Die ganz kleine Kolonie war in Longwood untergebracht mit Ausnahme des Marschalls Bertrand und seiner Familie, die Hut's Gate, ein schlechtes, kleines, auf der Straße nach der Stadt gelegenes Haus, bewohnte.
Die Wohnung des Kaisers bestand aus zwei Zimmern; jedes 15 Fuß lang, 12 Fuß breit, und ungefähr 7 Fuß hoch: sie waren beide mit Nankingzeug tapeziert; ein schlechter Teppich bedeckte den Boden.
In dem Schlafzimmer stand das kleine Feldbett, wo der Kaiser schlief, ein Sofa, auf dem er den größten Teil des Tages, mitten unter Büchern, die kaum noch für anderes Platz ließen, ruhte. Daneben stand ein kleiner Gueridon, auf dem er frühstückte oder allein zu Mittag speiste, und der abends einen dreiarmigen mit einem Schirm versehenen Leuchter trug.
Zwischen den beiden Fenstern, der Tür gegenüber, war eine Kommode mit der Wäsche des Kaisers, worauf auch sein großes Necessaire stand.
Den Kamin, über dem ein sehr kleiner Spiegel angebracht war, zierten mehrere Gemälde. Rechts stand das Porträt des auf einem Lamm reitenden Königs von Rom, links hing ein anderes Porträt des Königs von Rom, wie er auf einem Kissen sitzt und einen Pantoffel anprobiert. Mitten auf dem Kamin stand wieder eine marmorne Büste des Kaiserkindes. Zwei Leuchter, zwei Flaschen und zwei vergoldete silberne Tassen aus dem Necessaire des Kaisers vervollständigten die Ausschmückung.
Endlich hing unweit des Sofas und dem Kaiser, wenn er, wie gewöhnlich, ausgestreckt dalag, gerade vor Augen das von Isabey gemalte Porträt Marie Luises, die ihren Sohn auf den Armen hält. Überdies befand sich zur Linken des Kamins und neben den Porträts die dicke silberne Uhr Friedrichs des Großen, eine Art Weckuhr, die er von Potsdam mitgenommen hatte, und als Gegenstück die eigene Uhr des Kaisers, die die Stunde der Schlacht von Marengo und Austerlitz geschlagen hatte, auf beiden Seiten mit goldenem Deckel versehen und die Chiffre B tragend.
Die Möbel des zweiten Zimmers bestanden anfangs nur aus rohen, auf einfachen Fußgestellen ruhenden Brettern, worauf eine große Menge von Büchern und die verschiedenen den Generalen oder Sekretären vom Kaiser diktierten Abhandlungen lagen. Sodann stand zwischen den beiden Fenstern ein Büchergestell und gegenüber ein dem ersten gleichendes Bett, auf dem der Kaiser zuweilen den Tag über ausruhte und auch in der Nacht schlief, wenn er das erste wegen seiner häufigen und langen Schlaflosigkeit verlassen hatte. Endlich befand sich in der Mitte der Arbeitstisch, an dem die Plätze, wie sie der Kaiser beim Diktieren und die Herren von Montholon, Gourgaud oder Las Cases beim Schreiben gewöhnlich einnahmen, bezeichnet waren.
Dies war die Lebensweise und der Palast des Mannes, der nacheinander die Tuilerien, den Kreml und den Eskorial bewohnt hatte.
Jedoch, trotz der Hitze des Tages, trotz der Feuchtigkeit des Abends, trotz des Mangels an den zum gewöhnlichen Leben notwendigen Gegenständen hätte der Kaiser alle diese Entbehrungen mit Geduld ertragen, wäre man nicht so weit gegangen, ihn überall zu bespähen und nicht nur als Gefangenen auf der Insel, sondern sogar als Gefangenen in seinem Hause zu behandeln. Wie bereits erwähnt, hatte man verfügt, Napoleon müsse beim Ausreiten von einem Offizier begleitet werden. Infolgedessen war der Kaiser, wie gesagt, seinem Grundsatz gemäß nie mehr ausgeritten. Durch diese Beharrlichkeit hatte er es erreicht, daß seine Kerkermeister diese Beschränkung aufhoben, wenn er sich nur in bestimmten Grenzen halten wollte. Aber in diesen Grenzen war er von einem Kreise Schildwachen eingeschlossen, und eines Tags legte eine dieser Wachen schon auf den Kaiser an, als General Gourgaud ihr das Gewehr in dem Augenblicke, wo sie wahrscheinlich abdrücken wollte, entriß. Übrigens gestatteten diese Schranken nur einen halbstündigen Ritt, und da der Kaiser sie nicht überschreiten wollte, um der Begleitung seines Wächters enthoben zu bleiben, so stieg er ab und setzte seinen Ausflug zu Fuß auf kaum gebahnten Wegen an tiefen Schluchten hin fort, wo es ein Wunder ist, daß er nicht zehnmal hinabstürzte.
Trotz dieses Wechsels in seinen Gewohnheiten blieb die Gesundheit des Kaisers während der ersten sechs Monate ziemlich gut. Aber im folgenden Winter, als die Witterung andauernd schlecht war, als Feuchtigkeit und Regen in die Zimmer des Schachtelhauses, das er bewohnte eindrang, fing er an, sich häufig unwohl zu fühlen, was sich in Anfällen von Betäubung und Erstarrung äußerte. Zudem wußte Napoleon wohl, daß die Luft sehr ungesund war, und daß eine fünfzig Jahre alte Person auf der Insel als Seltenheit galt.
Inzwischen kam ein neuer Gouverneur und wurde dem Kaiser durch den Admiral vorgestellt. Es war ein Mann von etwa 45 Jahren, von unangenehmer Gestalt, dünn, mager, ausgetrocknet, mit rotem Gesicht und rotem Haar, von Sommersprossen bedeckt, mit schielenden Augen, die nur verstohlen um sich schauten, nur selten jemand ins Gesicht sahen und unter feuerroten, dichten und stark hervorragenden Augenbrauen lagen; er hieß Sir Hudson Lowe.
Mit dem Tage seiner Ankunft begannen neue Quälereien, die immer unerträglicher wurden. Er führte sich dadurch ein, daß er dem Kaiser zwei gegen ihn geschriebene Flugschriften zuschickte. Dann unterwarf er die ganze Dienerschaft einem Verhör, um von ihnen zu erfahren, ob es ihr freier und fester Wille sei, beim Kaiser zu bleiben. Infolge dieser neuen Widerwärtigkeiten verfiel Napoleon bald wieder in einen krankhaften Zustand, wie er immer häufiger bei ihm eintrat. Er dauerte fünf Tage, während deren er nicht ausging, aber doch fortfuhr, seinen italienischen Feldzug zu diktieren.
Bald steigerten sich die Quälereien des Gouverneurs; geflissentlich setzte er die einfachsten Schicklichkeitsregeln so sehr beiseite, daß er den» General Bonaparte«zum Mittagessen bei sich einlud, um ihn einer Engländerin von hohem Stande, die auf St. Helena gelandet war, vorzustellen. Napoleon antwortete nicht einmal auf die Einladung, worauf die Verfolgung noch schlimmer wurde.
Jeder Brief mußte vor der Beförderung dem Gouverneur mitgeteilt werden, und jedes Schreiben, das Napoleon den Titel Kaiser gab, wurde vernichtet.
Man ließ den General Bonaparte wissen, der Aufwand, den er machte, sei zu groß. Die Regierung könne ihm nur eine tägliche Tafel von höchstens vier Personen, für jede Person eine Flasche Wein täglich und wöchentlich ein Gastessen gestatten; weitere Aufwendungen sollten General Bonaparte und die Personen seines Gefolges selbst bezahlen.
Der Kaiser ließ sein Silbergerät zerbrechen und schickte es in die Stadt; aber der Gouverneur ließ ihm sagen, es dürfte nach seiner Ansicht nur an den von ihm bezeichneten Käufer verkauft werden. Dieser Käufer des Gouverneurs gab 6000 Franken für die erste Lieferung, was den einfachen Metallwert dieses Silbergeräts kaum zu zwei Dritteln deckte. Der Kaiser nahm alle Tage ein Bad, man ließ ihm sagen, er müsse sich mit einem Bad wöchentlich begnügen, da in Longwood kein Überfluß an Wasser sei. Es standen in der Nähe ein paar Bäume, unter denen er zuweilen spazierenging, und die den einzigen Schatten auf dem ihm erlaubten Spaziergang gewährten. Der Gouverneur ließ sie abhauen; und als der Kaiser sich über diese Grausamkeit beklagte, antwortete er, er habe nicht gewußt, daß diese Bäume dem General Bonaparte angenehm seien, man werde aber, wenn er sie vermisse, andere dafür pflanzen.