Выбрать главу

Von da aus sahen sie nicht, was vorging; aber sie ahnten das Vorgefallene leicht, als ein Fenster nach dem Garten hin sich auftat und Ludwig XVI. mit einer roten Mütze auf dem Kopf, die ihm jemand aus dem Volk auf der Spitze einer Pike geboten hatte, sichtbar wurde.

«Coglione! coglione!«[Fußnote] brummte achselzuckend in seinem korsischen Dialekt der junge Leutnant, der bis jetzt stumm und starr geblieben war, in sich hinein.

«Was meinst du, daß er tun sollte?«fragte Bourrienne.

«Vier- bis fünfhundert mit Kanonen wegfegen, «erwiderte Bonaparte,»die übrigen liefen dann von selbst nach.«

Den ganzen Tag über sprach er nur von dieser Szene, die auf ihn den stärksten Eindruck gemacht hatte.

So sah Bonaparte unter seinen Augen die ersten Ereignisse der französischen Revolution sich entrollen. Als einfacher Zuschauer wohnte er dem Feuer des 10. Augusts und dem Gemetzel vom 2. September [Fußnote] bei; als er darauf immer noch keine Verwendung im Heere fand, entschloß er sich zu einer neuen Reise nach Korsika.

Paolis geheime Verhandlungen mit dem englischen Kabinett hatten während Bonapartes Abwesenheit eine solche Entwicklung genommen, daß man sich über seine Entwürfe unmöglich länger täuschen konnte. Eine Unterredung, die der junge Leutnant und der alte General miteinander im Hause des Gouverneurs von Corte hatten, endigte mit einem Bruch; die beiden einstigen Freunde trennten sich, um sich nur noch auf dem Schlachtfelde zu begegnen. An demselben Abend wollte ein Schmeichler Paolis in seiner Gegenwart übel von Bonaparte reden.»Still! sagte zu ihm der General, indem er seinen Finger auf die Lippen legte,»dieser junge Mann ist vom Schrot und Korn der Alten!«

Bald erhob Paoli offen die Fahne des Aufruhrs. Am 26. Juni 1793 von Englands Parteigängern zum Generalissimus und Präsidenten einer Konsulata zu Corte ernannt, wurde er am 17. Juli von dem Nationalkonvent für vogelfrei erklärt. Bonaparte war nicht in der Hauptstadt; er hatte endlich die so oft nachgesuchte Verwendung im aktiven Dienst erlangt. Zum Kommandanten der besoldeten Nationalgarde befördert, stand er an Bord der Flotte des Admirals Truguet und bemächtigte sich indessen des Forts St. Etienne, das die Sieger bald wieder räumen mußten. Als Bonaparte Korsika wieder betrat, fand er die Insel im Aufstand. Die Konventsmitglieder Salicetti und Lacombe Saint-Michel, die mit der Vollziehung des gegen den Rebellen geschleuderten Dekrets beauftragt waren, hatten sich nach Calvi zurückziehen müssen. Bonaparte eilte ihnen zu Hilfe und versuchte mit ihnen einen Angriff auf Ajaccio, der abgeschlagen wurde. Am gleichen Tage brach ein Brand in der Stadt aus, und die Bonaparte sahen ihr Haus in einen Aschenhaufen verwandelt. Bald darauf verurteilte sie ein Beschluß der revolutionären Regierung zu ewiger Verbannung von dem Eiland. Hatte ihnen das Feuer ein Obdach geraubt, so raubte ihnen die Acht das Vaterland. In dieser Not wendeten sie ihre Augen auf den Leutnant Bonaparte, und dieser blickte nach Frankreich. Die ganze arme Verbanntenfamilie schiffte sich auf einem schwachen Fahrzeug ein, und der zukünftige Cäsar ging unter Segel und deckte mit den Fittichen seines Glückes seine vier Brüder, von denen drei Könige werden sollten, und seine drei Schwestern, auf deren eine das Diadem wartete.

Die ganze Familie verweilte in Marseille und rief den Schutz Frankreichs an, für das sie verbannt war. Die Regierung hörte ihre Klagen; Joseph und Lucian erhielten Anstellungen bei der Armeeverwaltung, Ludwig wurde Unteroffizier, und Bonaparte trat als Oberleutnant, also mit Beförderung, zum vierten Infanterieregiment über. Nicht lange nachher stieg er zum Kapitänsrang in der zweiten Kompagnie desselben Korps, das damals in Nizza lag, empor.

Das Jahr mit der blutigen Zahl 93 war angebrochen, die eine Hälfte Frankreichs rang mit der andern, und der Westen und der Süden standen in Flammen. Lyon war nach viermonatiger Belagerung eingenommen, Marseille hatte dem Konvent seine Tore geöffnet, Toulon seinen Hafen den Engländern überantwortet.

Eine Armee von 30 000 Mann, aus Truppen zusammengesetzt, die unter Kellermanns Befehlen Lyon belagert hatten, ferner aus einigen Regimentern der Alpen und der italienischen Armee und endlich aus den in den nächsten Departements gepreßten Rekruten, drang gegen das verkaufte Toulon vor. Der Kampf begann bei den Schluchten von Ollioules. General Du Teil, der die Artillerie leiten sollte, war abwesend; General Dommartin, sein Stellvertreter, wurde im ersten Scharmützel kampfunfähig gemacht; so hatte ihn sein Ersatzmann zu vertreten, und dies war Bonaparte. Hier kam der Zufall dem Genie zu Hilfe, vorausgesetzt, daß für das Genie der Zufall nicht Vorsehung heißt.

Bonaparte erhält seine Ernennung, stellt sich dem Generalstab vor und wird bei dem General Carteaux eingeführt, einem stolzen, vom Kopf bis zum Fuß vergoldeten Manne, der ihn fragt, womit er ihm dienen könne. Der junge Offizier zeigt ihm die Bestallung, der gemäß er unter seinen Befehlen die Operationen der Artillerie zu leiten hat.»Artillerie!«— antwortete der tapfere General —»wir brauchen keine; heute abend werden wir Toulon mit dem Bajonett nehmen, und morgen werden wir es verbrennen.«

Indes, so zuversichtlich auch der Obergeneral war, er konnte Toulon nicht nehmen, ohne es erst auszukundschaften. Darum hatte er die Geduld, bis zum anderen Tage zu warten; aber mit der Morgenröte stieg er, von seinem Adjutanten Dupas und dem Bataillonschef Bonaparte begleitet, in seinen Feldwagen, um die ersten Anordnungen zum Angriff zu besichtigen. Auf Bonapartes Vorstellungen hatte er, wiewohl ungern, das Bajonett aufgegeben und der Artillerie die erste Aufgabe zuerteilt. Infolgedessen hatte er selbst die ihm nötig scheinenden Befehle gegeben, und er kam jetzt eben, um die Ausführung dieser Befehle zu prüfen und ihren Erfolg zu sichern.

Die Höhen, von denen man Toulon zuerst erblickt, wie es, die Füße im Meere badend, sich inmitten seines halborientalischen Gartens verbirgt, waren kaum hinter ihnen, als der General mit den beiden jungen Männern aus dem Wagen steigt und sich in einen Weinberg verliert. Hier bemerkt er einige Kanonen, die hinter einer Art Schulterwehr aufgestellt waren. Bonaparte sieht sich um und ahnt nichts von dem, was vorgeht; der General ergötzt sich einen Augenblick an dem Erstaunen seines Bataillonschefs, dann sagt er, sich mit selbstgenügsamem Lächeln seinem Adjutanten zuwendend:

«Sind das unsere Batterien, Dupas?«

«Ja, General, «antwortet dieser.

«Und unser Park?«

«Vier Schritte von hier.«

«Und unsere Bombenkugeln?«

«Man macht sie in den nächsten Landhäuschen glühend.«

Seinen Augen hatte Bonaparte nicht trauen können, aber seinen Ohren muß er trauen. Er mißt den Raum mit dem geübten Auge des Artilleristen und findet, daß die Batterie von der Stadt wenigstens eine und eine halbe Stunde entfernt ist. Anfangs glaubt er, der General wollte seinem jungen Bataillonschef den Puls fühlen; aber der Ernst, womit Carteaux in seinen Anordnungen fortfährt, läßt ihm keinen Zweifel übrig. Da wirft er behutsam eine Bemerkung über die Entfernung hin und äußert die Furcht, die glühenden Kugeln möchten nicht zur Stadt gelangen.