Выбрать главу

Die Nacht war ziemlich gut; aber am folgenden Morgen zeigte sich das Delirium mit erneuter Gewalt. Gegen 8 Uhr jedoch verlor es ein wenig an Kraft; gegen 3 Uhr kam der Kranke wieder zur Besinnung. Er benutzte sie. um seine Testamentsvollstrecker zu berufen, und empfahl ihnen, falls er vollständig das Bewußtsein verlieren sollte, keinen andern englischen Arzt sich ihm nähern zu lassen als den Doktor Arnott. Dann fügte er bei ganz klarem Bewußtsein und mit der ganzen Stärke seines Geistes hinzu:

«Mein Tod ist nahe; ihr werdet nach Europa zurückgehen; ich muß euch einige Ratschläge darüber geben, wie ihr euch verhalten sollt. Ihr habt meine Verbannung geteilt, ihr werdet meinem Andenken treu sein, ihr werdet nichts tun, um es zu verletzen. Alle Grundsätze (einer freien Staatsverfassung) habe ich angenommen und habe sie meinen Gesetzen, meinen Werken eingeprägt, es gibt keinen, den ich nicht heilig gehalten hätte. Unglücklicherweise waren die Umstände ungünstig; ich war gezwungen, mit Strenge zu verfahren und zu vertagen. Da kam das Unglück; ich habe den Bogen nicht entspannen können, und Frankreich ist um die freiheitlichen Einrichtungen, die ich ihm geben wollte, gekommen. Es beurteilt mich mit Nachsicht, es legt meine guten Absichten in die Wagschale, mein Name, meine Siege sind ihm teuer. Folgen Sie seinem Beispiel! Bleiben Sie den Ansichten treu, die Sie verteidigt, wie dem Ruhme, den wir erworben haben! Sonst gibt es nur Schande und Verwirrung!«

Am Morgen des fünften hatte das Übel den höchsten Grad erreicht, das Leben des Kranken war nur noch ein keuchendes und schmerzhaftes Hinsiechen; das Atmen wurde immer schwächer, die weitgeöffneten Augen waren starr und glanzlos, und einige unbestimmte Worte, das letzte Aufwallen seines verwirrten Geistes, erstarben von Zeit zu Zeit auf seinen Lippen. Das Letzte, was man vernehmen konnte, war:»Tête!«und» Armee!«Dann erstickte die Stimme, aller Geist schien erstorben, und der Arzt selbst glaubte, daß die Lebenskraft gewichen sei. Indessen hob sich der Puls gegen acht Uhr wieder, der Todesbann, der den Mund des Sterbenden schloß, schien zu weichen, und einige tiefe und hohle Seufzer entstiegen seiner Brust. Aber um halb elf Uhr war der Puls verschwunden, und einige Minuten nach elf Uhr hatte der Kaiser aufgehört zu leben…

Zwanzig Stunden nach dem Tode seines erlauchten Kranken schritt der Arzt Antomarchi zur Öffnung des Leichnams, wie es ihm Napoleon oft empfohlen hatte. Dann nahm er das Herz heraus, das er den erhaltenen Weisungen gemäß in Weingeist legte, um es Marie Luise zu übergeben. Aber in demselben Augenblicke stellten sich unvermutet die Testamentsvollstrecker ein, mit der Erklärung Sir Hudson Lowes, daß er weder den ganzen Körper noch einen Teil davon von St. Helena entfernen lassen werde, er müßte auf der Insel bleiben. So wurde der Leichnam an das Schafott genagelt. Jetzt wandte man sich der Wahl eines Begräbnisplatzes für den Kaiser zu und entschied sich für einen Ort, den Napoleon nur einmal gesehen hatte, von dem er aber immer mit Wohlgefallen redete. Sir Hudson Lowe gab seine Zustimmung dazu; das Grab an diesem Orte anzulegen.

Nach der Sektion nähte Doktor Antomarchi die zerschnittenen Teile wieder zusammen, wusch den Körper und übergab ihn dem Kammerdiener, der ihn mit dem gewöhnlichen Anzug des Kaisers bekleidete, das heißt mit Beinkleidern von weißem Kaschmir, weißseidenen Strümpfen, langen steifen Stiefeln mit kleinen Sporen, weißer Weste, weißer Halsbinde, die mit einer schwarzen überzogen und hinten zugeschnallt war, mit dem Rock eines Obersten der Gardejäger, geziert mit den Orden der Ehrenlegion und der Eisernen Krone, endlich mit dem dreieckigen Hute. So angetan, wurde Napoleon am 6. Mai 5 ¾ Uhr aus dem Saale weggebracht und in dem kleinen Schlafzimmer, das man in einen Katafalk verwandelt hatte, zur Schau gestellt. Der Leichnam hatte die Hände frei; er lag auf seinem Feldbette ausgestreckt, seinen Degen an der Seite; ein Kruzifix ruhte auf seiner Brust, und der blaue Mantel von Marengo war über seine Füße hergeworfen. So blieb er zwei Tage lang ausgestellt.

Am Morgen des achten wurde der Leichnam des Kaisers, der unter der Vendômesäule ruhen, und das Herz, das Marie Luise zugesandt werden sollte, in einen gußeisernen, ausgepolsterten Sarg mit einem von weißem Atlas überzogenen Kopfkissen gelegt; der Hut, der aus Mangel an Raum nicht auf dem Haupte des Toten bleiben konnte, wurde ihm zu Füßen gelegt. Um ihn streute man Adler und alle Arten von Münzen, die mit seinem Bilde während der Dauer seiner Regierung geprägt worden waren. Dazu legte man sein Tischgerät, sein Messer und einen Teller mit seinem Wappen. Dieser erste Sarg wurde in einen zweiten, von Zedernholz, den man in einen dritten bleiernen legte, eingeschlossen, und letzterer in einen vierten von Zedernholz, ähnlich dem zweiten, aber von größerem Umfang, gestellt. Dann setzte man, den Sarg in demselben Raum, wo der Körper ausgestellt war, zur Schau aus.

Um halb ein Uhr wurde der Sarg von den Soldaten der Garnison in die große Pappelallee, wo der Leichenwagen wartete, gebracht. Man bedeckte ihn mit einem violetten Samt, auf den man den Mantel von Marengo legte. Darauf setzte sich das Leichengefolge in folgender Ordnung in Bewegung:

Der Abbé Vignali, angetan mit seinem Priesterschmucke, und neben ihm der junge Heinrich Bertrand, der einen silbernen Weihkessel mit dem Weihwedel trug.

Die Doktoren Antomarchi und Arnott.

Die Wächter des Leichenwagens, der von vier durch Bediente an der Hand geführten Pferden gezogen und zu jeder Seite von 12 Grenadieren ohne Waffen begleitet wurde; diese sollten den Sarg auf ihren Schultern tragen, sobald der schlechte Zustand des Weges das Weiterfahren des Wagens verhinderte.

Der junge Napoleon Bertrand und Marchand, beide zu Fuß und neben dem Leichenwagen.

Die Grafen Bertrand und Montholon zu Pferd unmittelbar hinter dem Leichenwagen.

Ein Teil vom Gefolge des Kaisers.

Die Gräfin Bertrand mit ihrer Tochter Hortense, in einem mit zwei Pferden bespannten Wagen, an der Hand geführt von den Bedienten, die neben dem abschüssigen Abfall hergingen.

Das Grab war ungefähr eine Viertelstunde von Hut's-Gate entfernt gegraben, der Leichenwagen hielt nahe am Grabe, und die Kanonen begannen, fünf Schüsse in der Minute zu tun.

Der Leichnam wurde in das Grab hinabgelassen, während der Abbé Vignali das Gebet verrichtete. Napoleons Füße waren nach dem Orient, den er erobert hatte, gewendet; sein Haupt dem Westen zu, wo er einst regierte. Darüber versiegelte ein ungeheurer Stein seine letzte Wohnung und bildete den Übergang von der Zeit zur Ewigkeit.

Endlich brachte man eine silberne Platte mit, auf der folgende Inschrift eingegraben war:

Napoleon.

geboren zu Ajaccio, den 15. August 1769, Gestorben zu St. Helena am 5. Mai 1821.

Aber in dem Augenblicke, wo man die Inschrift auf dem Stein befestigen wollte, stürzte Sir Hudson Lowe vor und erklärte im Namen seiner Regierung, daß man auf das Grab keine andere Aufschrift setzen dürfe als:

Der General Buonaparte.

Nachschrift des Übersetzers

Im Monat Dezember 1840 wurde gemäß einer Übereinkunft des Königs der Franzosen, Louis Philipp, und der Königin Viktoria von England Napoleons Leichnam durch den Prinzen Joinville unter Begleitung des Grafen Las Cases von St. Helena auf der Fregatte Belle-Poule abgeholt und am 15. Dezember in dem dazu erbauten Mausoleum im Invalidendome zu Paris feierlichst beigesetzt.

So wurde Napoleons letzter Wunsch, an den Ufern der Seine zu ruhen, zwanzig Jahre nach seinem Tode erfüllt; die Franzosen fühlten sich an jenem Tage kummervoll als die Waisen seines Ruhmes.