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An demselben Tage noch finden acht Stunden lang Kämpfe statt. Die französische Armee ist siegreich, aber ein Armeekorps, das von Dresden erwartet, um die Niederlage der Feinde zu vervollständigen, langt nicht an. Nichtsdestoweniger übernachten wir auf dem Schlachtfelde.

Am 17. erhält die russische und österreichische Armee Verstärkung, und am 18. greift sie nun ihrerseits an.

Vier Stunden lang wird der Kampf von den Franzosen ohne Nachteil ausgehalten, plötzlich aber gehen 30 000 Sachsen, die eine der wichtigsten Stellungen in der Schlachtlinie einnehmen, zu dem Feinde über und wenden 60 Feuerschlünde geradezu gegen uns. Alles scheint verloren, so unerhört ist dieser Abfall, so schrecklich diese Veränderung.

Napoleon eilt mit der Hälfte seiner Garde herbei, greift die Sachsen an, jagt sie vor sich her, nimmt ihnen einen Teil seiner Artillerie wieder ab und zerschmettert sie mit den von ihnen selbst geladenen Kanonen. Die Alliierten machen eine rückgängige Bewegung: sie haben in diesen zwei Tagen 150 000 Mann ihrer besten Truppen verloren. [Fußnote] Auch diese Nacht noch schlafen wir auf dem Schlachtfelde.

Das grobe Geschütz hat, wenn auch nicht das Gleichgewicht ganz wiederhergestellt, doch wenigstens das große Mißverhältnis aufgehoben, und eine dritte Schlacht bietet sich unter günstigen Aussichten dar, als man Napoleon meldet, daß nur noch zu 16 000 Schüssen Munition vorhanden ist, nachdem man während der zwei letzten Schlachten 220 000 Schüsse abgefeuert hat. Da tut es not, an den Rückzug zu denken. Der Erfolg beider Siege ist verloren: 50 000 Mann sind unnütz geopfert worden.

Um zwei Uhr morgens beginnt die rückgängige Bewegung in der Richtung nach Leipzig. Die Armee will sich hinter die Elster zurückziehen, um mit Erfurt, woher sie die notwendige Munition erwartet, in Verbindung zu stehen. Aber der Rückzug wird nicht so geheim ausgeführt, daß die verbündete Armee nicht darüber erwachte. Anfangs glaubt sie, es stehe ihr ein Angriff bevor, und setzt sich in Bereitschaft; doch bald erfährt sie die Wahrheit. Die siegreichen Franzosen ziehen sich zurück; sie weiß nicht warum, aber sie benutzt ihren Rückzug. Mit Tagesanbruch greifen die Alliierten unsere Nachhut an und dringen mit ihr in Leipzig ein. Unsere Soldaten kehren um, machen Front gegen den Feind, kämpfen Schritt für Schritt, um der Armee zum Übergang über die einzige Elsterbrücke, auf der der Rückzug stattfinden kann, Zeit zu verschaffen. Plötzlich hört man eine schreckliche Explosion; man stutzt, man erkundigt sich und erfährt, daß ein Sergeant ohne Befehl von seinem Chef die Brücke in die Luft gesprengt hat. 40 000 Franzosen, verfolgt von 200 000 Russen und Österreichern, sind durch einen reißenden Fluß von der Armee getrennt; sie müssen sich ergeben oder abschlachten lassen. Ein Teil ertrinkt, der andere begräbt sich unter den Trümmern der Ranstädter Vorstadt.

Am 20. gelangt die französische Armee nach Weißenfels und fängt an, sich ihrer Verluste bewußt zu werden. Der Fürst Poniatowsky, die Generale Vial, Dumoutier und Rochambeau sind ertrunken oder gefallen, der Fürst von der Moskwa, der Herzog von Ragusa, die Generale Souham, Campans, Latour-Maubourg und Friedrichs verwundet, der Prinz Emil von Darmstadt, der Graf Hochberg, die Generale Lauriston, Delmas, Rozniecki, Krasinski, Valory, Bertrand, Dorsenne, d'Etzko, Colomy, Bronikowski, Siwowitz, Malachowski, Rautenstrauch und Stockhorn in Gefangenschaft geraten. Wir haben in der Elster und in den Vorstädten 10 000 Tote, 15 000 Gefangene, 150 Kanonen und 500 Munitionswagen gelassen.

Was von Rheinbundstruppen noch übriggeblieben, das war auf dem Weg von Leipzig nach Weißenfels ausgerissen. — Zu Erfurt, wo sie am 25. anlangte, zählte die französische Armee, auf ihre eigenen Kräfte beschränkt, nur noch ungefähr 80 000 Mann.

Am 28. erhält Napoleon in Schlüchtern genaue Aufschlüsse über die Bewegungen der österreichisch-bayrischen Armee; sie hat Eilmärsche gemacht und ist an den Main vorgerückt.

Am 30. steht sie vor Hanau in Schlachtordnung, uns den Weg nach Frankfurt zu verrammeln. Die französische Armee stößt auf sie, rückt ihr auf den Leib, tötet ihr 6000 Mann und setzt am 5., 6. und 7. November über den Rhein.

Am 9. ist Napoleon wieder in Paris.

Hier verfolgt ihn Abfall auf Abfall, der sich von außen immer mehr nach innen ausdehnt: nach Rußland Deutschland, nach Deutschland Italien, nach Italien Frankreich.

Die Schlacht von Hanau hatte zu neuen Konferenzen Veranlassung gegeben. Der Baron von St. Aignan, der Fürst von Metternich, der Graf Nesselrode und Lord Aberdeen waren in Frankfurt zusammengetreten. Napoleon sollte den Frieden erhalten, wenn er den Rheinbund aufgebe, Polen und den Elbdepartements entsage. Frankreich solle innerhalb seiner natürlichen Grenzen, der Alpen und des Rheins bleiben. Man werde dann in Italien eine Grenze ausmitteln, die uns vom Hause Österreich absondere.

Napoleon willigte in diese Grundlagen und ließ dem Senat und Gesetzgebenden Körper die Verhandlungsprotokolle vorlegen, mit der Erklärung, daß er bereit sei, die verlangten Opfer zu bringen. Der Gesetzgebende Körper, der damit unzufrieden war, daß ihm Napoleon einen Präsidenten gesetzt, ohne ihm vorher Kandidaten vorgeschlagen zu haben, ernannte eine Kommission von fünf Mitgliedern zur Prüfung dieser Protokolle. Diese fünf durch ihre Opposition gegen das kaiserliche System bekannten Berichterstatter waren die Herren Lainé, Galloig, Flaugergues, Raynouard und Maine de Biran. Sie verfaßten ein Schriftstück, in dem sie das seit elf Jahren vergessene Wort »Freiheit« wieder anwandten. Napoleon zerriß das Schriftstück und entließ den Gesetzgebenden Körper. Während dieser Zeit enthüllten sich die wahren Absichten der verbündeten Herrscher trotz aller täuschenden Protokolle. Wie bei Prag hatten sie nur Zeit gewinnen wollen; von neuem brachen sie die Konferenzen ab, mit der Vertröstung auf einen baldigen Kongreß zu Chatillon an der Seine. Das war eine Herausforderung und ein Hohn zugleich. Napoleon nahm die erstere an und rüstete sich, den zweiten zu rächen. Am 25. Januar 1814 verließ er Paris und übergab Gemahlin und Sohn dem Schutz der Offiziere der Nationalgarde.

An allen Enden wurde das Kaiserreich angegriffen. Die Österreicher drangen in Italien vor, die Engländer hatten die Bidassoa überschritte und zeigten sich auf dem Kamm der Pyrenäen. Schwarzenberg drang mit der großen, 150 000 Mann starken Armee durch die Schweiz ein, Blücher hatte mit 130 000 Preußen Frankfurt besetzt; [Fußnote] Bernadotte überzog Holland und nahm Belgien mit 100 000 Schweden und Sachsen. 700 000 Krieger, die durch ihre Niederlagen in der großen napoleonischen Kriegsschule ausgebildet waren, schritten, alle festen Plätze umgehend, gegen das Herz Frankreichs vor mit der einzigen Losung: Paris! Paris!

Napoleon steht allein gegen eine ganze Welt. — Diesen zahllosen Massen hat er kaum 150 000 Mann entgegenzustellen. Aber er hat, wenn auch nicht das Vertrauen, so doch das Genie seiner jungen Jahre wiedergefunden; der Feldzug von 1814 soll sein strategisches Meisterstück sein.

Mit einem Blicke hat er alles gesehen, alles umfaßt, und, soweit es in der Macht eines Menschen steht, für alles gesorgt. Maison ist beauftragt, Bernadotte in Belgien aufzuhalten, Augereau soll den Österreichern nach Lyon entgegenziehen, Soult die Engländer hinter der Loire festhalten, Eugen Italien verteidigen; er selbst will Blücher und Schwarzenberg auf sich nehmen.

Er wirft sich zwischen beide mit 60 000 Mann, fliegt von einer Armee zur andern, zerschmettert Blücher bei Champaubert, Montmirail, bei Château-Thierry und bei Montereau. [Fußnote] In zehn Tagen hat Napoleon fünf Siege davongetragen, und die Alliierten haben 90 000 Mann verloren. [Fußnote]