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Aber jetzt verbreitete sich eine neue und ernstere Unruhe als die erste auf der ganzen Flottille. Man entdeckte plötzlich nördlich unter dem Wind, etwa 5 Meilen entfernt, eine Fregatte, eine andere tauchte zu gleicher Zeit an den Küsten Korsikas auf, und zu guter Letzt sah man in der Entfernung ein drittes Kriegsschiff mit günstigem Winde auf die Flottille zusteuern.

Da gab es kein Zögern mehr, man mußte auf der Stelle einen Entschluß fassen. Die Nacht rückte heran, und im Schutze der Dunkelheit konnte man den Fregatten entgehen, aber das Kriegsschiff steuerte immer näher, und man konnte es bereits als eine französische Brigg erkennen. Der erste Gedanke, der sich jetzt aller bemächtigte, war, das Unternehmen sei entdeckt oder verraten, und man habe es mit überlegenen Kräften zu tun. Der Kaiser allein behauptete, der Zufall habe die drei Fahrzeuge herbeigeführt, die miteinander nichts zu tun und nur dem Anscheine nach feindselige Absichten hätten. Er war überzeugt, daß man eine so geheim ausgeführte Expedition nicht so schnell erfahren haben könne, um ein ganzes Geschwader zu ihrer Verfolgung in Bewegung zu setzen.

Trotz dieser Überzeugung befahl er, die Luken zu öffnen, und beschloß, im Fall eines Angriffes zu entern, fest, überzeugt, daß er mit seiner Veteranenmannschaft die feindliche Brigg nehmen und dann seinen Weg ruhig fortsetzen könne, indem er sich durch eine nächtliche Fahrt in entgegengesetzter Richtung der Verfolgung der Fregatten entzöge. Jedoch immer noch in der Hoffnung, der Zufall allein habe die drei Schiffe, die man sah, hier vereinigt, befahl er den Soldaten und allen Personen, die Verdacht erregen konnten, unter das Verdeck zu gehen, und Signale teilten sogleich den andern Fahrzeugen diesen Befehl mit. Nachdem diese Vorsichtsmaßregel getroffen war, wartete man die Ereignisse ab.

Um 6 Uhr abends waren die beiden Fahrzeuge in der Nähe und im Bereich des Sprachrohrs. Obgleich es schnell dunkel zu werden anfing, erkannte man doch die französische Brigg Zephyr, Kapitän Andrieux. Im übrigen konnte man leicht aus ihren Bewegungen erkennen, daß sie mit ganz friedlichen Absichten nahte. Die Voraussagungen des Kaisers erwiesen sich also als zutreffend.

Als sich die beiden Briggs erkannten, grüßten sie sich nach Seebrauch und wechselten, ihren Lauf fortsetzend, einige Worte. Die beiden Kapitäne fragten sich gegenseitig nach dem Ort ihrer Bestimmung. Kapitän Andrieux antwortete, er gehe nach Livorno. Die Antwort des Inconstant besagte, er gehe nach Genua und werde gern Aufträge mitnehmen. Der Kapitän Andrieux dankte und fragte, wie sich der Kaiser befinde. Bei dieser Frage kann Napoleon dem Wunsche nicht widerstehen, an einer für ihn so interessanten Unterhaltung teilzunehmen; er nimmt das Sprachrohr aus den Händen des Kapitäns Chotard und antwortet:»Vorzüglich«. Nach dem Austausch dieser Mitteilungen setzten beide Briggs ihren Weg fort und verloren sich in der Nacht.

Man fuhr mit allen Segeln und sehr frischem Winde weiter, so daß man am andern Tage, den 28., das Kap Corse umschiffte. An diesem Tage signalisierte man abermals ein Kriegsschiff von 74 Kanonen auf hoher See, das gegen Bastia segelte. Es erregte keine Unruhe: vom ersten Augenblick an erkannte man, daß es keine schlimmen Absichten hatte.

Ehe Napoleon die Insel Elba verließ, hatte er zwei Aufrufe verfaßt. Als er sie aber ins reine schreiben lassen wollte, konnte sie niemand, auch er selbst nicht, entziffern. Da warf er sie ins Meer und diktierte sogleich zwei andere, der eine richtete sich an die Armee, der andere an das französische Volk. Alle, die schreiben konnten, verwandelten sich sofort in Sekretäre, alles wurde zum Pult. Trommeln, Bänke, Tschakos, und jeder setzte sich an die Arbeit. Mitten in dieser Arbeit bemerkte man die Küsten von Antibes, die mit begeistertem Rufe begrüßt wurden.

Die Hundert Tage

Den 1. März um drei Uhr ging die Flottille im Golf Juan vor Anker, um fünf Uhr stieg Napoleon ans Land, und es wurde in einem Olivenwäldchen biwakiert, wo man noch jetzt den Baum zeigt, an dessen Fuß der Kaiser sich niederließ. Fünfundzwanzig Grenadiere und ein Gardeoffizier wurden in demselben Augenblick nach Antibes gesandt, um die Garnison zu gewinnen: aber von ihrer Begeisterung fortgerissen, zogen sie in die Stadt ein mit dem Rufe:»Es lebe der Kaiser!«Man wußte noch nichts von der Landung Napoleons und hielt die Leute für wahnsinnig. Der Kommandant ließ die Brücke aufziehen, und die 25 Tapfern sahen sich gefangen.

Das war ein rechter Unstern; auch schlugen einige Offiziere Napoleon vor, nach Antibes zu marschieren und es mit Gewalt zu nehmen, um dem übeln Eindruck zuvorzukommen, den der Widerstand dieses Platzes auf die öffentliche Meinung hervorbringen könnte. Napoleon antwortete, daß man auf Paris und nicht auf Antibes losgehen müsse, und indem er dem Wort die Tat folgen ließ, hob er das Biwak mit dem Aufgang des Mondes auf.

Noch mitten in der Nacht erreichte die kleine Armee Cannes, zog gegen sechs Uhr morgens durch Grasse und machte auf einer Anhöhe halt, die die Stadt beherrscht. Kaum hatte sich Napoleon dort festgesetzt, als er von den Bewohnern der Umgegend, bei denen sich das Gerücht seiner wunderbaren Landung bereits verbreitet hatte, umringt wurde. Er empfing sie, wie er dies in den Tuilerien getan haben würde, indem er ihre Klagen anhörte, Bittschriften entgegennahm und ihnen Gerechtigkeit versprach. Der Kaiser glaubte in Grasse eine Straße zu finden, deren Anlage er im Jahre 1813 befohlen hatte, aber die Straße war nicht fertig. Er mußte sich also entschließen, in der Stadt seinen Wagen und die vier kleinen, von der Insel Elba mitgebrachten Artilleriestücke zurückzulassen. Man nahm seinen Weg über die noch mit Schnee bedeckten Bergpfade, und des Abends blieb man nach einem Marsch von zwanzig Stunden im Dorfe Cérénon über Nacht. Am 3. März langte man, in Barême an, am 4. in Digne und am 5. in Gap. In dieser Stadt hielt man so lange an, als nötig war, um die Aufrufe, die man am andern Tage auf dem Wege zu Tausenden verteilte, zu drucken.

Indessen war der Kaiser nicht ohne Besorgnis. Bis jetzt hatte er es nur mit der Bevölkerung zu tun gehabt, und deren Begeisterung ließ sich nicht bezweifeln. Aber kein Soldat hatte sich gezeigt, kein organisiertes Korps hatte sich mit der kleinen Armee vereinigt, und vor allem wünschte und hoffte Napoleon, daß seine Person auf die zu seiner Bekämpfung ausgesandten Regimenter ihren Einfluß ausübte. Der so gefürchtete und so gewünschte Augenblick brach endlich an. Zwischen Lamuse und Vizille stieß der General Cambronne, der mit 40 Grenadieren in der Vorhut marschierte, auf ein von Grenoble ausgesandtes Bataillon, das den Weg versperren sollte. Der Anführer dieser Abteilung weigerte sich, den General Cambronne anzuerkennen, und dieser ließ den Kaiser von dem, was vorging, benachrichtigen.

Napoleon verfolgte eben seinen Weg in einem schlechten Reisewagen, den man sich in Gap verschafft hatte, als er diese Nachricht erhielt. Er ließ sogleich sein Pferd bringen, stieg auf und ritt im Galopp bis auf fast 100 Schritte an die Soldaten, die eine sperrende Mauer bildeten, heran, ohne daß ein einziger Ruf, ein einziger Willkomm seine Person begrüßt hätte.

Der Augenblick, das Spiel zu gewinnen oder zu verlieren, war da. Der Grund und Boden, worauf man stand, ließ leinen Rückzug zu: links von der Straße war ein steiler Berg, rechts eine kleine, kaum 30 Fuß breite, von einer Schlucht begrenzte Wiese und gegenüber das schlagfertige Bataillon, das sich von der Schlucht bis an den Berg ausdehnte.

Napoleon hielt auf einer kleinen Anhöhe, zehn Schritte von einem Bache, der durch eine Wiese fließt. Da wendet er sich gegen den General Bertrand und ruft, ihm die Zügel seines Pferdes zuwerfend:»Man hat mich getäuscht: doch gleichviel, vorwärts!«Mit diesen Worten steigt er ab. geht durch den Bach, schreitet stracks auf das noch immer unbewegliche Bataillon zu, bleibt zwanzig Schritte von der Linie stehen, in demselben Augenblick, wo der das Bataillon führende Adjutant des Generals Marchand seinen Degen zieht und Feuer zu geben befiehlt, und ruft:»Wie? meine Freunde, erkennt ihr mich nicht? Ich bin euer Kaiser. Wenn ein Soldat unter euch ist, der seinen General töten will, so kann er es, hier stehe ich. «Kaum sind diese Worte gesprochen, als der Ruf: »Es lebe der Kaiser!« aus aller Munde erschallt. Der Adjutant befiehlt zum zweitenmal, Feuer zu geben, aber seine Stimme wird von tausendstimmigem Geschrei erstickt. Zugleich, und während vier polnische Lanciers den Wegeilenden verfolgen, lösen sich die Reihen der Soldaten, sie stürzen vor, umgeben Napoleon, fallen ihm zu Füßen, küssen ihm die Hände, reißen die weiße Kokarde ab und stecken die dreifarbige auf, dies alles unter einem Freudengeschrei und einem Entzücken, das die Augen ihres alten Generals mit Tränen füllt. Bald aber erinnert er sich, daß kein Augenblick zu verlieren ist, er kommandiert eine halbe Wendung rechts, stellt sich an die Spitze der Kolonne und marschiert so, Cambronne mit seinen 40 Grenadieren vor sich, und das Bataillon, das man ausgeschickt hat, um ihm den Weg zu versperren, hinter sich, zur Höhe des Berges von Vizille. Von hier aus sieht er, wie eine halbe Meile weiter unten der Adjutant, immer von den vier Lanciers verfolgt, vor denen er dank seinem frischen Pferde einen Vorsprung gewinnt, die Stadt erreicht, verschwindet und gleich darauf am andern Ende wiedererscheint und ihnen nur dadurch entrinnt, daß er einen Querweg einschlägt, wo ihre vor Mattigkeit halb toten Pferde ihm nicht mehr folgen können. — Indessen hat dieser fliehende Mann und die vier ihn verfolgenden Männer, die wie der Blitz durch die Straßen von Vizille sprengen, durch die bloße Erscheinung alles verraten. Am Morgen hat man den Adjutanten an der Spitze seines Bataillons durchmarschieren sehen, und nun jagt er allein und verfolgt wieder zurück. Es ist also wahr: Napoleon rückt vor, begleitet von der Liebe des Volks und der Soldaten! Alles läuft hinaus, fragt sich, begeistert sich. Plötzlich bemerkt man den Zug auf dem Hügelrücken von La Mure. Männer, Weiber. Kinder, alles eilt ihm entgegen, die ganze Stadt umgibt ihn, ehe er vor ihren Toren erscheint, während die Bauern von den Bergen herabkommen, in eiligen Sprüngen wie Gemsen, und von Fels zu Fels den Ruf: »Es lebe der Kaiser!« erschallen lassen.