Выбрать главу

Der 15. August, der Geburtstag des Kaisers, brach an. Er wurde mit schwer zu beschreibendem Freudentaumel gefeiert, was für Napoleon, der an offizielle Feste gewöhnt war, ein ganz neues Schauspiel sein mußte. Die Stadt gab dem Kaiser und seiner Garde einen Ball; auf dem großen Platz wurde ein weites, schön verziertes Zelt errichtet, und Napoleon befahl, es auf allen Seiten offen zu lassen, damit das ganze Volk am Feste teilnehme.

Was man allenthalben an öffentlichen Arbeiten unternahm, ist unglaublich. Zwei italienische Architekten, die Herren Bargini, ein Römer, und Bettarini, ein Toskaner, entwarfen die Pläne dazu, aber fast jedesmal änderte der Kaiser ihre Entwürfe nach seinen Gedanken und war so der eigentliche Schöpfer und Baumeister. So änderte er den Riß mehrerer angefangener Straßen, machte eine Quelle ausfindig, deren Wasser ihm besser zu sein schien als das, das man in Portoferrajo trank, und führte sie bis an die Stadt.

Obgleich man vermuten konnte, daß Napoleon mit seinem Adlerblick den europäischen Ereignissen folgte, hatte er sich doch den Anschein nach ganz in sein Schicksal ergeben. Es zweifelte sogar niemand daran, daß er sich mit der Zeit an dieses neue Leben gewöhnen werde, wo er von der Liebe aller derer, die sich ihm näherten, umgeben war, — als die verbündeten Souveräne es selbst auf sich nahmen, den Löwen wiederzuwecken, der vermutlich gar nicht schlief.

Schon seit mehreren Monaten weilte Napoleon in, seinem kleinen Reich, das er mit allen Mitteln zu verschönern suchte, die ihm sein feuriger und erfinderischer Geist eingab, das er insgeheim benachrichtigt wurde, man berate über seine Entfernung von der Insel.

Frankreich verlangte durch sein Organ, den Herrn von Talleyrand, mit großem Nachdruck auf dem Kongresse in Wien diese angeblich für seine Sicherheit unumgänglich notwendige Maßregel, indem es unaufhörlich vorstellte, wie gefährlich es für die regierende Dynastie sei, wenn Napoleon so nahe an den Küsten Italiens und der Provence sich aufhalte. Es machte dem Kongresse namentlich bemerkbar, daß der berühmte Geächtete, wenn man seine weitere Verbannung nicht bald veranlasse, in vier Tagen nach Neapel gelangen und von da mit Hilfe seines Schwagers Murat, der dort noch regiere, an der Spitze einer Armee in die bereits unzufriedenen Provinzen Oberitaliens dringen, sie durch den ersten Aufruf zur Empörung verleiten und so den tödlichen Kampf, den man kaum beendigt habe, wieder erneuern könne.

Um diese Verletzung des Vertrags von Fontainebleau in etwas zu rechtfertigen, legte man eine Korrespondenz des Generals Excelmanns mit dem Könige von Neapel vor, die eben erst aufgefangen worden war und eine auf frischer Tat ertappte Verschwörung vermuten ließ, deren Mittelpunkt die Insel Elba war, und die sich über Italien und Frankreich verzweigte. Der Verdacht verstärkte sich bald durch eine andere Verschwörung, die man zu Mailand entdeckte, und an der mehrere Oberoffiziere der alten italienischen Armee beteiligt waren.

Österreich sah die gefährliche Nachbarschaft ebenfalls nicht mit ruhigen Augen an; die Augsburger Zeitung, sein Organ, sprach dies auch ganz offen aus; man las dort nachstehende Mitteilung:

«So beunruhigend auch die Mailänder Ereignisse sind, so darf man sich nichtsdestoweniger in dem Gedanken beruhigen, daß sie vielleicht dazu beitragen können, so bald als möglich einen Menschen Zu entfernen, der auf dem Felsen der Insel Elba die Fäden dieser durch sein Gold angezettelten Meutereien in den Händen hielt und, solange er in der Nähe der italienischen Küsten bleibt, die Souveräne dieser Länder nicht in ihrem ruhigen Besitz lassen wird.«

Jedoch wagte es der Kongreß trotz der allgemeinen Überzeugung nicht, auf so schwache Beweise hin einen Beschluß zu fassen, der in geradem Widerspruch mit den Grundsätzen der von den verbündeten Monarchen so nachdrücklich verkündeten Mäßigung stand. Er beschloß, um den Anschein zu vermeiden, als verletze man die bestehenden Verträge, Napoleon Eröffnungen zu machen und ihn zum freiwilligen Verlassen Elbas zu bestimmen zu suchen, mit dem Vorbehalt, Gewalt zu brauchen, falls er sich widersetzen würde. Man beschäftigte sich also sofort mit der Wahl eines andern Aufenthaltes. Es wurde auf Malta hingewiesen. Allein England sah hier Vorteile für Napoleon, aus einem Gefangenen konnte er Großmeister werden; es brachte daher St. Helena in Vorschlag. [Fußnote]

Napoleons Gedanke war, daß diese Gerüchte durch seine Feinde selbst verbreitet seien, um ihn zu irgendeiner Handlung der Verzweiflung zu veranlassen, die dann gestattete, die ihm gemachten Versprechen zu verletzen. Infolgedessen entsandte er sogleich einen verschwiegenen, geschickten und treuen Agenten nach Wien, mit dem Auftrag, festzustellen, ob die ihm mitgeteilten Nachrichten glaubwürdig seien. Dieser Mann war an den Prinzen Eugen Beauharnais empfohlen, der damals in Wien anwesend war, im Vertrauen des Kaisers Alexander stand und daher wissen mußte, was auf dem Kongreß vorging. Der Agent verschaffte sich bald alle nötigen Auskünfte und ließ sie an den Kaiser gelangen. Überdies richtete er einen sicheren Briefwechsel ein, durch den Napoleon über alles, was sich zutrug, auf dem laufenden gehalten wurde.

Außer diesem Briefwechsel mit Wien unterhielt Napoleon Verbindungen mit Paris, und jede Nachricht, die ihm von dort zukam, zeugte von einer wachsenden Erregung gegen die Bourbonen. In dieser zweideutigen Lage, die ihn zu einem Entschluß nötigte, kam ihm der erste Gedanke an den riesenhaften Entwurf, den er bald zur Ausführung brachte.

Napoleon übertrug, was er in Wien getan hatte, auf Frankreich. Er entsandte Boten mit geheimen Anweisungen, die die Wahrheit feststellen und, wenn Gelegenheit dazu wäre, Verbindungen mit seinen treu gebliebenen Freunden und mit Heerführern, die sich am meisten zurückgesetzt sahen und deswegen am unzufriedensten sein mußten, anknüpfen sollten.

Diese Boten bestätigten ihm bei ihrer Rückkehr die Nachrichten, an die Napoleon nicht zu glauben gewagt hatte. Zugleich geben sie ihm die Versicherung, es herrsche eine dumpfe Gärung im Volke und in der Armee, alle Unzufriedenen, die nicht zu zählen seien, richteten die Augen auf ihn und wünschten nichts sehnlicher als seine Rückkehr; ein Ausbruch sei unvermeidlich, und die Bourbonen könnten unmöglich lange gegen den öffentlichen Haß ankämpfen, den die Unerfahrenheit und Unvorsichtigkeit ihrer Regierung hervorgebracht hätte.

Es war also kein Zweifel mehr, hier drohte die Gefahr, dort winkte die Hoffnung: hier ein ewiges Gefängnis auf einem Felsen mitten im Ozean, dort die Herrschaft der Welt!

Mit gewohnter Blitzesschnelle faßte Napoleon seinen Entschluß; in weniger als acht Tagen war in seinem Geiste alles entschieden. Es handelte sich nur noch um die Zurüstungen zu dem Riesenunternehmen, ohne den Argwohn des englischen Kommissars zu erwecken, der von Zeit zu Zeit die Insel Elba besuchte, und unter dessen Oberaufsicht man alle Schritte des Exkaisers gestellt hatte.

Dieser Kommissar war Oberst Campbell, der den Kaiser bei seiner Ankunft begleitet hatte. Er hatte eine englische Fregatte zur Verfügung, mit der er beständig von Portoferrajo nach Genua, von Genua nach Livorno, von Livorno nach Portoferrajo fuhr. Sein Aufenthalt hier währte gewöhnlich 14 Tage, während deren der Oberst ans Land stieg und Napoleon dem Anschein nach seine Aufwartung machte.

Außerdem galt es, die geheimen Agenten, die auf der Insel sein konnten, zu täuschen, den naturgemäßen Scharfsinn der Einwohner abzuleiten, kurz, über seine Absichten völlig irrezuführen.

Zu diesem Zwecke ließ Napoleon die angefangenen Arbeiten eifrig fortsetzen, mehrere neue Straßen, die er in allen Richtungen, quer durch und um die Insel herum, zu führen beschloß, anlegen, die von Portoferrajo nach Portocongone ausbessern und für Fuhrwerke Herrichten, endlich ließ er, da es wenig Bäume auf der Insel gab, vom Kontinent eine große Anzahl Maulbeerbäume kommen, die er an beiden Seiten des Wegs zu pflanzen befahl. Dann ließ er es sich angelegen sein, seinen Landpalast in San Martino weiter auszubauen. Er bestellte in Italien Statuen und Vasen, kaufte Orangenbäume und seltene Pflanzen; kurz er schien alle Mühe darauf zu verwenden, wie auf eine Wohnung, die er lange Zeit bewohnen wollte.