Am folgenden Tag kommen Geistlichkeit, Generalstab, die gerichtlichen sowie alle bürgerlichen und militärischen Behörden, dem Kaiser ihre Huldigung darzubringen. Nach beendigter Audienz hält er über die 6000 Mann starke Besatzung Heerschau und zieht dann schleunigst gegen Lyon.
Tags darauf setzt er, nach Ausfertigung von drei Erlassen, die verkündeten, daß er die kaiserliche Gewalt wieder an sich nehme, den Zug fort und übernachtet zu Bourgoin. Immer größer wird die Menge des begleitenden Volkes, wie die Begeisterung, es ist, als gebe ihm ganz Frankreich das Geleit und dringe mit ihm nach der Hauptstadt vor.
Auf der Straße von Bourgoin nach Lyon erfährt Napoleon, daß der Herzog von Orleans, der Graf von Artois und der Marschall Macdonald die Stadt verteidigen wollen, und daß man im Begriff ist, zwei Brücken, Morand und la Guillotière abzubrechen. Er lacht über diese Zurüstungen, an die er nicht glaubt, denn er kennt den Patriotismus der Lyoneser und befiehlt dem vierten Husarenregiment, bis la Guillotière zu streifen. Das Regiment wird mit dem Rufe:»Es lebe der Kaiser!«aufgenommen. Der Ruf dringt bis zu Napoleon, der dem Regiment in einer Viertelstunde Entfernung nachfolgt. Er setzt sofort sein Pferd in Galopp und kommt allein und voll Vertrauen in einem Augenblick, wo man ihn am wenigstens erwartet, mitten unter dieser Bevölkerung an, deren Jubel er durch seine Gegenwart zum Entzücken steigert.
Im gleichen Moment werfen sich Soldaten beider Parteien auf die Barrikaden, die sie in wetteifernder Arbeit zerstören, und in einer Viertelstunde liegen sie einander in den Armen. Der Herzog von Orleans und der General Macdonald sind gezwungen, sich zurückzuziehen; der Graf von Artois entflieht, und es folgt ihm, nachdem ihn alles verlassen hat, ein einziger freiwilliger Royalist.
Um 5 Uhr abends eilt die ganze Besatzung dem Kaiser zu. Eine Stunde später nimmt die Armee Besitz von der Stadt.
Um 8 Uhr zieht Napoleon in die zweite Hauptstadt des Königreichs ein. Während seines dortigen viertägigen Aufenthaltes standen ununterbrochen 20 000 Menschen unter seinen Fenstern.
Am 13. reiste der Kaiser von Lyon ab und schlief in Mâcon. Immer höher stieg der Enthusiasmus. Nicht mehr einzelne Individuen, die Behörden selbst empfingen ihn jetzt an den Toren der Städte.
Am 17. wartete ihm zu Auxerre ein Präfekt auf, der erste höhere Staatsbeamte, der diesen Schritt der Anerkennung wagte.
Am Abend meldete man den Marschall Ney. Er kam, voll Scham über seine Kälte im Jahre 1814 und über die Eide, die er Ludwig XVIII. geleistet hatte, um sich einen Platz in den Reihen der Grenadiere zu erbitten. Napoleon öffnete ihm die Arme, nannte ihn den Tapfern der Tapfern, und alles war vergessen.
Abermals eine totbringende Umarmung.
Am 20. März um 2 Uhr nachmittags kam Napoleon zu Fontainebleau an. Dieses Schloß weckte schreckliche Erinnerungen, denn in einem seiner Zimmer hatte er sein Leben verlieren wollen, im andern hatte er das Kaiserreich wirklich verloren. Nur einen Augenblick hielt er dort an, dann setzte er seinen Triumphzug nach Paris fort.
Hier langte er, wie zu Grenoble und Lyon, abends an, am Schlusse eines langen Tagemarsches und an der Spitze der Truppen, die zum Schutz der Vorstädte bestimmt waren. Er hätte mit zwei Millionen Menschen einziehen können.
Um 8–1/2 Uhr abends betrat er den Hof der Tuilerien. Hier stürzte man ihm entgegen, wie man in Grenoble getan, tausend Arme strecken sich aus, fassen ihn, reichen ihn von einem dem andern mit unaussprechlichem, fieberhaftem Jubelgeschrei. So ungeheuer ist die Menge, daß man sie nicht zu meistern weiß: es ist wie ein Bergstrom, dem man seinen Lauf lassen muß. Napoleon kann nur die Worte sprechen:»Meine Freunde, ihr erstickt mich!«
In den Zimmern findet Napoleon eine andere Menge, eine vergoldete ehrfurchtsvolle Menge, eine Menge von Hofleuten, Generalen, Marschällen. Diese erstickten Napoleon nicht, sie beugten sich vor ihm.
«Meine Herren«, sagt der Kaiser zu ihnen,»uneigennützige Leute sind es, die mich in meine Hauptstadt zurückgeführt haben, die Unterleutnants und Soldaten haben alles getan, dem Volke, der Armee verdanke ich alles.«
Noch in derselben Nacht befaßte sich Napoleon mit der Neugestaltung des Ganzen. Minister wurden: Cambacérès für die Justiz, der Herzog von Vicenza für die auswärtigen Angelegenheiten, der Marschall Davoust für den Krieg, der Herzog von Gaëta für die Finanzen, Decrès für die Marine, Fouché für die Polizei, Carnot für das Innere, der Herzog von Bassano wurde wieder zum Staatssekretär eingesetzt, der Graf Mollien wieder Schatzmeister, der Herzog von Rovigo Generalkommandant der Gendarmerie, Herr von Montalivet Intendant der Zivilliste. Letort und Labédoyère wurden zu Generalen befördert, Bertrand und Drouot in ihren Stellen als Großmarschall des Palastes und Generalmajor der Garde bestätigt: endlich alle Kammerherren, Stallmeister, Zeremonienmeister von 1814 wiederernannt.
Am 26. März wurden alle großen Staatskörperschaften berufen, Napoleon die Wünsche Frankreichs vorzutragen.
Am 27. März hätte man glauben können, die Bourbonen hätten niemals existiert, und die ganze Nation meinte geträumt zu haben.
Wirklich war mit einem Tage die Revolution beendigt, sie hatte nicht einen Tropfen Blut gekostet, niemand konnte diesmal Napoleon den Tod eines Vaters, Bruders oder Freundes vorwerfen. Die einzige sichtbare Veränderung war die der Farbe auf den Fahnen, die über unsern Städten flatterten, und der Ruf:» Es lebe der Kaiser!«, der von einem Ende Frankreichs bis zum andern widertönte.
Indessen ist die Nation stolz auf die große Tat der Willensfreiheit, die sie soeben ausgeführt. Die Größe des Unternehmens, das sie so trefflich unterstützt hat, scheint durch den riesenhaften Erfolg die Unglücksfälle der drei letzten Jahre auszutilgen; die Nation weiß es Napoleon Dank, daß er den Thron wiederbestiegen hat.
Napoleon überblickt prüfend seine Lage.
Zwei Wege stehen ihm offen. Er kann alles für den Frieden versuchen und dabei sich auf den Krieg rüsten oder den Krieg mit einer jener unvorhergesehenen Bewegungen, mit einem jener plötzlichen Blitzschläge beginnen, die aus ihm Europas donnernden Jupiter gemacht haben.
Jeder dieser beiden Wege hat seine Übelstände.
Alles für den Frieden versuchen heißt den Verbündeten Zeit geben, sich zu sammeln. Wenn sie ihre Soldaten zählten und die unsrigen, so fanden sie bei sich ebenso viele Armeen wie bei uns Divisionen; wir standen wieder einer gegen fünf. Gleichviel, hatten wir doch auch so manchmal gesiegt!
Den Krieg beginnen heißt denen recht geben, die behaupten, Napoleon wolle den Frieden nicht. Zudem hat Napoleon nur über 40 000 Mann zu verfügen. Das reichte zwar hin, um Belgien wiederzunehmen und in Brüssel einzuziehen. Aber in Brüssel befand er sich dann in einem Kreis von festen Plätzen, die er nacheinander nehmen mußte, und doch waren Maastrich, Luxemburg und Antwerpen keine Baracken, die man mit einem Handstreich überrumpelte. Zudem gärte die Vendée, der Herzog von Angoulême marschierte auf Lyon und die Marseiller auf Grenoble. Zunächst galt es, zu rechter Zeit diesen Brand in den Eingeweiden, der Frankreich foltert, zu dämpfen, damit es mit seiner ganzen Gewalt und Wucht dem Feinde die Brust biete.
Napoleon entschließt sich daher für den erstgenannten Weg. Der Frieden, den er im Jahre 1814 zu Chatillon nach dem feindlichen Einfall in Frankreich verwarf, kann im Jahr 1815 nach seiner Rückkehr von der Insel Elba angenommen werden. Anhalten kann man, solange man emporsteigt, aber niemals beim Heruntersinken.