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Er gab ihr ein Goldstück und ging, ohne sich etwas herausgeben zu lassen. Sie begleitete ihn bis vor die Tür, sah ihn aufsteigen und blickte ihm nach, bis er hinter der ersten Krümmung des Weges verschwunden war; dann sagte sie nachdenklich zu sich:

„Das war ein guter Mensch, ein sehr guter Mensch. Er hatte so treue, ehrliche Augen, viel treuer als der Baron, den ich doch so unendlich liebhabe. Er trug ganz einfache Kleider, aber er war doch ein feiner Herr. Er ritt gerade wie ein Offizier. Er hat mir seinen Namen verschwiegen. Ich möchte wohl recht gern wissen, wer es ist. Wenn er um Gottes willen nicht vergißt, das Lied zu pfeifen.“

Ganz ähnliche Gedanken hatte auch Königsau.

„Ein schönes und ein braves Mädchen“, dachte er. „So gut, rein und kindlich, obgleich sie von Sünde und Verbrechen umgeben ist. Ich wette, daß sich zwischen ihr und dem Baron noch eine Art Roman entspinnt, und wünsche nur, daß er für sie nicht allzu unglücklich enden möge.“

Er ritt schnell seines Weges, lockerte seine Pistolen, um schnell zum Schuß bereit zu sein, und als er das Kreuz erblickte, begann er das in ganz Frankreich damals bekannte Liebeslied ‚Ma chérie est la belle Madeleine‘ laut und fröhlich hinauszupfeifen. Dabei suchten seine Augen verstohlen etwas Verdächtigtes zu entdecken.

Er war noch nicht ganz an das Kreuz herangekommen, so bemerkte er, daß zwei Köpfe sich vorsichtig über die Zweige des Gebüsches erhoben, aber schnell wieder verschwanden. Er gelangte ohne alle Fährlichkeit vorüber.

Im Weiterreiten kam ihm ein Gedanke.

„Wenn ich diese Kerls belauschen könnte!“ dachte er. „Vielleicht würde ich etwas erfahren, was mir Nutzen bringt. Soll ich es wagen? Pah, ich habe vier Doppelpistolen, also acht Schüsse, und stehe außerdem unter dem Schutz dieses Mädchens.“

Als er die nächste Krümmung erreichte, konnte er von den Marodeurs, selbst wenn ihn diese hätten beobachten wollen, nicht bemerkt werden. Er sprang ab und zog sein Pferd ein genügendes Stück in den Wald hinein.

Dort band er es an einen Baum und kehrte dann in die Richtung zurück, aus welcher er gekommen war, natürlich aber nicht auf der Straße, sondern unter dem Schutz der Bäume des Forstes. Je mehr er sich dem Kreuz näherte, desto vorsichtiger wurde er. Er schlug sich noch tiefer in den Wald hinein, um von dort aus an das Kreuz zu kommen. Es gelang ihm gut.

Sich leise von Baum zu Baum schleichend, konnte er bereits die Lichtung der Straße vor sich erkennen, als er die Büsche erreichte, welche als Unterholz zwischen den Stämmen standen. Er kroch langsam vorwärts und hörte bald halblaute Stimmen vor sich. Seine Vorsicht verdoppelnd, schob er sich weiter, bis er nur um einen Strauch zu blicken brauchte, um die zu sehen, welche er suchte.

Eng zwischen das Buschwerk eingeklemmt saßen acht Männer. Ihre Kleider waren augenscheinlich aus Raubstücken zusammengesetzt, ein buntes Gemisch von Militär und Zivil. Ihre Bewaffnung war ausgezeichnet, und ihr Äußeres zeigte deutlich auf das Gewerbe hin, welchem sie oblagen.

Unweit von ihnen standen, hart am Rand des Gebüschs und fast in der unmittelbaren Nähe des Kreuzes, noch zwei, welche die Wache zu halten hatten. Es waren dies die zwei, welche Königsau vorher gesehen hatte. Sie verhielten sich ruhig, während die anderen so laut sprachen, daß der Lauscher alles hören konnte.

„Du denkst, ein Knecht? Nein, das war er nicht“, sagte einer.

„Was denn sonst?“ fragte ein anderer.

„Er ritt so militärisch.“

„Und einen reinen Offiziersbart!“ fügte ein dritter hinzu.

„So streitet euch doch nicht!“ warnte ein vierter. „Er ist ja nun vorüber.“

„Er sah nicht nach vielem Geld aus!“ bemerkte der zweite.

„Es wäre ein schlechter Fang gewesen. Übrigens hatte er unser Zeichen.“

„Wer mag es ihm gesagt haben?“

„Vielleicht pfiff er das Lied nur ganz zufällig.“

„Oder ist er bei Berta Marmont eingekehrt?“

„Sollte er ein Bekannter von ihr sein?“

„Vielleicht ein Geliebter?“

Da schlug der eine mit der Faust auf den Rasen und sagte:

„Dann soll ihn der Teufel holen. Die Berta ist ein zu appetitlicher Bissen, als daß wir sie einem Fremden überlassen sollten.“

„Pah!“ brummte sein Nachbar, der zu alt war, um noch Liebesgedanken hegen zu können. „Streitet euch nicht! Einige von uns haben sich die Finger an ihr verbrannt. Keiner gönnt sie dem andern, und darum haben wir ausgemacht, daß keiner sie bekommen soll. Es würde sonst Mord und Totschlag geben. Warum sollte sie da nicht einen nehmen, den sie liebhat?“

„Laßt doch das unnütze Reden! Wären wir heute am Vormittag alle beisammen gewesen, so hätten wir einen Fang gemacht. Dreißig Soldaten bei einem Wagen! Was muß das gewesen sein? Gewiß kein übler Fang.“

„Vielleicht gar eine Kriegskasse.“

„Das ist sehr leicht möglich. Nun aber ist sie vorüber.“

„Nur Geduld!“ lachte der Alte. „Der Kerl, welcher hier vorüberpfiff, hatte nicht drei Franken im Sack. Warte bis heute abend.“

„Wird es wahr sein?“

„Ich habe es ganz genau gehört.“

„Ein Marschall?“

„Sogar zwei Marschälle.“

„Donnerwetter, welche?“

„Frag nicht ewig. Was tut der Name zur Sache?“

„Aber ob sie Geld haben?“

„Meinst du, ein Marschall reise ohne einen vollen Beutel?“

„Und Ringe, Uhren, Dosen, Diamanten und Pretiosen!“ meinte ein anderer.

„Aber auch mit großer Bedeckung.“

„Pah! Die wird niedergeschossen.“

„Und wenn sie zahlreich ist?“

„Wenn die anderen kommen, sind wir zwanzig Mann. Das genügt vollständig.“

„Ja, vollständig“, stimmte einer seiner Kameraden bei. „Wir stellen uns ja nicht eher bloß, als bis sie alle erschossen sind.“

Hier handelt es sich also um den Überfall zweier Marschälle. Sollte Königsau weiter lauschen? Sollte er noch mehr zu erfahren suchen, um die Bedrohten aufzusuchen und zu warnen? Was nützte das ihm? Was nützte es seiner Sache? Nichts! Es konnte ihm nur Schaden bringen. Übrigens brachen die Leute das Thema ab und begannen von gleichgültigeren Dingen zu sprechen.

Der kleinste Umstand konnte zum Verräter an ihm werden. Darum zog er sich zurück, erst langsam und leise; dann aber nahm er einen raschen Schritt an und eilte zu seinem Pferd. Er fand es noch so, wie er es verlassen hatte, zog es aus dem Wald auf die Straße heraus, stieg auf und setzte seinen Weg fort.

Nach einer halben Stunde erreichte er La Chêne. Er wäre am liebsten hindurchgeritten, doch hielt er es für besser, einmal einzukehren. Auf diese Weise konnte er vielleicht etwas erfahren. Er führte sein Pferd hinter das Haus, ließ sich ein Glas Wein geben und fragte dann den Wirt, ob er ein wenig Heu bekommen könne.

„Für Ihr Pferd?“ fragte dieser.

„Denken Sie etwa, für mich?“ lachte er.

Der Wirt machte ein saures Gesicht und antwortete:

„Heu ist nicht da. Aber gehen Sie in den Garten, da schneidet das Mädchen Gras. Das ist auch besser als Heu.“

Der gute Mann blieb ruhig auf seinem Stuhl sitzen. Königsau schritt über den Hof hinüber und öffnete die Gartenpforte. Er trat in einen Laubengang, welcher von Pfeifenstrauch und Weinreben gebildet wurde. Dieser Gang war sehr dicht belaubt, und es gab nur hier und da ein hineingeschnittenes Loch, welches als eine Art Fenster diente. Er führte in gerader Richtung in eine Laube, aus welcher man in den eigentlichen Gastgarten gelangte.

Indem Königsau so dahinschritt, vernahm er eine Stimme. Er blieb überrascht stehen, denn es war ihm, als ob er den Namen Fabier gehört hätte.

Er lauschte. Jetzt vernahm er deutlich, daß draußen außerhalb des Ganges zwei Personen miteinander sprachen. Er unterschied eine männliche und eine weibliche Stimme. Sie ertönten gar nicht weit von ihm. Er brauchte nur noch einige Schritte zu gehen, so stand er innerhalb, gerade an der Stelle, an welcher sie außerhalb standen.