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„Ich will Sie zu keiner Indiskretion verleiten; aber Sie kennen die Dame?“

„Ja.“

„Woher?“

„Von Paris aus.“

Da verfinsterte sich das Gesicht des jungen Mannes plötzlich. Er fragte:

„Sie sind Kapitän Richemonte?“

„Nein.“

„Ah! Also sonst ein Bekannter?“

„Ja.“

„Woher wissen Sie, daß Frau Richemonte sich hier befindet?“

„Ich habe sie selbst nach dem Meierhof gebracht.“

„Wohl als Kutscher?“

„O nein“, lächelte Königsau, „als Begleiter.“

„Von Paris aus?“

„Ja.“

Da glitt ein eigentümlicher Zug über das Gesicht des jungen Mannes. Man konnte nicht sagen, ob es Schreck oder Freude sei, welches ihn zu der schnellen Frage bewog:

„Donnerwetter! So heißen Sie Königsau.“

„Ja.“

„Und Sie wagen sich – ah, kommen Sie, kommen Sie!“

Er faßte den Arm des Lieutenants und zog den letzteren rasch aus dem Zimmer fort zu einer Tür hinaus. Dort befand sich augenscheinlich der eigentliche Wohnraum. Hier betrachtete der Baron den Gast noch einmal vom Kopf bis zu den Füßen herab, und er sagte:

„Mein Gott, wie können Sie es wagen, nach Roncourt zu kommen?“

„Halten Sie das wirklich für ein Wagnis, Baron?“

„Gewiß. Sie sind Deutscher und noch dazu Offizier. Haben Sie nicht gewußt, daß General Drouet sich auf unserer Meierei befindet?“

„Ich erfuhr es erst in Sedan.“

„Und dennoch wagten Sie sich hierher? Wie nun, wenn man sie festnimmt?“

„Das fürchte ich nicht“, lächelte Königsau.

„Und Sie als Spion behandelt?“

„Ich komme nur, um Frau und Mademoiselle Richemonte zu sprechen.“

Der Baron blickte wie ratlos im Zimmer umher und sagte dann, auf einen Stuhl deutend:

„Setzen Sie sich, Herr Lieutenant. Es gilt, daß wir uns klarwerden. Sie sind ein Freund der Madame Richemonte?“

„Ein sehr aufrichtiger und ergebener“, antwortete Königsau, indem er sich niedersetzte.

„Als die Damen hier ankamen, war ich nicht anwesend, ich befand mich zu der Zeit in der Gegend von Reims, um die Kellereien eines Freundes zu besichtigen. Sie müssen wissen, daß ich Landwirt und besonders Weinzüchter bin. Als ich nach Hause kam, fand ich die Damen vor. Ich hörte, daß ein Deutscher sie nach hier begleitet habe, ein Lieutenant namens Königsau.“

„Dieser bin ich.“

„Wie ich höre. Madame Richemonte sagte, daß sie Ursache habe, für nächste Zeit ihren Aufenthalt bei uns nicht wissen zu lassen; Sie allein seien ausgenommen. Sie scheinen also das Vertrauen dieser Dame zu besitzen?“

„Ich hoffe es!“

„Sie haben ihr jedenfalls wichtige Dienste geleistet?“

„Es ist mir allerdings vergönnt gewesen, den Damen einigermaßen nützlich zu sein, doch bin ich weit davon entfernt, mir dies als Verdienst anzurechnen.“

Jetzt begannen die Züge des Barons sich wieder zu erheitern.

„Dann bin auch ich Ihnen Dank schuldig“, sagte er. „Sie wissen wohl, daß Frau Richemonte meine Verwandte ist?“

„Die Dame sprach davon, wenn auch nicht eingehender.“

„Meine Mutter ist ebenso, wie Madame Richemonte, eine Deutsche. Beide stammen aus demselben Ort und sind Kusinen. Mein Vater ist tot, und so habe ich –“, fügte er mit einem heiteren, sorglosen Lächeln hinzu, „– die ganze Last der Verwaltung unseres Besitztums auf meinen armen Schultern liegen. Es war sehr einsam hier; die Ankunft der beiden Damen hat Leben und Bewegung hereingebracht, was ich ihnen herzlich danke. Leider ist diese Bewegung und dieses Leben bedeutend ungemütlicher geworden durch die Ankunft des Militärs, welches alles außer Rand und Band gebracht hat.“

„Ich kondoliere!“ sagte Königsau höflich.

„Danke! Als Sohn einer Deutschen bin ich nicht so raffiniert französisch gesinnt, daß es mir lieb sein kann, mich zum Diener einer anspruchsvollen Soldateska herabwürdigen zu lassen. Und nun zumal um ihretwillen wünsche ich diese Herren alle zum Teufel.“

„Ich bitte, auf mich nicht die mindeste Rücksicht zu nehmen, Baron.“

„Wenn das so leicht wäre! Darf ich Sie fortweisen?“

„Ich hoffe, Sie werden es nicht!“ lachte Königsau.

„Aber darf ich einen deutschen Offizier bei mir aufnehmen?“

„Unter den gegenwärtigen Umständen, ja. Ich komme ja nicht als Offizier. Ich bin im Besitz einer Legitimation, welche man in Sedan respektiert hat.“

„Das ist etwas anderes! Aber leider finden Sie Frau Richemonte nicht vor.“

„Wo ist sie?“

„Sie und Mademoiselle sind heute früh mit Mama nach Vouziers gefahren.“

„Wann kehren sie zurück?“

„Heute abend wahrscheinlich.“

Da machte Königsau eine Bewegung des Schreckes.

„Heute abend?“ fragte er. „Nicht morgen am Tag? Es sind von Vouziers bis hierher volle sechs Stunden zu fahren.“

„Allerdings. Aber bei den Lasten, welche die Einquartierung uns bereitet, kann ich die Mutter unmöglich länger entbehren.“

„Das glaube ich gern. Aber bedenken Sie doch die Unsicherheit des Weges!“

Da trat der Baron einen Schritt zurück, machte ein sehr verblüfftes Gesicht, schlug die eine Hand in die andere und rief:

„Mein Gott, ja! Daran haben wir gar nicht gedacht! Mama nicht und ich nicht!“

„Der Weg führt durch Wälder, in denen allerlei Gesindel hausen soll, wie ich gehört habe“, bemerkte Königsau.

„Das ist richtig! Alle Teufel, was ist da zu tun?“

Der Baron schien eine vorzugsweise heitere, sorglose Natur zu sein. Jetzt aber sah man es ihm an, daß er keineswegs gleichgültig blieb.

„Welchen Weg schlugen die Damen ein?“ fragte Königsau.

„Sie sind über La Chêne und Boule aux Bois gefahren.“

„Und sie kehren auf demselben Weg zurück?“

„Ganz sicher! Ich befinde mich da in großer Angst. O Gott, wenn ihnen etwas widerfährt! Wenn sie angefallen werden! Ich würde ihnen entgegenreiten, aber ich kann unmöglich fort, da dieser verteufelte General Drouet in jedem Augenblick einen Wunsch, ein Verlangen, einen Befehl zu erfüllen hat!“

„So lassen Sie mir ein Pferd satteln.“

„Ihnen?“ fragte der Baron, halb erstaunt und halb erleichtert.

„Ja, mir, wenn ich bitten darf.“

„Aber wissen Sie, in welche Gefahr Sie sich begeben?“

„Pah! Wegen des Gesindels?“

„Ja. Und weil Sie ein Deutscher sind.“

„Diese Gefahr gibt es nicht für mich. Hier, lesen Sie meine Legitimation. Vielleicht wird es auch für Sie nötig, den Namen zu kennen, welchen ich gegenwärtig trage.“

Der Baron las das Dokument, gab es ihm zurück und sagte:

„Ein Pferd können Sie haben; aber sind Sie auch bewaffnet?“

„Ich habe Pistolen und ein Messer.“

„Das ist nicht genug. Ich werde Ihnen noch zwei Doppelpistolen geben. Aber kennen Sie den Weg, den Sie zu reiten haben?“

„Monsieur, ich bin ein deutscher Offizier!“

Der Baron nickte und sagte:

„Es ist wahr, mein Herr; die Deutschen haben bewiesen, daß ihre Karten von Frankreich besser und genauer sind, als die unserigen. Aber wollen Sie nicht vorher etwas genießen?“

„Ich danke. Das würde viel Zeit kosten, die ich notwendiger brauche.“

„So werde ich Ihnen einen Imbiß in die Satteltaschen tun lassen. Man kann nicht wissen, was geschieht. Entschuldigen Sie mich.“

Er entfernte sich, um seine Befehle zu erteilen.

So befand sich Königsau also in der Höhle des Löwen. Er war abgeschickt worden, um so viel wie möglich über die Pläne des Feindes zu erkundschaften. Er hatte sich dazu selbst angeboten. Er wußte, wie gefährlich dieses Unternehmen war, denn man hätte ihn, wenn er entdeckt wurde, ganz einfach den schimpflichen Tod eines Spions sterben lassen: man hätte ihn gehenkt. Aber diese Gefahr wurde mehr als reichlich durch den Umstand aufgewogen, daß es ihm möglich wurde, die Geliebte zu sehen und zu sprechen. Und ein großer Erfolg war ihm ja bereits geworden; er hatte den Platz entdeckt, an welchem die Kriegskasse verborgen lag.